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3. Die Auslegung des Gesetzes 3.1 Die Auslegungsmethoden

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Gesetze sind Texte und bestehen aus Wörtern und Sätzen. Die Sprache aber deckt sich weder mit den Gedanken, die sie in Worte fassen, noch mit den Dingen, die sie bezeichnen soll. Und sie ist ständigem Wandel unterworfen. Ein Gesetz auslegen heißt, den rechtlichen Gehalt des Gesetzestextes erforschen. Juristen unterscheiden eine ganze Reihe von Auslegungsmethoden: die sprachliche, die systematische, die historische und die teleologische. Diese Methoden stehen aber nicht zur beliebigen Auswahl, sondern führen nur gemeinsam zum Ziel. In der Praxis freilich bestimmt oft das gewünschte Auslegungsergebnis die Auslegungsmethode.

Am Anfang steht das Wort. Jede Auslegung beginnt mit dem Wortlaut[14]: den Sprachregeln der Grammatik, dem allgemeinen Sprachgebrauch und den Eigenheiten der juristischen Fachsprache. Gesetzliche Definitionen sind verbindlich (§§ 121 I 1, 122 II, 276 II, 434, 435, 633 II, III). Je klarer der Wortsinn, desto geringer die Freiheit der Auslegung[15]. Freilich gibt es keinen Text, der sprachlich für alle Zeiten exakt das ausdrückt, was er ausdrücken soll.

Die systematische Auslegung erforscht den Bedeutungszusammenhang mehrerer Texte. Jede Rechtsnorm hängt rechtlich mit anderen zusammen, und dieser Zusammenhang erschließt ihren Sinngehalt. Die verfassungskonforme Auslegung ist das markanteste Beispiel. Das BGB steht nicht mehr für sich allein, sondern auf dem Fundament des höherrangigen Grundgesetzes, dessen Wertordnung alle Staatsgewalten bindet. Das BGB ist, gewissermaßen optisch, „im Lichte“ des Grundgesetzes so auszulegen, dass die Grundwerte der Verfassung sich auch im Zivilrechtsverkehr durchsetzen (RN 10)[16].

Die historische Auslegung fahndet nach dem Willen des Gesetzes. Freilich hat es wenig Sinn, den Willen des modernen Gesetzgebers zu erforschen. Dieser Wille zählt nur, soweit er sich im Wortlaut des Gesetzes kundtut[17]. Letztlich fahndet man nach dem objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes[18]. Die Gesetzesmaterialien liefern wichtige Hinweise.

Gleichermaßen beliebt wie gefährlich ist die teleologische Auslegung nach Sinn und Zweck des Gesetzes (ratio legis)[19]. Sie unterstellt, dass jede Rechtsnorm nicht nur ihren speziellen Zweck verfolge, sondern auch Bestandteil einer zweckmäßigen und gerechten Gesamtregelung sei, und entscheidet sich im Zweifel für diejenige Auslegung, die im Zusammenhang der Rechtsordnung am vernünftigsten, zweckmäßigsten und gerechtesten erscheint[20]. Die Versuchung ist groß, den gesuchten Gesetzeszweck selbst in die Rechtsnorm hineinzulegen, um ihn dann als vernünftig und gerecht wieder herauszulesen[21].

Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

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