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Der Tod der männlichen Bevölkerung

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Der große protestantische Held des Dreißigjährigen Kriegs, König Gustav Adolf von Schweden († 1632), war die treibende Kraft hinter einer Politik, die die bäuerlichen Gemeinden seines Landes ihrer männlichen Bevölkerung beraubte. Wie Ludwig XIV. brauchte er verzweifelt Soldaten, um seine großen Ziele durchzusetzen. Sechs Kriege gegen Dänemark allein im 17. Jahrhundert und, nicht zu vergessen, die wichtige Rolle des Landes im Dreißigjährigen Krieg verwandelten das Land Schweden in einen Staat, in dem es um kaum noch etwas anderes als Steuern und Macht ging – und in ein einziges großes Rekrutierungsfeld. Im Jahr 1648 „gab es 127 schwedische Garnisonen, die in ganz Deutschland verstreut lagen“.

Doch Schweden war in erster Linie ein Agrarstaat und obendrein eher dünn besiedelt. Die Bauern machten 90 Prozent der Bevölkerung aus. Ihre Höfe waren klein, bestanden aus einzelnen Haushalten, und viele Grundstücke lagen auf den Landgütern von Adeligen. Von den 1620er-Jahren an musste jede Gemeinde in Schweden eine bestimmte Anzahl an Soldaten stellen und ausstatten, und diese Anzahl wurde jedes Jahr von der Krone neu festgelegt. Die Wehrpflichtigen wurden von den Gemeinden selbst ausgewählt.

Eine Studie der Gemeinde Bygdeå zeigt, dass im Laufe der 18 Jahre von 1621 bis 1639 die dortige männliche Bevölkerung im Alter von 15–60 von 472 auf 294 sank – ein Rückgang von fast 40 Prozent. Schuld daran waren die großen Verluste in den Kriegen mit schwedischer Beteiligung, wobei die meisten Soldaten an Krankheiten starben, mit denen sie sich in den Garnisonen ansteckten. Von den im Jahr 1638 einberufenen Männern, 27 an der Zahl, „starben alle bis auf einen vor ihrer Zeit, im Ausland“. In Geoffrey Parkers Worten: „Die Rekrutierung … war zum Todesurteil geworden.“ Um die Quote der Wehrpflicht zu erfüllen, musste die Gemeinde Bygdeå sogar Teenager in den Krieg schicken; im Jahr 1639 waren die Hälfte der Rekruten von dort „erst 15 Jahre alt und alle, bis auf zwei, unter 18“.

Die Verluste durch den Krieg „führten zu einem geradezu katastrophalen Mangel an erwachsenen Männern in der Gemeinde. Ende der 1630er-Jahre kamen in Bygdeå auf jeden Mann 1, 5 Frauen“. Und zählt man Kinder und Greise nicht mit, kamen sogar „etwa drei Frauen auf jeden erwachsenen Mann“. Natürlich fehlten die Männer bei der Landarbeit, und „immer mehr landwirtschaftliche Betriebe wurden von Frauen geleitet“.

So wie in Bygdeå ging es auch in anderen Teilen Europas zu – so im Herzen Spaniens ab Ende des 16. Jahrhunderts, als die Habsburger verzweifelt versuchten, die Niederlande unter Kontrolle zu halten, in Deutschland während des Dreißigjährigen Krieges, als grassierende Krankheiten und Waffengewalt vor allem die männliche Bevölkerung dezimierten, und in Frankreich etwa ab 1685, als die Kriege Ludwigs XIV. immer mehr Männer in den Tod schickten.

Aber der Krieg konnte auch Menschen ‚beseitigen‘, die in den Gemeinden ohnehin nicht gern gesehen waren: hartnäckige Bettler, herumlungernde Bedürftige, Störenfriede, Landstreicher und andere Existenzen am Rande der Gesellschaft. Wenn die Anwerber des Heers kamen, dann zwang man diese unerwünschten Gestalten, sich dem Militär anzuschließen – wenn es sein musste, mit Gewalt und Ketten. Zwischen 1627 und 1631 wurden etwa 25.000 Männer aus Schottland nach Deutschland verschifft, um in dänischen und schwedischen Heereszügen zu dienen; viele von ihnen waren „herrenlose Männer“, die entführt oder anderweitig gewaltsam eingezogen worden waren. Der strenge schottische Calvinismus schrieb ein äußerst diszipliniertes Leben vor, und zweifellos galten jene Arbeitslosen, die nun in Deutschland aufgegriffen und in den Krieg geschickt wurden, als undiszipliniert und als faul.

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