Читать книгу Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze - Linette Carlson - Страница 10
KAPITEL 6
ОглавлениеAbends ruft Nora zurück. Ich surfe stabil auf meiner Euphoriewelle, will mich sofort mit ihr treffen und noch mehr Prosecco trinken, fange mir aber eine Abfuhr.
„Ich hatte heute nur doofe Passagiere, Steffi, ich kann gar nichts mehr. Einer hat mir sogar Tomatensaft auf die Schuhe gekotzt, dabei wusste er schon vorher, dass er Tomatensaft nicht mag. Lass uns morgen treffen, okay? Oder nein, übermorgen. Morgen kommen Freunde zum Essen zu uns.“
Äh, wie? Morgen kommen Freunde zum Essen zu uns? Welche Freunde? Ich bin nicht eingeladen und ich bin ja wohl Noras beste Freundin. Hm, wenn ich mal so kurz darüber nachdenke, haben Nora und Markus mich überhaupt noch nie zum Essen eingeladen. Kein einziges Mal seit sie zusammenwohnen. Und das sind jetzt schon knapp zwei Jahre. Wenn ich zu Besuch bin, gibt es immer nur Drinks.
„Was denn für Freunde?“, frage ich leicht angezickt.
„Kennst du nicht.“
Ach guck. Seit wann hat Nora Freunde, die ich nicht kenne? Bei ihrer Hochzeit vor sechs Monaten kannte ich noch jeden Freund. Und was ist das überhaupt für eine blöde Antwort? Warum erzählt sie mir nichts über die Freunde? Führt sie etwa neuerdings ein Zweitleben, das mich nichts angeht? Ein Leben mit neuen Freunden?
„Steffi, bist du noch dran?“
Bin ich und ich würde zu gern was Pampiges zu ihren neuen Freunden sagen, bremse mich aber aus. Heute ist der erste Tag seit einer Ewigkeit, an dem in meinem Leben etwas Neues passiert ist. Diesen besonderen Tag vermiese ich mir nicht durch einen Streit mit Nora. Ich bleibe jetzt einfach sachlich.
„Ja, ich bin noch dran. Übermorgen ist okay, aber kannst du mir vielleicht schon sagen, wann du Zeit für ein Casting hast? Ich soll Terminvorschläge machen.“
Nora will ihren Dienstplan checken und sich noch mal melden.
Während ich auf ihren Anruf warte, kaue ich gedanklich auf „Morgen kommen Freunde zum Essen zu uns“ rum. Dabei wollte ich doch nicht grübelnd auf meinem IKEA-Sessel rumhängen, sondern in irgendeiner Kneipe feiern, dass die Redaktion von „Fashionista“ mich total super findet. Mit Nora wollte ich das feiern und ich war sicher, dass sie das auch mit mir feiern will. Weil wir, seit wir uns kennen, immer alles zusammen gefeiert haben, was es zu feiern gab. Gut, bei mir gab es in den letzten Jahren nichts, dafür bei ihr umso mehr. Und ich habe immer mit ihr gefeiert. Dass sie mit Markus endlich den perfekten Mann kennengelernt hat, dass sie die perfekte gemeinsame Wohnung gefunden und bekommen haben, dass Nora keine Langstrecke mehr fliegen muss, sondern nur noch Kurzstrecke, dass Markus ihr einen Heiratsantrag gemacht hat, dass sie das perfekte Hochzeitskleid, den perfekt darunter passenden Shape-Body und die perfekten Hochzeitsschuhe gefunden hat und auf den neuen, perfekten Esstisch aus Eiche haben wir auch angestoßen. Und nun darf nicht ich am Eichenesstisch sitzen, sondern die neuen Freunde, von denen sie mir noch nie erzählt hat und von denen sie mir offenbar auch nichts erzählen will. Und die bekommen sogar etwas zu essen und nicht nur etwas zu trinken. Dabei esse ich gar nicht mal so ungern.
Hat Nora unseren letzten Mädelsabend etwa gecancelt, weil sie die Zeit lieber mit ihren neuen Freunden verbringen wollte? Waren ihre Kopfschmerzen vorgeschoben? Nee, das glaube ich nicht. Aber komisch ist es schon, dass sie keinen neuen Termin vorgeschlagen hat. Überhaupt schlägt sie mir seit ihrer Hochzeit keine gemeinsamen Unternehmungen mehr vor. Die Initiative geht immer von mir aus. Was soll das?
Mein Telefon klingelt. Nora. Von meiner guten „Fashionista“-Laune ist mittlerweile nichts mehr übrig und ich will es jetzt wissen.
„Sag mal, Nora, ganz ehrlich, bin ich noch deine beste Freundin?“
Stille in der Leitung.
„Nora?“
Hat sie etwa direkt aufgelegt? Nein, hat sie nicht.
„Ich glaube, wir müssen mal reden, Steffi.“
Das glaube ich allerdings auch!
„Soll ich rüberkommen oder willst du, Nora?“
Wir wohnen nur zwei Bahnstationen voneinander entfernt und auf dem Weg liegt ein Kiosk. Ich überlege, ob mir immer noch nach Prosecco oder jetzt doch mehr nach Kölsch ist, doch die Getränkegedanken hätte ich mir sparen können.
„Heute nicht, Steffi. Ich bin echt fertig, habe ich dir doch vorhin schon gesagt. Lass uns übermorgen in Ruhe reden. Auch über den Castingtermin. Ich komme dann gegen acht bei dir vorbei, okay?“
Gar nicht okay!
„Wie, übermorgen? Mir ist das jetzt wichtig!“
Nora wohl nicht, denn es bleibt bei übermorgen und ich fühle mich beschissen. Meine beste Freundin ist nicht auf mich eingegangen, sondern hat mich abserviert. Oder hat sie es gar nicht so gemeint?