Читать книгу Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze - Linette Carlson - Страница 9

KAPITEL 5

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Drei Wochen dauert es, dann klingelt mein Handy.

„Halloho, hier ist Jana Engel von der ‚Fashionista‘-Redaktion! Hast du kurz Zeit?“

Klar habe ich Zeit, ich bin im Büro und es sind schon fünf Stunden rum.

„Äh ja, ich muss nur kurz die Tür schließen, Jana!“

Privatgespräche sind während der Arbeitszeit nicht direkt verboten, aber trotzdem. Ich stehe auf, mache schnell meine Bürotür zu und gleite wieder auf meinen Stuhl.

„Ich bin wieder da, Jana! Kann losgehen!“

Jana ist gefühlt zweiundzwanzig und ihr Lieblingswort total.

„Wir finden dich total super, Steffi!“ – „Du würdest total klasse in die nächste Köln-Woche passen!“ – „So eine total tolle Frau wie du fehlt uns noch!“

Das geht mir natürlich alles runter wie Öl, ich frage mich aber gleichzeitig, ob wirklich ich gemeint bin oder die 36-Jährige mit Partnerschaft, die drei Kilo weniger wiegt. Vielleicht hätte ich bei der Bewerbung doch besser nicht gelogen, dann würde ich mich jetzt ganz geschmeichelt fühlen und nicht nur so halb.

„Wann können wir dich casten, Steffi?“

Äh, wie?

„Was meinst du mit casten?“

Jana erklärt.

„Du hast uns ja ein Foto von dir geschickt, das finden wir auch total schön, doch ein Foto reicht leider nicht. Bevor wir uns für eine Kandidatin entscheiden, möchten wir sie besser kennenlernen und auch testen, ob sie vor der Kamera vielleicht nervös wird. Manche Leute sind total locker drauf, wenn keine Kamera läuft, aber sobald die Kamera an ist, werden sie total nervös und kriegen keinen Ton mehr raus.“

Ich spüre, dass ich beim Gedanken an die Kamera tatsächlich nervös werde, versuche aber, mir nichts anmerken zu lassen und total locker zu bleiben.

„Wann soll ich denn zum Casting vorbeikommen?“

„Gar nicht, Steffi. Wir machen das Casting in deiner Wohnung. Dann können wir auch gleich checken, ob wir in deiner Wohnung gut drehen können.“

Auweia, hoffentlich wollen die nicht heute kommen, ich habe nicht aufgeräumt. Ach egal, notfalls sage ich, meine marokkanische Putzfrau wurde ganz plötzlich abgeschoben und ich habe noch keinen Ersatz. Obwohl… Dann könnten sie mich für ausländerfeindlich halten. Ich mache lieber früher Feierabend und wische rasch durch.

„Wann wollt ihr denn kommen?“

Jana erklärt, dass sie da total flexibel sind. Irgendwann nächste oder übernächste Woche, wenn meine Umstyling-Beraterin Nora auch Zeit hat.

„Nora müssen wir ebenfalls casten, Steffi! Melde dich doch bitte so schnell wie möglich mit einem Terminvorschlag, okay?“

Ich verspreche es und Jana überreicht mir zum Abschied noch einen verbalen Strauß Blumen.

„Ich finde dich total super! Du kommst total authentisch rüber! Genau solche Frauen brauchen wir! Würde mich total freuen, wenn dein Casting gut läuft!“

Jahaa, mich auch!

Kaum hat Jana aufgelegt, rufe ich Nora an und lande, wie so oft, auf ihrer Mailbox. Sie ist Stewardess und deswegen nicht rund um die Uhr erreichbar. Handyjunkies nerven mich, Noras Nichterreichbarkeit nervt mich aber genauso und gerade jetzt besonders. Wozu hat man eine beste Freundin, wenn sie in so einem wichtigen Augenblick nicht zu sprechen ist? Ich bin für Nora jederzeit verfügbar, doch seit sechs Monaten, seit sie verheiratet ist, hat sie leider kaum noch Redebedarf. Ich hinterlasse ihr eine Nachricht auf der Mailbox und versuche dann, mich wieder auf die Excel-Tabelle Reisekosten Vertriebsleitung zu konzentrieren. Es klappt überhaupt nicht und ich bin froh, als meine Abteilungsleiterin Astrid in meinem Büro auftaucht. Wir sind alles andere als dicke, doch mein Mitteilungsdrang nimmt auf solche Kleinigkeiten gerade keine Rücksicht.

„Ich habe mich bei ‚Fashionista‘ beworben und die finden mich total super! Die wollen ein Casting mit mir machen!“, posaune ich raus.

Astrid kreischt und hüpft auf und ab.

„Waaas? Ich liiiiebe die Sendung!!!“

Ich lasse mich anstecken, kreische ebenfalls und hüpfe mit.

„Ich liiiiebe die Sendung auch!!!“

Ganz schön peinlich, dass wir hier so rumhüpfen, aber was soll‘s. Sieht ja keiner.

Astrid schlägt vor, zur Feier dieser Hammerneuigkeit die Mittagspause vorzuziehen und lädt mich auf einen Prosecco in ein Café um die Ecke ein.

„Bleibt aber unter uns, Steffi! Nicht in der Firma rumerzählen!“

„Natürlich nicht!“

Aus einem Prosecco werden schnell zwei. Sind’s dann Prosecci? Egal.

Astrid will wissen, ob ich schon eine Umstyling-Beraterin habe und wartet meine Antwort nicht ab, sondern bringt sich nachdrücklich ins Gespräch.

„Nimm mich! Ich gewinne immer! Beim Doppelkopf, beim Golf und auch beim Ubongo!“

Ich würde sie gern fragen, was Ubongo ist, komme jedoch nicht zu Wort, denn sie legt los wie eine übereifrige Versicherungsvertreterin. Mit dem Unterschied, dass sie mir keine Zahnzusatzversicherung aufschwatzen will, sondern sich selbst als Umstyling-Beraterin.

„Eine bessere Beraterin findest du nirgends! Ich kenne mich hervorragend mit Mode und Beauty aus und über mich kommst du an die besten Klamotten ran! Eine Freundin von mir, Zoé, hat eine Boutique im Belgischen Viertel. Ist kein teurer Schicki-Micki-Laden, keine Sorge. Sie hat Klamotten, die ins 600-Euro-Budget passen. Ich rede mit ihr, sie hilft uns bestimmt. Am besten, wir treffen uns schon vor den Dreharbeiten mit ihr, stellen deinen neuen Look zusammen und sie legt die Sachen bis zu den Dreharbeiten zurück. Wenn wir dann ganz offiziell mit dem Kamerateam zum Shoppen anrücken, tut sie so, als würde sie uns nicht kennen und wir tun so, als würden wir die Klamotten ganz spontan entdecken. Ist das gut oder ist das gut?“

Astrid feiert sich und ihren raffinierten Plan mit einem Schlückchen Prosecco und schaut mich dann gespannt an. Offensichtlich erwartet sie eine Zusage für den Job als Umstyling-Beraterin und obendrein Applaus. Ich kriege jedoch nur ein ganz kleines, schiefes Lächeln hin. Denn erstens habe ich eine Allergie gegen übereifrige Versicherungsvertreterinnen und zweitens sind linke Touren überhaupt nicht mein Ding. Ich spiele lieber fair. Könnte eventuell der Grund sein, warum Astrid meine Vorgesetzte ist und nicht ich ihre, obwohl ich drei Jahre älter bin. Ans Gewinnen, egal ob mit oder ohne Tricks, habe ich außerdem noch gar nicht gedacht. Ich will nicht unbedingt Erste werden. Letzte natürlich auch nicht. Ein zweiter Platz wäre großartig und ein dritter auch prima.

Dass ich nicht unbedingt gewinnen will, verrate ich Astrid besser nicht. Sie soll mich ja für zielstrebig halten und nur Positives in meine nächste Mitarbeiterbewertung schreiben. Dass ich nicht sie als Umstyling-Beraterin nehme, muss ich ihr allerdings sagen. Zwar hat sie wirklich Geschmack, aber sie ist von Natur aus dominant und außerdem daran gewöhnt, dass ich widerstandslos tue, was sie will. Meinen neuen Look möchte ich mir jedoch gern selber aussuchen.

„Tut mir leid, Astrid, ich bin sicher, du würdest das super machen, aber ich musste schon bei der Bewerbung eine Umstyling-Beraterin angeben. Meine beste Freundin Nora übernimmt das. Wenn ich geahnt hätte, dass du so große Lust darauf hast, hätte ich aber natürlich dich genommen.“

War das jetzt schon Schleimerei oder noch Diplomatie?

Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze

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