Читать книгу Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze - Linette Carlson - Страница 7

KAPITEL 3

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Mein Papa ist der cleverste Papa auf der ganzen Welt. Das denken viele Töchter, doch auf meinen Papa trifft es wirklich zu. Als wir am ersten Weihnachtsfeiertag kurz allein sind, beweist er es mal wieder.

„Du, Steffi, diese Fernsehshow-Teilnahme hast du erfunden, stimmt’s?“

Ganz sachlich fragt er das. Ohne Vorwurf. Ich kann mittlerweile recht gut lügen, allerdings nur, wenn ich mich sorgfältig auf mein Märchen vorbereitet habe. Wenn man mich kalt erwischt, habe ich keine Chance. Ich kann also nur nicken.

Papa schaut mich nachdenklich an und lächelt dann breit.

„Die Geschichte ist schön! Ich hatte schon Angst, du denkst dir wieder einen neuen Freund aus.“

Wie bitte? Das heißt doch…

„Den falschen Freund hast du auch durchschaut?“, frage ich verblüfft nach.

Papa schmunzelt.

„Natürlich! Wenn du und dieser Hendrik so verliebt gewesen wärt, wie du es damals geschildert hast, hättest du nicht nur ein einziges Foto von ihm gehabt, sondern ganz viele. Auch welche, die euch als Paar zeigen. Solche Handy-Selfies. Frisch verliebte Paare machen doch ständig Selfies.“

Wo er Recht hat…

„Warum hast du so getan, als würdest du mir glauben, Papa?“

Das interessiert mich jetzt wirklich. Wenn ich merke, dass mich jemand anlügt, spreche ich ihn oder sie direkt darauf an, nicht erst drei Jahre später. Und bei der „Fashionista“-Story hat Papa jetzt ja auch sofort nachgehakt.

Papa zuckt mit den Schultern.

„Ich hatte damals überlegt, ob ich etwas sagen soll. Aber du warst so unglücklich, weil du allein warst. Und du wolltest nicht, dass es jemand merkt. Ich glaube nicht, dass es dir geholfen hätte, wenn ich dich bloßgestellt hätte.“

Stimmt wahrscheinlich, geholfen hätte es mir nicht. Demzufolge war es sehr lieb, dass er damals den Mund gehalten hat. Und wer so lieb ist, hat noch mehr Wahrheiten verdient.

„Du, Papa, das letztes Jahr, die Südamerika-Tour mit Nora, das war auch gelogen. Wir hatten die Reise nie gebucht und haben sie auch nicht storniert, weil Nora krank geworden ist.“

Papa nickt cool. Das hatte er sich offensichtlich schon selber zusammengereimt. Na, wenn er sowieso alles durchschaut hat, kann ich mir weitere Lügengeständnisse ja sparen. Schwamm über den stalkenden Exfreund, der mich davon abhält, einen neuen Mann in mein Leben zu lassen, und über den ganzen anderen Quatsch.

„Findest du mich bescheuert, weil ich euch anlüge, Papa?“

Er schüttelt den Kopf.

„Jeder schwindelt mal. Allerdings nimmt es bei dir mit den Schwindeleien überhand. Du solltest deine Zeit nicht damit verschwenden, dir neue Geschichten auszudenken, sondern dich mal fragen, warum du lügst.“

Wie jetzt? Ich dachte, das hätte er kapiert.

„Ich lüge, damit nicht jeder mitkriegt, dass mein Leben scheiße ist!“

Papa schaut mich verständnislos an.

„Dein Leben ist nicht scheiße, Steffi. Wie kommst du darauf? Du hast doch alle Möglichkeiten!“

Nicht dieser Satz! Bitte! Dieses „Du hast doch alle Möglichkeiten!“ stresst mich, seit ich denken kann. Es ist wirklich ganz toll, dass wir keinen Krieg haben, überall in der EU arbeiten können und die Digitalisierung vorangetrieben wird. Aber das hilft mir persönlich in Sachen Weiterentwicklung kein Stück, im Gegenteil. „Alles geht!“ heißt ja auch: Alles geht immer noch besser. Wie soll man da jemals zufrieden sein? Und davon ganz abgesehen, geht bei mir ja sowieso nichts. Zumindest nicht weiter.

Papa legt nach.

„Du hast alle Möglichkeiten und nutzt keine, Steffi. Seit über zehn Jahren nicht. Warum nicht?“

Jetzt fühle ich mich angegriffen und werde patzig.

„Wie, ich nutze keine Möglichkeiten? Es gab noch nie einen Mann, der mich heiraten wollte. Und es hat mir auch noch nie jemand einen besseren Job angeboten. Da war nie was, was ich hätte nutzen können!“

Papa sieht das anders.

„Möglichkeiten muss man sich schaffen. Erarbeiten. Wenn man selber nichts tut, passiert auch nichts!“

Jetzt klingt er wie Oma früher. Ihr Standardspruch war: „Nichts fällt einem in den Schoß.“ Aber ich erwarte ja auch gar nicht, dass mir etwas in den Schoß fällt. Ich bemühe mich. An allen Fronten. Aber immer umsonst.

„Ich kann keinen Mann zwingen, sich in mich zu verlieben, Papa. Und ich kann auch niemanden zwingen, mir einen tolleren Job anzubieten. Das muss von der anderen Seite kommen. Oder etwa nicht?“

Dazu fällt Papa erst mal nur ein Grummeln ein. Das bedeutet erfahrungsgemäß, er sucht nach Argumenten. Doch da wird er kaum fündig werden. Schließlich sagt er doch etwas.

„Bewirb dich bei ‚Fashionista‘, Steffi! Ich kenne die Sendung zwar nicht, aber vielleicht zieht dich die Teilnahme ja aus deiner Negativspirale!“

Papa geht mit Mama zu den netten Nachbarn auf ein Weihnachtsschlückchen und ich schmolle vor mich hin. Meine Negativspirale? Pfft! Negativspirale ist okay. Es stimmt ja, ich bin negativ. Weil nichts Positives passiert. Aber meine Negativspirale? Das ist nicht meine! Ich will die doch gar nicht haben!

Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze

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