Читать книгу Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze - Linette Carlson - Страница 12

KAPITEL 8

Оглавление

Es ist ein sehr seltsames Gefühl, seine Chefin nach der Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Noch seltsamer ist es, wenn die Chefin zwei Koffer dabei hat…

Astrid war Feuer und Flamme, als ich sie gebeten habe, als Umstyling-Beraterin für Nora einzuspringen, weil Nora sich leider auf einem Flug mit einem fiesen Virus angesteckt hat. Dass Nora und mir die Gemeinsamkeiten ausgegangen sind, wollte ich nicht preisgeben. Zu privat. Jana von „Fashionista“ habe ich ebenfalls die Virus-Geschichte aufgetischt und sie hatte nichts dagegen, Astrid statt Nora zu casten. Ein Termin war schnell gefunden und ich werde langsam nervös. Nicht nur weil ich in einer Stunde zum ersten Mal in meinem Leben gecastet werde, sondern auch weil Astrid in meinem Schlafzimmer in meinem Unterwäschefach herumwühlt. Ja, das tut sie wirklich und sie stöhnt dabei laut auf:

„Ich hab’s geahnt! Sei froh, dass du mich hast, Steffi!“

Entschlossen geht sie zu ihren Koffern, klappt einen auf und zieht Victoria’s-Secret-Dessous raus. Ihre Victoria’s-Secret-Dessous. Meine H&M-Unterwäsche wandert dafür zackzack in ihren Koffer.

„Die wollen nachher beim Casting bestimmt deinen Schrank filmen, Steffi. Und wenn da so hässliches Zeug drin liegt – denk doch mal nach! Du willst doch gut rüberkommen!“

Ich wende ein, dass Jana von „Fashionista“ mich total super findet, weil ich so authentisch bin, und mich als Kandidatin ablehnen könnte, wenn ich beim Casting unauthentisch-teure Dessous präsentiere, stoße aber auf taube Ohren.

„Steffi, der peinliche Krempel muss weg! Die nehmen dich schon! Lass mich nur machen!“

Bald darauf wird mir klar, dass Astrid mit Krempel beinahe meine gesamten Klamotten meint. Das meiste ist ihr zu billig, zu out oder zu sonst irgendwas. Sie tauscht hemmungslos fast alles aus. Gegen ihre Klamotten aus Koffer Nummer zwei. Nach einer kurzen Schockstarre trete ich auf die Bremse.

„Du, Astrid, das geht so nicht. Wenn beim Casting nur Karrierefrau-Sachen bei mir hängen und liegen, kommt das extrem komisch rüber. Ich will mich doch erst in der Sendung zur Karrierefrau umstylen.“

Astrid stutzt.

„Dein Umstylingziel ist Karrierefrau?“

Oh, hatte ich ihr das noch nicht erzählt?

„Mir ist nichts Besseres eingefallen“, erkläre ich entschuldigend und hoffe, dass sie sich nicht auf den Schlips getreten fühlt. Wobei – wenn schon! Soll sie sich ruhig ärgern und Angst haben, dass ich sie karrieretechnisch überholen will. Wäre ja nur eine Retourkutsche. Als sie befördert wurde, hat sie schließlich mich überholt.

Astrid nimmt mein Umstylingziel überraschend gelassen auf und macht sich ohne weitere Diskussion daran, meinen Schrank wieder in seinen Originalzustand zu versetzen.

„Sorry, ich wusste nicht, dass du eine Karrierefrau werden willst. Dann passen meine Sachen wirklich nicht, du hast Recht.“

ICH habe Recht? Hat sie das gerade wirklich gesagt? So kenne ich sie ja gar nicht! Ich freue mich so sehr darüber, dass sie mir ein Mal im Leben Recht gegeben hat, dass ich ihr eifrig beim Zurückräumen helfe.

„Wir müssen noch absprechen, wie du dich beim Casting verkaufst“, findet Astrid. „Du weißt doch, wie das ist bei ‚Fashionista‘, in jeder Woche sind fünf komplett unterschiedliche Frauen dabei. In welche Schublade willst du?“

„Wieso Schublade?“

Astrid rollt mit den Augen und trägt dann oberlehrerhaft vor, dass die Kandidatinnen aus den immer gleichen Schubladen stammen.

„Es gibt die Schublade Herzliche Oma, die jünger aussehen will, die Schublade Lustige Dicke, die schlank wirken will, die Schublade Langweilige Durchschnittstrulla ohne Geschmack auf Stilsuche, die Schublade Frustrierter Single auf Männerfang mit der Variante Frustrierte Karrierefrau, die keinen Kerl abkriegt, die Schublade Midlife-Crisis-Opfer, das neu anfangen will und die Schublade Model oder Ex-Model. Die Models nehmen sie, damit auch Männer einschalten.“

Aha?! Ich komme schon jetzt kaum mehr mit, doch Astrid ist noch lange nicht fertig.

„Ein Model bist du nicht, eine Oma auch nicht und auch nicht dick. Bleiben Durchschnittstrulla ohne Geschmack, Midlife-Crisis-Opfer, und Single beziehungsweise Karrierefrau auf Männerfang. Mit deinem Umstylingziel passt du am Besten in die Schublade Midlife-Crisis-Opfer. Die Frage ist: Willst du da rein?“

Hallo?! Die Antwort dürfte doch auf der Hand liegen! Ich bin sechsunddreißig, nicht sechsundvierzig!

„Nein!“

Astrid nickt verständnisvoll.

„Dachte ich mir. Schön doof, dass du dir ausgerechnet das Karriereziel ausgesucht hast. Denn das passt in keine andere Schublade. Du hättest besser über dein Ziel nachdenken müssen!“

Ich bin platt. Bis jetzt war ich davon ausgegangen, dass Astrid „Fashionista“ einfach nur guckt. So wie ich. Aber nein, sie scheint die Sendung regelrecht zu sezieren. Ob das wohl stimmt mit den Schubladen? Frauen mit Übergewicht sind tatsächlich öfter dabei. Models und Ex-Models ebenfalls. Und auch Singles, die einen Partner suchen und deswegen klamottentechnisch aufrüsten wollen. Aber es gibt doch bestimmt nicht nur die paar Schubladen, die Astrid aufgezählt hat.

„Kann ich nicht einfach eine ganz normale Frau sein, die sich beruflich weiterentwickeln will, Astrid?“

Frau Allesbesserwisserin schüttelt den Kopf.

„Nein! Dann nehmen sie dich nicht, Steffi! Pass auf, wir versuchen es mit der Singlefrau. Du bist eine Singlefrau, die über den Job einen Mann finden will und deshalb schicke Bürooutfits braucht!“

Jetzt muss ich Astrid in eine meiner Schwindeleien einweihen.

„Ich habe bei der Bewerbung angegeben, dass ich in einer Partnerschaft bin, und nicht wahrheitsgemäß Single angeklickt. Ich dachte, sechsunddreißig und Single… Na ja, ich wollte nicht frustriert wirken.“

Astrid grinst.

„Du hast ja doch nachgedacht! Also zumindest ein wenig. Dann müssen wir Durchschnittstrulla ohne Geschmack auf Stilsuche nehmen. Ist keine erstrebenswerte Schublade, aber sonst bleibt keine übrig. Und du willst doch eine Zusage, oder?“

Natürlich will ich eine Zusage, aber ich hoffe, dass Astrid mit ihrer Schubladen-Denke falsch liegt. Ich würde gern, dass sie mich nehmen, weil ich ICH bin. Also ICH minus drei Kilo plus Freund.

Astrid macht ihre wieder mit ihren Sachen gefüllten Koffer zu und schaut mich nachdenklich an.

„Was ist, wenn diese Casting-Frau deinen angeblichen Freund kennenlernen will? Oder ein Foto von ihm anschauen?“

Darauf bin ich vorbereitet.

„Dann sage ich, er möchte nicht ins Fernsehen. Dagegen wird diese Jana nichts haben. Passiert öfter, dass man die Männer nicht in der Sendung sieht.“

Astrid nickt.

„Stimmt, die Männer sieht man nicht immer.“

Bevor ich mich endlich fürs Casting umziehen kann, klingelt es schon. Ich werde nervös, Astrid kein bisschen. Für sie ist die Sache schon so gut wie geritzt.

„Feuer frei, Steffi! Jetzt stellen wir dieser Jana die perfekte Durchschnittstrulla vor! Am besten sagst du ihr, du und dein Freund seid vier Jahre zusammen und du wartest sehnsüchtig auf den Heiratsantrag. Das ist total Durchschnittstrulla!“

Bevor Astrid noch einfällt, wie ich unser Sexleben beschreiben soll, gehe ich lieber zur Tür.

Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze

Подняться наверх