Читать книгу Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze - Linette Carlson - Страница 21
KAPITEL 17
ОглавлениеIn der Mainzer Straße stoppt Matze vor einem schön renovierten Altbau und wendet sich im Befehlston an Aziz.
„Mikro!“
Aziz nickt emsig und mir wird die Machtverteilung im Drehteam klar. Matze ist der Boss!
Aziz befestigt einen Sender am Bund meiner Jeans, drückt mir ein Ansteckmikro in die Hand und bittet mich, das Mikro oben am Kragen meiner Jeansjacke festzumachen. Kaum sitzt das Ding, fühle ich mich wichtig. Denn genau so ein Mikro trägt Judith Rakers auch immer. Ich bin kurz davor, „Guten Abend, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau!“ zu sagen, verkneife es mir aber lieber. Ich will nicht albern wirken.
Aziz setzt sich Kopfhörer auf und bittet mich, testweise zu sprechen. Eine Anweisung, die mich überfordert.
„Äh, was soll ich denn sagen?“
Aziz zuckt mit den Schultern.
„Ist egal. Was übers Wetter. Oder wie du heißt und wo du wohnst.“
Um über das Wetter zu reden, fühle ich mich noch zu jung, also:
„Ich bin Steffi Rottmann und ich wohne in der Röntgenstraße in Neuehrenfeld.“
„Jo!“, kommt von Aziz. Damit meint er wohl, dass ich deutlich zu verstehen bin.
Mike schultert seine Kamera und Matze schiebt mich ein bisschen hin und her, bis Mike „Jo!“ sagt. Ob Mikes „Jo“ bedeutet, dass ich jetzt gut aussehe oder dass der schön renovierte Altbau hinter mir nun gut im Bild ist – keine Ahnung.
Matze läutet die erste Probe ein.
„Ich frage dich jetzt etwas und du antwortest bitte, Steffi. Und nicht vergessen, beim Antworten mich angucken und nicht in die Kamera schauen!“
Ich bin kurz davor, auch „Jo!“ zu sagen, kann mich aber gerade noch so beherrschen.
Matze lächelt mich motivierend an und legt los: „Wie bist du auf die Idee gekommen, dich bei ‚Fashionista‘ zu bewerben?“
Äh… Na toll, ausgerechnet diese Frage. Ich kann unmöglich sagen, dass ich meiner Familie Heiligabend aufgetischt habe, dass ich…
Matze wird ungeduldig.
„Warum antwortest du nicht? Stimmt was nicht?“
„Äh, nee, alles okay. Aber kannst du mir vielleicht eine andere Frage stellen?“
Matze guckt ein bisschen komisch, erfüllt mir meinen Wunsch aber.
„Was gefällt dir an deinem aktuellen Styling nicht, Steffi?“
„Unser Geschäftsführer nimmt mich nicht wahr!“, entgegne ich prompt, und sogar ohne Verhaspler. Ich bin stolz auf mich, Matze sieht Optimierungsbedarf.
„Ein Satz ist für einen O-Ton zu wenig, Steffi. Du musst auf jede Frage immer mit mindestens drei Sätzen antworten. Los Ausschmückos, du verstehst?“
Los Ausschmückos? Ich kenne nur die Los Wochos von McDonalds.
„Zweiter Versuch, Steffi! Was gefällt dir an deinem aktuellen Styling nicht? Und bitte: drei Sätze!“
„Ich würde gern ein bisschen Karriere machen, doch es funktioniert nicht. Unser Geschäftsführer nimmt mich nicht wahr. Ich denke, es liegt an meinem Styling. Wenn ich mich auf Karrierefrau umstyle, klappt es vielleicht endlich!“
Das waren sogar vier Sätze und Matze ist zufrieden.
„Perfekt! Dann wird es jetzt ernst! In Ordnung?“
Ich spüre plötzlich meinen Magen, nicke aber bemüht cool.
„Okay!“
Matze zwinkert mir aufmunternd zu und legt los.
„Guten Morgen, Steffi! ‚Fashionista – Mein neues Ich‘ in Köln, Tag eins! Wie geht es dir?“
„Na ja, geht so. Ich freue mich wahnsinnig auf alles, aber ich bin ganz schön müde. Ich habe kaum geschlafen, weil ich so aufgeregt war.“
Was ich gesagt habe, scheint zu passen, denn Matze hat schon die nächste Interviewfrage am Start.
„Warum warst du aufgeregt? Hast du noch nie vor einer Kamera gestanden?“
Ich antworte auf diese und auch auf die nächsten Fragen brav mit immer mindestens drei Sätzen. Nach etwa einer Viertelstunde Fragengewitter läutet Matze eine Pause ein, hält mir eine kleine Flasche Wasser hin und lobt mich.
„Hast du super gemacht mit den drei Sätzen! Aber wundert mich nicht. Als Controllerin kannst du ja bis drei zählen!“
Haha, sehr lustig. Ich hoffe, er findet seinen Witz selber schwach, leider macht er nicht den Eindruck. Er grinst nämlich.
Mike und Aziz grinsen nicht. Allgemein wirken sie total unbeteiligt, so als hätten sie mit der ganzen Sache nichts zu tun. Sie reagieren auf Matzes Anweisungen, das war’s. Mich ignorieren sie völlig. Wahrscheinlich würde es ihnen nicht mal auffallen, wenn plötzlich eine ganz andere Frau auf Matzes Fragen antworten würde.
Nachdem ich die kleine Wasserflasche leer getrunken habe, weist mich Matze an, den Bürgersteig runterzulaufen. Ich soll dabei nicht in die Kamera reinschauen und nicht lächeln und bloß nicht irgendwie posieren. Sagen soll ich auch nichts. Es soll so aussehen, als würde ich ganz normal spazieren gehen. Nennt sich Antextbilder und geht rappzapp. Geradeaus laufen kann ich sogar noch besser als bis drei zählen.
Wir stehen jetzt eine Ecke weiter und nachdem mich Matze zu Mikes Zufriedenheit – „Jo!“ – platziert hat, sind die nächsten O-Töne dran. Matze liest seine Fragen halb von einem Zettel ab.
„Eine deiner Konkurrentinnen kennst du ja, Steffi. Wer ist das? Erzähl was über sie! Und fang den ersten Satz bitte so an: Eine Kandidatin kenne ich schon…“
Ach guck, es gibt also O-Töne mit Einstiegsvorgabe. Für Fortgeschrittene. Ob ich schon so fortgeschritten bin? Ich probiere es einfach mal.
„Eine Kandidatin kenne ich schon. Meine Chefin Astrid ist auch dabei. Eigentlich sollte sie nur meine Umstyling-Beraterin sein, aber dann hat sich die blöde Kuh hinter meinem Rücken auch beworben und… “
Oh nee, stopp, so besser nicht! Wenn ich im Fernsehen über Astrid herziehe, bin ich bald arbeitslos.
„So wollte ich das nicht sagen, Matze. Können wir das noch mal machen?“
Matze schüttelt den Kopf.
„Keine Zeit! Nächste Frage! Du freust dich also nicht, dass deine Chefin auch dabei ist?“
„Nein! Also doch, ich…“ Ich breche ab und setze meinen Bettelblick auf. „Komm Matze, lass uns das bitte echt noch mal machen. Das mit der blöden Kuh geht gar nicht. Wenn das so im Fernsehen kommt, werde ich gefeuert.“
Matze erkennt die Problematik und lässt sich zu einer Wiederholung überreden. Allerdings nur unter der Bedingung, dass ich ehrlich bleibe. Ich soll zugeben, dass Astrid ihre Bewerbung nicht mit mir abgesprochen hat und dass ich sie lieber nicht dabeihätte. Ich formuliere das so sanft wie möglich und dann ist der erste Teil von Drehtag eins beendet.
„Wir gehen jetzt zu Lotta!“, verkündet Matze und ergänzt, dass Lotta nicht nur die sogenannte Kandidatin eins ist, sondern auch Model.
„Lotta sieht aus wie Heidi Klum vor zwanzig Jahren!“, findet Matze und ich bin direkt bedient. Dass ein Model mit von der Partie ist, war ja irgendwie zu erwarten, aber ein Topmodel? Bye-bye neuer Kleiderschrank, ich habe keine Chance!
Ich bin kurz enttäuscht, dann heitert mich der Gedanke, dass Astrid ziemlich sicher ebenfalls keine Chance hat, direkt wieder auf!