Читать книгу Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze - Linette Carlson - Страница 18
KAPITEL 14
ОглавлениеEine Stunde später stehe ich bei Nora auf der Matte. Sie sieht mir an, dass mich ihr Brief getroffen hat, und kriegt sofort ein schlechtes Gewissen.
„Scheiße, Steffi, das wollte ich nicht. Ich dachte, es ist eine gute Idee mit dem Brief… Wie geht’s dir jetzt?“
Tja, wie geht es mir eigentlich? Einerseits finde ich es gut, dass nun alles auf dem Tisch liegt. Andererseits hätte ich manche Sachen lieber nicht so genau gewusst. Als ich gelesen habe, dass Nora sich verstellen muss, um ein Gespräch mit mir hinzubekommen – das war wie ein Schlag ins Gesicht und in die Magengrube gleichzeitig. Ich habe nie gemerkt, dass sie sich verstellt.
„Machst du uns einen Kaffee, Nora?“, frage ich matt.
Sie ist froh, dass ich überhaupt reinkommen will und flitzt in die Küche. Ich gehe ins Wohnzimmer, setze mich an den Eichenesstisch auf einen der sechs Hussenstühle und betrachte die Fotos, die an der Wand hängen. Diese Fotos habe ich mir schon unzählige Male angeschaut, doch erst jetzt realisiere ich so richtig, dass es nur Pärchenfotos sind. Fotos von Nora und Markus. Es gibt bestimmt tausend Fotos von Nora und mir. Und von Nora, mir und anderen Freunden. Auf Partys, im Urlaub, am Rhein. Doch keins davon hängt hier. Genau genommen hing keins davon jemals in dieser Wohnung. Dass das kein Zufall ist, sondern etwas zu bedeuten hat, wird mir erst jetzt klar. Es bedeutet, dass alles, was früher war, in Noras Leben keine wichtige Rolle mehr spielt. Mit ihrem Umzug hat sie sich für Markus und für ein neues Leben entschieden, ein Leben als Paar. Möglicherweise anfangs unbewusst, aber spätestens seit der Hochzeit weiß sie, was sie will und was sie nicht mehr will. Warum habe ich das nicht gerafft? Ich hätte doch nur die Fotos anschauen und gleichzeitig mal mein Hirn einschalten müssen. Mal an Nora denken und über Nora nachdenken müssen, anstatt mich immer nur mit mir selbst zu beschäftigen.
Mit gesenktem Kopf gehe ich in die Küche.
„Ich muss mich bei dir entschuldigen, Nora. Ich bin eine schreckliche Egoistin.“
Sie guckt mich überrascht an.
„Wieso Egoistin?“
„Ich kreise ständig nur um mich selbst. Ich, ich, ich und noch mal ich. Und jetzt mache ich auch noch bei einer Fernsehsendung mit, in der es darum geht, sein neues Ich zu shoppen. Mehr ICH geht nicht!“
Nora findet, dass ich übertreibe, kann mir meine Erkenntnis aber nicht ausreden. Denn natürlich denkt so ziemlich jeder zuerst an sich selbst, doch ich denke in den letzten Monaten, oder auch Jahren, ausschließlich an mich und über mich nach.
„Das ist doch verständlich, Steffi!“, findet Nora. „Du bist halt in der Selbstfindungsphase. Manche haben die mit Anfang zwanzig, manche halt erst später.“
Mein erster Reflex ist, patzig zu kontern, ob sie mich für zurückgeblieben hält, aber ich will mich ja nicht schon wieder mit ihr streiten, sondern mich mit ihr versöhnen. Außerdem ist an ihrer Aussage was dran. Ich suche mich tatsächlich immer noch.
„Bist du sicher, dass du mit so einer Spätstarterin wie mir noch befreundet sein willst, Nora?“
Sie drückt mich und lächelt.
„Natürlich will ich das! Ich bin ja auch alles andere als perfekt. Dass ich dir wegen Markus als Umstyling-Beraterin absagen wollte, war nicht okay. Wen nimmst du denn jetzt mit?“
Ich merke, wie die Wut auf Astrid wieder in mir hochsteigt, und setze Nora ins Bild. Sie hat kein Verständnis dafür, dass ich „Fashionista“ sausen lassen will.
„Lass dir doch von Astrid nicht den Spaß verderben! Du nimmst einfach doch mich als Umstyling-Beraterin und fertig! Du hast mit Astrid doch noch eine Rechnung offen. Sie hat dir damals den Abteilungsleiterposten weggeschnappt. Jetzt hast du die Chance, dich zu revanchieren. Du schnappst ihr den ‚Fashionista‘-Sieg weg!“
Hm, so gesehen… Hätte schon was, Astrid mal zu zeigen, dass nicht immer sie die Nase vorn hat.
Nora redet mir meine Restzweifel aus, ruft den Personalplaner ihrer Airline an, um sich die letzte Märzwoche freizuschaufeln und motiviert mich.
„Der zeigen wir es!“
Von unserem Streit ist nichts mehr zu spüren. Ich bin aber froh, dass es ihn gab. Ich glaube, wir haben dadurch beide kapiert, dass wir an unserer Freundschaft arbeiten müssen, damit es eine bleibt.