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13.

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Die Wahrscheinlichkeit, dass dabei etwas schief ging, war hoch. Sehr hoch. Wenn man zu viel Kraft aufwand, konnte man gefährliche Verletzungen herbeiführen. Wenn man zu wenig Kraft in den Stoß steckte, erreichte die Nadel nicht das Herz. Es war ein kleines Kunststück, den Muskel ordentlich zu treffen. Wenn man zu schief kam, verfehlte man ihn oder kam nicht tief genug. Und dann musste auch noch der Trank wirken...

Dieses Mal ging nichts schief. Nachdem Jacque Morten die Spritze ins Herz gerammt hatte, keuchte dieser und sog begierig Sauerstoff ein. Sein ganzer Körper zuckte heftig zusammen, um sich kurz darauf wieder zu entspannen. Morten lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und atmete schnell und flach.

Walburga und Burkhart hatten laut aufgeschrien, als Jacque Morten die Nadel in den Körper gejagt hatte und noch immer waren sie blass und sahen mitgenommen aus. Sie taten Jacque sogar ein bisschen leid, heute war ein langer und ereignisreicher Tag für die beiden gewesen.

Morten beruhigte sich langsam, atmete tief ein und blies die eingesogene Luft aus. Er ließ sich zurück auf den Boden fallen, zitterte leicht und schien Schmerzen zu haben, doch wenigstens war er am Leben.

„Dein Körper wird noch eine Weile taub sein, aber das kennst du ja schon...“, sagte Jacque.

Die Anspannung, die Jacque im Klammergriff gehalten hatte, fiel nur langsam von ihm ab. Er atmete bebend aus und lehnte sich gegen einen Baumstamm. Ihm stand ein Schweißfilm auf der Haut, den er mit seinem Handrücken fortwischte. Zumindest den im Gesicht.

„Was soll das heißen?“, fragte Walburga. „,Aber das kennst du ja schon'. Wie oft musstest du ihn denn schon auf diese Art wiederbeleben?“

Jacque und Morten tauschten einen Blick.

„Hmm, vielleicht drei, vier Mal?“, meinte Morten.

„Mmh... Könnte hinkommen...“

„Na toll, ihr seid ja welche... Irgendwann wird es schiefgehen und was macht ihr dann?“, sagte Walburga.

„Tja, so ist das nun mal als Jäger“, entgegnete Jacque. „Willkommen im Jägerberuf.“ Burkhart sah besorgt zu Walburga. „Gewöhn' dich lieber dran“, fuhr Jacque fort, „Die Wahrscheinlichkeit, im Kampf draufzugehen ist sehr hoch. Ich hätte eigentlich gedacht, du wüsstest davon. Vielleicht solltest du doch noch mal überdenken, ob das Jägerdasein tatsächlich etwas für dich ist.“

Walburga schwieg.

„Was ist eigentlich mit Nostra?“, fragte Morten.

Morten lag da wie eine Puppe aus Stroh, da er sich kaum rühren konnte. Er musste noch ein wenig warten, bis sein Herz die Elixiere über das Blut in seinem Körper so weit verteilt hatte, dass der Heilungsprozess richtig einsetzte.

Jacque, Walburga und Burkhart wandten ihre Köpfe zu der Stelle, an der Nostra zu Boden gegangen war und an der er noch immer lag. Sie wussten nicht, ob er lediglich ohnmächtig oder gar tot war...

„Nun ja, ehrlich gesagt, wissen wir das gar nicht so genau...“, sagte Burkhart. „Er fiel kurz vor dir und dann haben wir uns ausschließlich um dich gekümmert.“

Jacque seufzte und erhob sich. „Ich schaue mal nach ihm...“

Die anderen folgten ihm mit ihren Blicken, während er zu Nostra ging und sich neben ihm in die Hocke sinken ließ, um nach seinem Puls zu fühlen. Noch ehe Jacque ihn berühren konnte, fuhr Nostra in die Höhe und Jacque stolperte misstrauisch einen Schritt zurück, jederzeit dazu bereit, sich im Notfall zu wehren. Wer wusste schon, ob sich Nostra im Fieberwahn befand und etwas Dummes tun würde?

Unwillkürlich richtete sich auch Morten auf. Es kostete ihn zwar einiges an Kraft, aber er wollte vor Nostra nicht schwach wirken. Er geriet außer Atem, schaffte es jedoch, sich einigermaßen aufrecht – wenn auch gegen einen Baum gelehnt – hinzusetzen.

Nostras Augen wanderten über die Lichtung, über den niedergestreckten Dämon, über die anderen und über Morten.

„Na, alles klar bei dir?“, fragte Jacque.

Nostra musterte ihn kurz und erhob sich.

„Natürlich. Wie ich sehe, ist das Biest besiegt.“

„Ja, dank euch beiden.“

„Hm.“ Nostra klopfte sich Dreck von der Hose und schlenderte zu Morten, der sich nach vorn lehnte und seine Beine überkreuzte. Nostra blieb knapp hinter Burkhart und Walburga stehen und musterte Morten eingehend. „Sieht so aus, als hättest du einiges eingesteckt.“

Morten zuckte mit den Schultern. „Ist ja nichts Neues.“

Nostra starrte Morten lange Zeit einfach nur an.

„Dein Heiltrank hat nicht ausreichend genügt“, sagte er schließlich. „Deine Wunden heilen nicht, hören nicht auf zu bluten. Das Gift wirkt.“

Morten tastete seine Seite ab. Seine Hand war nass von seinem Blut, das noch immer aus der Wunde trat.

„Du kannst natürlich ein Heilelixier nach dem anderen einschmeißen und hoffen, dass dein Körper die Vergiftung irgendwann übersteht, aber dazu würde ich dir nicht unbedingt raten. Ich will derjenige sein, der dich in die Hölle schickt. Normalerweise würde ich mich sofort auf dich stürzen, doch das wäre hinsichtlich deiner Verletzungen viel zu leicht. Geht zum Bergkloster. Du müsstest wissen, wo das ist. Ungefähr zumindest. Weih' lieber die anderen über den Standpunkt ein. Wenn du doch noch ohnmächtig wirst, können sie dich dorthin schleppen. Vielleicht überlebst du ja.“ Nostra drehte sich um und ging ein paar Schritte, ehe er sich noch einmal zu Morten umwandte und sagte: „Wenn wir uns das nächste Mal sehen, wird einer von uns zur Hölle fahren. Dafür werde ich sorgen. Entweder du oder ich.“

„Mal sehen...“, murmelte Morten

Nostra ließ seine Hellebarde an der dafür vorgesehenen Halterung auf seinem Rücken einrasten und verschwand in den dunklen Schatten des Waldes. Nach nur wenigen Sekunden war es so als wäre er nie hier gewesen.

„Weg ist er...“, flüsterte Burkhart.

„Besser ist es...“, antwortete Jacque. „Wo Nostra auftaucht, gibt es für gewöhnlich nur Ärger. Wie man ja gesehen hat.“

„Wo Jäger auftauchen, gibt es für gewöhnlich nur Ärger“, entgegnete Morten. „Nostra ist nur ein Jäger wie die anderen auch...“

„Verteidige den nicht auch noch“, brummelte Jacque.

Burkhart sah dabei zu, wie das Blut aus Mortens Seite tropfte. „Was ist das für ein Kloster, von dem Nostra sprach?“

„Hm?“ Morten sah auf und folgte Burkharts Blick, der noch immer auf seine Wunden und seinen zerfetzten Mantel gerichtet war. Er seufzte und kramte Leinen aus seiner Tasche, die neben ihm auf dem Boden lag.

Nachdem der Kampf gegen den Dämon zu Ende war und sie zu Morten geeilt waren, hatten Jacque und die anderen die wenigen Besitztümer, die sie mit sich herumschleppten, mitgenommen, um erste Hilfe zu leisten und sicher zu gehen, dass in dem Chaos nichts verloren ging.

Morten zog seinen Mantel aus, klatschte eine dicke Schicht Wundbalsam auf die Verletzung und verrieb sie mit zusammengebissenen Zähnen. Jacque sah ihm dabei mit hochgezogenen Brauen zu. Morten konnte sehen, dass es ihm äußerst schwerfiel, seinen Senf nicht hinzuzugeben. Unwillkürlich musste er grinsen, zuckte jedoch kurz später zusammen, da seine Wunde äußerst schmerzhaft war. Der Balsam verschaffte ihm zwar etwas Linderung, doch würde es einige Zeit dauern, bis die Wunde verheilen würde. Insofern ihn das Gift nicht eher dahinraffte...

Nachdem Morten die Kräutermixtur gründlich einmassiert hatte, tränkte er die Leinen in Alkohol und klatschte sie sich auf seine verletzte Seite. Er biss die Zähne zusammen, als seine gesamte rechte Körperhälfte brannte. Langsam wurde seine Schulter taub, doch er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und begann umständlich damit, sich zu verbinden.

Jacque schüttelte den Kopf, ging zu Morten, schob dessen Hände beiseite und übernahm das Bandagieren. Morten seufzte, ließ es aber über sich ergehen. Mittlerweile hatte Jacque viel Übung darin, Morten zu verarzten...

„Was ist das nun für ein Kloster, von dem Nostra sprach?“, hakte Burkhart nach.

Seine Stimme klang leicht quengelig, wie die eines Kindes, das sich darüber ärgerte, das man ihm nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte.

Morten wandte den Blick ab und dachte nach. Schließlich antwortete er: „Das Kloster, das Nostra meint, ist einige Tagesmärsche die Berge hoch. Der Weg ist mehr oder minder beschwerlich und hängt vom Wetter ab. Wir sollten ihn lieber nicht wagen.“

Morten lehnte sich mit dem Rücken gegen den Baum hinter ihm und streckte die Beine aus.

„Bist du bescheuert?“, fragten Jacque, Walburga und Burkhart wie aus einem Munde.

Morten betrachtete die drei misstrauisch. „Ist hier eine Verschwörung im Gange, von der ich nichts weiß?“

„Du solltest die Späße vielleicht lieber lassen und ernst werden“, sagte Jacque leise.

„Du bist schwer vergiftet!“, sagte Burkhart. „Natürlich gehen wir zu diesem Kloster!“

Walburga betrachtete ihn ernst und entschlossen.

„Oder gibt es vielleicht noch einen anderen Ort, an dem man dir mit der Vergiftung helfen kann?“, fragte Burkhart.

„Hmm... Das Bergkloster ist das nächste. Es würde noch eine Alchemistenklinik in der Stadt geben, aber...“

Morten tauschte einen Blick mit Jacque.

„Aber was?“, fragte Burkhart neugierig.

Morten seufzte.

„Zu dieser Klinik gehen nur Leute, die absolut verzweifelt sind“, antwortete Jacque. „Der Quacksalber, der sie betreibt, ist eher daran interessiert, die auszunutzen, die sich nicht mehr anders zu helfen wissen.“

„Was meinst du damit?“, fragte Burkhart.

„Entweder er nimmt den Angehörigen alles ab, was sie noch haben, oder sucht andere Wege, um ... seine Bezahlung zu bekommen... Manche ,Patienten' dienen ihm als Versuchskaninchen, an denen er neue ,Heilmittel' oder andere Mixturen ausprobiert, andere werden Opfer seiner gestörten Experimente.“

Burkhart starrte ihn entsetzt an. „Gestörte Experimente?“

„Ja, aber frag mich nicht, was er genau macht. Erstens wird darüber in der Stadt nur gemauschelt und zweitens sind die Geschichten nicht für so sensible Ohren wie deine geschaffen. Am Ende liegst du nur die ganze Nacht wach und ich muss mich mit dir rumärgern.“

Beim reden gestikulierte Jacque mit den übrig gebliebenen Leinen, die er nicht zum Verbinden gebraucht hatte. Er legte sie ordentlich zusammen und verstaute sie mit den anderen Dingen, die noch verstreut lagen, in Mortens und in seiner Tasche.

Burkhart runzelte die Stirn, während er versuchte, sich ein Bild zu machen. Er öffnete einige Male den Mund, so als wolle er etwas sagen, beließ es jedoch dabei und grübelte vor sich hin.

„Kannst du laufen?“, fragte Jacque.

Morten nickte und kämpfte sich hoch. Die anderen folgten ihm besorgt mit den Augen, was Morten störte, aber er hielt seine Miene ausdruckslos, biss die Zähne zusammen und schaffte es schließlich ganz alleine, wenn auch etwas wackelig, sich vom Waldboden zu erheben. Er klopfte sich Moos, Grashalme und kleine Ästchen von der Kleidung und zog seinen Mantel zurecht. An der rechten Seite waren lange Schlitze ins Leder gerissen worden und er würde sich einen neuen zulegen müssen. Er seufzte. Er hatte ihn gemocht.

Als Morten nach seiner Tasche greifen wollte, schüttelte Jacque den Kopf. „Die nehm' ich.“

Morten ließ ihn. Er hasste es, bemuttert zu werden... Aber da er die Vergiftung in seinem Körper pulsieren spürte, gab er nach und begann keinen Streit.

Jacque leerte einen Weinschlauch und füllte sie mit einer grünlichen Flüssigkeit. Er drückte sie Morten in die Hand. „Hier. Wann immer du das Gefühl hast, dass die Vergiftung zu viel von dir fordert, trink davon. Ich hoffe, das reicht, bis wir das Kloster erreicht haben...“

Morten grinste schief. „Du tust ja so, als würde ich jeden Moment sterben.“

Jacque betrachtete ihn einen Moment lang und schob ihn sanft an. „Los. Lass uns gehen. Je eher wie losgehen, desto eher kommen wir auch an.“

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