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14.

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Der Weg war beschwerlich. Der Waldboden wurde mit jedem Tag, der verging, unebener. Manchmal hatte Walburga das Gefühl, sie liefen nicht durch einen Wald, sondern durch ein Gebirge. Allerdings hatte Jacque ihnen gesagt, dass die hohen Berge erst noch kommen würden und dass die Hügel hier noch kein Vergleich dazu wären.

Es war anstrengend, ja, aber Walburga hatte nie das Gefühl, sie würde den nächsten Hügel nicht erklimmen können. Das würde im Gebirge dann wahrscheinlich anders sein... Na ja, es war kein richtiges Gebirge. Wohl eher eine Hügellandschaft, die entfernt an ein kleines Gebirge erinnern würde, hatte Morten gemeint.

Sie bewegten sich Richtung Nordosten, immer weiter von Manrhay fort. Es war ein seltsames Gefühl, das Walburga dabei empfand. Sie und Burkhart hatten die Stadt noch nie verlassen. Einerseits war sie aufgeregt, andererseits nagte das Gefühl an ihr, dass sie etwas Unrechtes tat und dass sie die Stadt eigentlich nicht verlassen sollte...

Ihr Blick fiel auf Morten. Sie war sich nicht sicher, ob das Gift ihm gar nicht so sehr zusetzte oder ob er sein Leiden einfach nur gut kaschierte. Ihm stand oft der Schweiß auf der Stirn, aber hinsichtlich des anstrengenden Marsches fand sie dies nicht unbedingt auffällig... Außerdem war sie sich nicht sicher, ob es tatsächlich Schweiß war, der sich wie ein Film über seine Stirn spannte. Es könnte genauso gut auch die Nässe sein, die sich in der Luft sammelte und den Wald diesig und neblig machte.

Hin und wieder trank Morten aus dem Weinschlauch, den er an seinem Gürtel befestigt hatte und in der Jacques Heiltrank gluckerte.

Noch wanderten sie Richtung Norden, da Morten meinte, dass das der einfachere Weg sei. Bald würde es jedoch an den Aufstieg gehen. Die Hügel nordöstlich von ihnen ragten immer höher auf, je weiter sie gingen.

Sie kamen nicht so schnell voran, wie es Jacque und Morten gern gehabt hätten. Das Wetter war feucht – eigentlich schon nass – wenn es nicht regnete, sammelte sich so viel Flüssigkeit in der Luft, dass Walburga das Gefühl hatte, es würde doch regnen. Ihr blondes Haar klebte ihr im Gesicht und im Nacken, was sie furchtbar nervte. Andauernd strich sie sich die Strähnen aus der Stirn, von ihren Wangen oder aus ihrem Nacken, doch nur wenige Minuten später klebten sie schon wieder da, wo es sie störte. Sie war sich sicher, dass sie fürchterlich aussah...

Der einzige Vorteil an dieser gottverlassenen Gegend war, dass sie nie jemandem begegneten. Selbst Tiere sah sie nur selten. Wann immer sie abends ein Lager aufschlugen, pirschte sich Jacque in den Wald hinein und verschwand zwischen den Stämmen und Sträuchern. Burkhart sah ihm dann immer beklommen nach, so als ob er fürchtete, dass er Jacque nie wieder sehen würde.

Sobald Jacques Gestalt sich im Wald auflöste, fiel eine gespenstische Stille über die drei Zurückgebliebenen. Man hörte kaum Vögel, aber hin und wieder ein Rascheln und an manchen Tagen plagte Walburga der Gedanke, dass irgendetwas hinter ihnen her strich und darauf wartete, dass sie ihr Lager aufschlugen, um sie dann im Schutz der Schatten des Waldes zu umkreisen. An diesen Tagen war sich Walburga sicher, dass Jacque nicht zurückkehren würde, sich ein namen- und gesichtsloses Grauen auf sie stürzen würde und sie hier mitten im Niemandsland verloren gehen würden, wo ihre zerfetzten Leichen nie gefunden werden würden...

„Na, Wali, an was denkst du?“, fragte Morten und riss sie somit aus ihren düsteren Grüblereien.

Sie zuckte mit den Achseln. „Na ja, wir haben Manrhay noch nie verlassen...“

Morten betrachtete sie. Sein Blick war ihr unangenehm. Sie war sich bewusst, dass sie nicht gerade den schönsten Anblick bot. Sie hatte sich seit ein paar Tagen nur notdürftig waschen können. Ihr Haar war von Haus aus schon wirr und widerspenstig, aber hier draußen beging es völlige Anarchie. Bei jedem Versuch, es irgendwie zusammenzubinden, war sie gescheitert, bis sie es schließlich aufgegeben hatte und sich nur noch um die Strähnen kümmerte, die sie am meisten störten. Der Schlamm und der Matsch, durch den sie sich kämpfen mussten, ließ sich an manchen Abenden kaum von ihrem Leib waschen. Anfangs hatte sie geschrubbt, bis ihre Haut wund wurde, doch mittlerweile war sie abends einfach zu müde, um sich darum zu kümmern. Auch ihre Kleidung starrte vor Dreck.

Natürlich ging es den anderen nicht anders, aber da die Haare der anderen nicht so lang waren wie die ihren, hatte Walburga in dieser Hinsicht doch ein Ärgernis mehr, mit dem sie sich jeden Tag herumschlagen musste... Kurzzeitig hatte sie sogar darüber nachgedacht, ob sie ihr Haar abschneiden sollte, aber sie mochte es zu sehr und entschloss sich doch dagegen.

„Ist das alles, was dir Sorge bereitet?“, fragte Morten.

„Ja“, antwortete Walburga. „Es ist hier draußen irgendwie ... unheimlich.“

Burkhart nickte zustimmend.

„Hmm.“ Morten lehnte sich zurück und stützte sich dabei auf seine Handflächen. Sie konnte nicht sagen, ob das Flackern in seinen Augen vom Lagerfeuer herrührte, das sie entzündet hatten, oder ob er fieberte. Wie weit das Gift wohl schon vorangeschritten war? Ob der Heiltrunk wohl etwas ausrichtete? „Du hast recht, es ist hier schon gefährlich ...“, fuhr er fort. „Deswegen solltet ihr euch für Notfälle vorbereiten.“

Walburga und Burkhart sahen ihn irritiert an.

„Na los, erhebt euch. Ab heute müsst ihr jeden Abend, nachdem wir ein Lager aufgeschlagen haben, trainieren.“

„Das meinst du nicht ernst“, sagte Burkhart.

„Doch“, erwiderte Morten. „Los. Holt euch ein paar Stöcke, mit denen ihr üben wollt, und dann vollführt ein paar Übungen. Ich selbst bin zwar nicht in der Verfassung für körperliches Training, aber ich kann euch dennoch sagen, was ihr falsch macht und was ihr verbessern müsst.“

„Aber ich habe doch noch nie mit einem Stock oder einer Waffe gekämpft ...“, warf Burkhart ein.

„Na, dann wird es höchste Zeit, damit anzufangen“, erwiderte Morten.

Burkhart sah ratlos zu Walburga, die nur mit den Achseln zuckte.

„Aber -“, hob Burkhart an.

„Nichts aber. Keine Zeit für faule Ausreden ... Wenn ihr nicht bald anfangt, gibt es heute kein Abendessen für euch ...“, drohte Morten grinsend.

Walburga stand auf. „Komm, Burkhart. Holen wir uns die Stöcke. Je eher wir anfangen, desto eher können wir auch wieder aufhören.“

Burkhart sah alles andere als glücklich aus, doch folgsam erhob er sich und ging mit Walburga ein paar Schritte.

„Denkst du wirklich, das macht Sinn?“, fragte er. „Du brauchst Training, aber ich bin viel zu schlecht, um dir ein ebenbürtiger Gegner zu sein...“

„Na ja, Morten hat schon recht, irgendwie. Du solltest in der Lage sein, dich selbst zu verteidigen. Niemand erwartet von dir, dass du ein tollkühner und starker Kämpfer wirst, aber vielleicht fühlst du dich sicherer, wenn du weißt, wie du dich verteidigen kannst.“ Sie lächelte zaghaft. „Ich werde mich auf jeden Fall sicherer fühlen, wenn ich weiß, dass du es kannst.“

Burkhart nickte.

Walburgas kleine Härchen im Nacken stellten sich auf, als sie sich vom Lager entfernten. Es war ihr unangenehm und sie hatte das Gefühl, dass im Wald alles lauern könnte. Auch Burkhart wirkte verängstigt. Hektisch sah er sich um und er schritt nur zaghaft hinter ihr her.

„Ich glaube, die hier sind okay.“

Sie blieb an einem jungen Baum stehen. Burkhart folgte ihrer Gestemit den Augen und betrachtete die geraden Äste, die etwa eineinhalb Armlängen maßen. Walburga begann damit, gegen die Äste zu treten, um sie vom Baum zu brechen. Es dauerte eine Weile, da der Baum gesund und kräftig war.

Für ihren Geschmack veranstaltete sie viel zu viel Lärm dabei. Burkhart hatte die Arme um sich geschlungen und sah sich angstvoll um. Er rechnete damit, dass sich jeden Moment die Gestalt eines Dämons aus der Dunkelheit schälen konnte. Der Feuerschein ihres Lagers schien nur noch schwach bis hierhin.

Schließlich gab auch der zweite Ast mit einem geräuschvollen Krachen nach. Walburga atmete ein paar Male tief durch und bückte sich nach den Ästen. Sie begutachtete sie und war zufrieden mit ihrer Wahl.

„Lass uns gehen...“, wisperte Burkhart. „Es behagt mir hier nicht.“

„Uns wird schon nichts passieren“, entgegnete Walburga. Unwillkürlich flüsterte auch sie.

„Aber hier kann jederzeit ein Dämon auftauchen“, raunte Burkhart.

Walburga legte ihre Finger auf die Lippen, um ihrem Bruder zu signalisieren, dass er still sein solle. Sie hörte es rascheln. Überall um sie herum strich der Wind über Blätter und Zweige, doch die Geräusche veränderten sich. Es klang, als würde dort jemand herumstreifen. Und näher kommen.

Walburga machte einen kleinen Schritt und stellte sich halb vor Burkhart. Sie drückte ihm einen Stock in die Hand und ließ ihren Blick umherstreifen, immer bereit, auf das Unerwartete zu reagieren. Burkhart hinter ihr wurde immer unruhiger. Sie konnte sein lautes, angstvolles Schnaufen hören. Hoffentlich würde er die Nerven behalten...

Das Rascheln wurde lauter. Sie ging leicht in die Knie, nahm eine Kampfhaltung ein. Sie hörte die Schritte jetzt lauter, sie waren sehr nahe.

Eine hochgewachsene, breite Gestalt trat aus den Schatten der Nacht. Burkhart keuchte hinter Walburga erschrocken auf. Sie hob den Stock und wollte den ersten Schlag landen, doch der Gegner fing den Hieb ab und hielt ihre provisorische Waffe so fest, dass sie sie nicht mehr bewegen konnte.

„Was soll das denn?“, fragte Jacque. „Was macht ihr hier draußen?“

Burkhart blies die Luft aus, die er angehalten hatte.

„Tut mir leid...“, murmelte Walburga. Jacque ließ den Stock los und sie ließ ihn sinken. „Morten hat uns losgeschickt, um Stöcke zu holen. Er meint, wir sollen jeden Abend trainieren“, fuhr sie fort.

Jacque brummte etwas, doch sie konnte nicht sagen, ob es zustimmend, missbilligend oder gleichgültig war.

„Ihr solltet nicht so einen Lärm machen“, mahnte er. „Hier draußen laufen Viecher rum, denen ihr lieber nicht begegnen wollt.“

„Hast du etwas zu Essen gefunden?“, fragte Burkhart.

Sein großer Hunger und Jacques Anwesenheit ließen seine Angst wie von Zauberhand verschwinden.

Jacque murmelte etwas, das sie nicht verstehen konnten, und schickte sich an, in Richtung Lichtschein des Feuers weiterzugehen. Über seiner Schulter baumelten zwei dürre Kaninchen. Die Geschwister tauschten einen Blick. Entweder er war so schlecht gelaunt, weil er nur diese dünnen Tiere erwischt hat oder wegen etwas anderem. Walburga und Burkhart wollten den Grund lieber nicht herausfinden. Sie folgten ihm zurück zu Morten.

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