Читать книгу Die Staatsanwältin - Lisa Scott - Страница 13

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»Sie sollten sich einen Anwalt nehmen, Mädchen.« Bale kam eilig in sein Büro, wo Vicki, wie angewiesen, auf ihn wartete.

»Das ist nicht Ihr Ernst.«

»Doch, ausnahmsweise. Strauss ist von Melendez, Bristows Verteidiger, angerufen worden.« Bale schlüpfte aus seinem Kamelhaarmantel und hängte ihn sorgfältig über einen Holzbügel an der Garderobe hinter ihm. Dann setzte er sich auf seinen hochlehnigen Stuhl und schob gewohnheitsmäßig seine Manschetten nach vorn. »Er wird Sie verklagen – und übrigens die ganze Abteilung – wegen professionellen Fehlverhaltens und Tätlichkeiten gegen eine Gefangene.«

»Tätlichkeiten gegen Reheema? Sie ist zwei Köpfe größer als ich!«

»Melendez sagt, sie hat eine Fleischwunde davongetragen.«

»Ihr Fleisch ist hart wie Stein!«

»Sie haben ihr den Arm umgedreht, oder?«

»Das konnte ich gar nicht! Sie hat doch Handschellen getragen!«

»Kein sehr gutes Argument.« Bale warf ihr hinter seinem Nussbaumschreibtisch einen zornfunkelnden Blick zu. Vor ihm auf der Lederunterlage lagen Stapel offizieller Briefe. Daneben stand ein Computer mit der heftig flatternden amerikanischen Flagge auf dem Bildschirmschoner. »Und außerdem ist das gar nicht der Punkt. Sie haben nicht das Recht, sie auch nur mit dem kleinen Finger anzufassen.«

»Ich weiß. Es tut mir leid. Aber trotzdem –«

»Kein Aber. Sie gehören zum Stab des Bundesstaatsanwalts. Sie haben sich wie ein Raufbold benommen.«

Vicki wurde rot. Sie befand sich eindeutig im Unrecht, was sich ganz und gar nicht angenehm anfühlte.

»Und Melendez klagt nicht nur für Bristow, sondern ist auch selbst Kläger.«

»Wie bitte?«

»Wie fühlt sich sein Fleisch an?« Bale zog eine Augenbraue hoch. ,

»Ich schwöre, dass ich ihn nicht angerührt habe!«

»Er sagt, Sie hätten ihn weggeschoben.«

»Und was ist mit dem ATF-Beamten an der Tür? Er kann Ihnen sagen, was passiert ist.«

»Ach, haben wir vielleicht versäumt, ihn zu fragen? Er hätte überhaupt nicht dort sein sollen! Die Begleitung der Gefangenen ist Sache der Marshals! Wie haben Sie das hingekriegt?«

Vicki sank auf ihrem Stuhl zusammen. Der ATF-Beamte konnte ohnehin nicht für sie sprechen. Er war vollauf damit beschäftigt gewesen, sie voneinander zu trennen: Es war wie eine Umarmung von drei Leuten gewesen, die sich irgendwie ins Gegenteil verkehrt hatte.

»Aber egal. In jedem Fall ist es eine Klage, die Ihnen sehr schaden könnte. Mit einem Beschuldigten zu sprechen gehört zu Ihren Pflichten, aber zu versuchen, einen Beschuldigten umzubringen, das geht definitiv zu weit.«

»Sie halten nicht zu mir?«

»Natürlich nicht.« Bales braune Augen wurden hart. Es sah aus wie Kochschokolade, die abkühlt. »Sie hatten nicht das Recht, sich in einem Aussageraum mit dieser Beschuldigten zu treffen, als Sie erfuhren, dass es Ihren Fall nicht mehr geben wird. Es gibt einfach keine Entschuldigung für das Ganze. Was dachten Sie sich dabei?«

Schluck. »Es war meine letzte Chance. Danach wollte ich sie in Ruhe lassen.«

»Sie hätten die Anklage heute Morgen schon fallen lassen müssen. Wie haben Sie dem Verteidiger gegenüber das Treffen begründet?«

»Ich habe ihm den Brief geschickt, der in der Akte war.«

»Also einen Brief mit Strauss’ Unterschrift? Das wird Strauss bestimmt gefallen. Das ist wirklich großartig.« Bale schürzte die Lippen unter seinem Schnurrbart. »Er hat sich schon mit der Öffentlichkeitsabteilung in Verbindung gesetzt, und sie haben sein Statement an die Presse weitergegeben. Die Medien wissen, dass Sie gestern Abend am Tatort waren. Die Presse wird melden, dass Sie sich entschuldigen und dass Sie wegen dem Mord an dem ATF-Mann, den Sie sehr gut kannten, wütend waren und bedauerlicherweise übers Ziel hinausgeschossen sind. Ich habe die Anklage gegen Bristow fallen lassen. Heute Abend wird sie aus dem Gefängnis entlassen.«

Nein. »Sie kennt die Mörder, Chief.«

»Melendez sagte mir, dass sie das abstreitet und dass er ihr glaubt.«

»Kein Wunder! Er ist ein Mann, und er ist scharf auf sie.« Vicki spürte wieder Ärger in sich aufsteigen. »Chief, es gibt offensichtlich eine Verbindung zwischen Bristow und der Informantin. Die Informantin wollte gegen sie aussagen, ohne dass irgendjemand sie dazu aufgefordert hätte. Ich habe es Ihnen ja schon gesagt. Es steht auch in der Akte.«

»Und darauf bauen Sie Ihre Theorie, ja? Auf eine Aktennotiz. Deshalb haben Sie die Beschuldigte und ihren Verteidiger tätlich angegriffen?«

Ihren Verteidiger nicht, aber was soll’s. »Meine Informantin wird erschossen, kurz bevor sie aussagen will. Das ist das Einzige, was ich hatte. Es kann kein Zufall sein. Es muss eine Verbindung geben.«

»Melendez sagt, Sie hätten völlig die Beherrschung verloren. Er sagte, Sie hätten eine große Klappe für eine so kleine Frau, was ich bestätigen kann.«

»Danke.«

»Seien Sie nicht so eine Klugscheißerin. Sie brauchen eine gesetzliche Vertretung. Verstanden?«

»Verstanden.« Kein Anwalt würde sich ihres Falles annehmen, es sei denn, er bekäme einen Vorschuss von fünftausend Dollar, was etwa der Hälfte von Vickis Ersparnissen entsprach. Ihr Vater würde es unentgeltlich machen, aber dann würde sie ihm die Wahrheit sagen müssen, wofür es keinen Präzedenzfall gab.

»Gewisse Leute, die uns nicht mögen, wittern Morgenluft. Wir brauchen jetzt einen guten Draht nach oben, das muss ich Ihnen nicht erklären, oder? Bringen Sie mich nicht dazu, dass es mir leidtut, Strauss überredet zu haben, Sie vorerst nicht an die Luft zu setzen.«

»Sie wollen mich also behalten?« Vickis Kehle schnürte sich vor Dankbarkeit zusammen.

»Eine Woche unbezahlten Urlaub für Sie.« Bale rieb sich verärgert die Stirn. Gerüchte sagten, er lasse sich Botox spritzen, aber solche Dinge würde Vicki im Beisein von anderen nie mehr äußern.

»Danke, Chief.«

»Der einzige Grund, weshalb er sich überreden ließ, war, dass Sie letzten Monat den Fall Edwards gewonnen haben. Und ich habe mich für Sie ins Zeug gelegt, weil ich weiß, warum Sie es taten. Sie haben aus Ihrem Gefühl heraus reagiert. Sie standen Morty sehr nah.«

Morty. Vicki sah zur Seite. Blasse Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster des Eckbüros und ließen die metallenen Preisplaketten, die gravierten Kristallschalen und dicken Acryl-Trophäen glänzen. Schwarz gebundene Nachschlagewerke und Gesetzbücher füllten die Wandregale.

»Hey, sehen Sie mich an«, sagte Bale, und Vicki wandte sich wieder ihm zu. »Ich bin jetzt für Sie verantwortlich. Der kleinste Verstoß gegen die Regeln, und ich tue nichts mehr für Sie. Sie sind immer noch neu hier. Seien Sie also vorsichtig. Wir sind nicht die Schnelle Eingreiftruppe. Capito?«

»Ja, Chief.«

»Gut.« Bales Stimme hörte sich fast wieder normal an. »Melendez hat Strauss auch erzählt, dass Sie Bristow wegen ein paar Namen fragten. Jay oder so. Teeg. Sie haben diese Namen auch den Detectives gestern Abend gegeben, oder?«

»Natürlich.« Sie hatte es wirklich getan. Sie log nicht.

»Und auch den Leuten vom ATF?«

»Ja.«

»Also sind Sie nicht völlig übergeschnappt.«

»Nein, nicht völlig.«

»Heute ist Freitag. Die Trauerfeier für Morty ist am Montag. Sie werden teilnehmen und sich dann die Woche unbezahlten Urlaub nehmen. Wenn jemand von der Mordkommission Sie anruft und Sie auffordert, Fotos anzuschauen, werden Sie hingehen, aber sonst werden Sie nichts tun. Ab Montag sitzen Sie wieder an Ihrem Schreibtisch und tun, was Sie versprochen haben.«

»Was ist mit meinen Fällen? Ich habe am Dienstag eine Anhörung im Fall Welton.«

»Ich gebe ihn jemand anderem. Malloy wird Ihren Schreibtisch bewachen, während Sie weg sind. Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen.« Bales Telefon klingelte, aber er wartete, bis die Sekretärin abnahm. »Gehen Sie nicht in Ihr Büro zurück, sondern sofort nach Hause. Und bleiben Sie dort. Und kein Wort zur Presse. Und keinen Unsinn mehr!«

»Okay, Chief. Nochmals danke.«

Vicki verließ das Büro und schloss die Tür hinter sich. Sie ging den Gang entlang zu ihrem Büro, und als sie um die Ecke bog, standen die Sekretärinnen auf, und die anderen Assistenten kamen aus ihren Büros.

Und alle klatschten.

Vicki dankte jedem Einzelnen und nahm nur den Mantel mit, der noch an der Garderobe hing. Sie brauchte ohnehin nichts mehr aus ihrem Büro. Sie hatte die Akte Bristow in ihrer Tasche.

Und sie wusste genau, wohin sie jetzt gehen musste.

Die Staatsanwältin

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