Читать книгу Die Staatsanwältin - Lisa Scott - Страница 16
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ОглавлениеVicki sah auf die Uhr – 15:15. Nicht schlecht. Der Himmel war immer noch von eisigem Blau. In ihrem alten weißen Cabrio drehte sie die Heizung voll auf und steuerte durch die verstopften Straßen der Innenstadt. Sie war nach Hause gefahren, um den Wagen und das Handy zu holen. Mit einem unguten Gefühl in der Magengrube hatte sie es abgewischt und in das Ladegerät auf dem Armaturenbrett gesteckt. Fast sofort begann es zu klingeln. Jemand hatte also versucht, sie zu erreichen.
Sie fuhr langsamer und nahm das Telefon in die Hand, an dem in den Vertiefungen noch immer getrocknetes Blut klebte. Dan hatte angerufen. Drei Nachrichten waren von ihm gekommen. Ohne das Kabel des Ladegeräts herauszuziehen, drückte sie im Menü auf seinen Namen und rief ihn zurück.
Dan antwortete fast sofort. »Lieber Gott, Vicki! Was hast du vor? Hast du keine Tranquilizer mehr?«
Vicki lachte.
»Ich habe gehört, du hast versucht, eine Beschuldigte umzubringen! Wer soll, verdammt noch mal, was dagegen haben? Wir alle versuchen auf unsere eigene Weise, die Straßen sicherer zu machen. Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.«
»Ich habe nicht versucht, sie umzubringen.« Nach dem gestrigen Abend ging ihr das Wort »umbringen« nicht mehr leicht von den Lippen. »Ich wollte einfach nur ein paar Informationen.«
»Deshalb hast du versucht, sie umzubringen?«
»Aber das stimmt nicht!«
»Bale stampft durch die Gänge und bläst Dampf durch die Nüstern. Steht ihm gar nicht.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Mit dem Botox hast du ganz sicher Recht. Er ist total sauer und runzelt trotzdem nie die Stirn.«
Vicki spürte leichte Gewissensbisse und wechselte die Spur.
Dan sagte: »Das muss die Hölle sein. Man hat diesen ganzen Zorn in sich und kann ihn nicht ausdrücken.«
»Klingt wie Arbeit.«
»Oder Ehe.«
Darauf antwortete Vicki nichts. Die Thirtieth Street glitt an ihr vorbei. »Wenigstens hat er mich nicht gefeuert.«
»Herzlichen Glückwunsch. Du wirst es noch weit bringen.«
»Danke für deine Unterstützung.«
»Also, was ist passiert? Raus mit der Sprache«, sagte Dan, woraufhin Vicki ihm alles erzählte. »Schöne Geschichte«, sagte er am Ende. »Und wo bist du jetzt?«
»Im Auto. Ich will etwas über Reheema erfahren. In ein paar Stunden wird sie aus dem Knast kommen, und vorher will ich mir ein Bild gemacht haben.«
»Glaubst du, das ist eine gute Idee? Kokain? Waffen? Du selbst? Eines von diesen dreien passt nicht zum anderen.«
Vicki lächelte. »Am gefährlichsten ist es, am Steuer zu sitzen und dabei zu telefonieren.«
»Warum willst du etwas über Reheema wissen?«
»Ich bin neugierig, das ist alles.«
»Neugier ist ungesund.«
»Ach, Dan. So ein Spruch ist unter deinem Niveau.«
»Du überschätzt mich.«
»Natürlich.«
»Nein, ehrlich.« Dans Ton wurde ernst, und Vicki konnte sich genau vorstellen, wie er jetzt aussah. Noch besser als sonst. »Du tust das alles für Morty.«
»Ach, nein.« Vicki drückte aufs Gas. Die Straße war frei.
»Die Polizei beschäftigt sich schon damit.«
»Tatsächlich? Ich habe gerade die Mutter der Informantin getroffen. Die Polizei hat sie bis jetzt nicht einmal angerufen. Gott weiß, wann die in die Gänge kommen, und übrigens halte ich sie nicht auf. Ich beschäftige mich mit meinem eigenen Fall. Und das hätte schon viel früher passieren müssen.« Vicki musste schlucken. Gleichzeitig behielt sie den Verkehr im Rückspiegel im Auge. Ein zerbeultes Taxi war ihr auf den Fersen. »Wenn ich mir die Zeit genommen hätte, mir dieses Aussageprotokoll zu besorgen, hätte ich vorher erfahren, was ich jetzt erst weiß.«
»Du hattest alle Hände voll zu tun. Mach dir keine Vorwürfe.«
»Ich bin verantwortlich.«
»Nein, das bist du nicht.«
»Ach, es reicht.« Vicki bremste vor der Ampel an der Thirty-eighth Street. Sie fuhr nach West Philly. Studenten der Pennsylvania State University in abgenutzten Winterjacken überquerten die Straße und mischten sich mit Universitätsangestellten, die Plastikausweise um den Hals hängen hatten. Ein weißer Polizeiwagen hielt neben ihr, und der Mann auf dem Beifahrersitz musterte sie mit einem abschätzigen Blick. Entweder es missfiel ihm, dass sie telefonierte oder dass sie Polizeiarbeit machte. »Ich muss jetzt aufhören.«
»Ruf mich an, sobald du zu Hause bist.«
»Gut.«
»Sobald du die Schuhe ausgezogen hast.«
»Ja, Süßer«, sagte Vicki und tat, als sei es ein Scherz. Sie beendete das Gespräch, klappte das Handy zu und warf es auf den Sitz neben ihr. Als die Ampel auf Grün schaltete, beschleunigte sie. Fast war sie schon am Ziel, obwohl ihre Gedanken noch ganz woanders waren.
Bei Dan.