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A A Die Aktionstherapie - Eine Handlungsmethode I
1. Einführung in die Aktionstherapie

„Alles was ich sage, sei Gespräch, nichts sei ein Rat. Ich würde nicht so kühn reden, wenn man mir folgen müsste.“

Erasmus von Rotterdam (ca. 1465 - 1536)

Aus zwei Gründen stellen wir dieses Wort des großen Humanisten Erasmus von Rotterdam der Darstellung von John Krops Aktionstherapie voran: Einerseits bezeichnet er sich auf Fragen nach seinem weltanschaulichen Hintergrund gerne selbst als Humanisten, und andererseits haben wir ihn in seiner praktischen Arbeit auch so erlebt: von grundsätzlichem Respekt vor dem Anderssein des Anderen durchdrungen, achtsam die Grenzen der Klienten berührend, eher immer einen halben Schritt hinter dem Klienten gehend den Prozess begleitend. Das wird im Folgenden auch in einigen Verbatims aus therapeutischen Gesprächen deutlich.

John Krop geht davon aus, dass wir alle in Glaubens-, Meinungs- und Wertesystemen leben, die wir über unsere Prägung erhalten haben: „Ich glaube, dass das Eis mich trägt; ich vertraue darauf, dass das Eis mich trägt; ich weiß, dass das Eis mich trägt; und ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Eis mich trägt“ (siehe: J. Krop „My Beliefs about Therapy“). Diese führen je nach den verschiedenen Erfahrungen zu unterschiedlichen Abstraktionen, Vorstellungen, verbalen Metaphern oder körperlichen Empfindungen. Diese wiederum bilden unterschiedliche innere und äußere (körperliche) Haltungen aus, legen Neigungen, in bestimmten Situationen entsprechend zu handeln, fest. Und wir investieren in diese Glaubens- und Wertesysteme, weil wir versuchen, der Welt einen Sinn zu geben, damit uns die Welt auf diese Weise sicherer und berechenbarer erscheint. Die Erschütterung des Glaubens- und Wertesystems eines Menschen im therapeutischen Prozess (therapeutisch induzierte Krise) führt folglich zu Verunsicherung. Solche Interventionen, ohne eine ausdrückliche und im Therapieverlauf auch fortlaufend erfragte Zustimmung des Klienten, sind für Krop inhuman. Der Respekt vor dem Gewordenen ist absoluter Leitfaden in John Krops Arbeit und führt oft zu einem vorsichtigen Tasten. Das wird besonders in seinen englischsprachigen Texten deutlich: Um einen Klienten zu fragen oder ihn um etwas zu bitten, benutzt man im Englischen das gleiche Wort: to ask. Dadurch kann das Fragen/Bitten die Stimmung der ganzen Therapiesitzung prägen, was folglich die Ängste der Klienten auf diese Weise reduziert (sie behalten das Gefühl der Steuerung/Kontrolle) und man findet im Verlauf der Sitzungen kaum nennenswerte Widerstände. Den Begriff Widerstand benutzt Krop auch kaum. Er spricht eher von eventuellen Zweifeln oder Ängsten der Klienten. Auch sonst geht er mit psychologischen Fachbegriffen sparsam um.

„Wir haben bei dem, wer wir sind und was wir tun, Wahlmöglichkeiten. Und eine Herausforderung in unserem Leben und der hauptsächliche Fokus für mich als Therapeut mit meinen Klienten ist es, darauf zu vertrauen. Ich kann zu meinen eigenen Wahlmöglichkeiten und Glaubens- und Wertesystemen stehen und sie, wenn es passt, meinen Klienten gegenüber zum Ausdruck bringen. Aber ich darf ihnen diese Wertesysteme und Wahlmöglichkeiten nicht überstülpen. Ich kann sie vor ihnen ausbreiten, vorausgesetzt, ich tue das in angemessener Weise, zur angemessenen Zeit und mit angemessener Absicht. Ehrlichkeit um der Ehrlichkeit Willen kann unbarmherzig oder gnadenlos sein.“ (J. Krop in „My Beliefs about Therapy“, S. 1 - eig. Übersetzung der Verf.)

John Krop entwickelte seine Aktionstherapie, weil ihm während seiner Arbeit als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge sowohl bei seiner Tätigkeit in Amsterdam als auch später im Distrikt Santa Clara in Kalifornien zunächst das praktische Handwerkszeug fehlte. Das Studium in Amsterdam und in Minnesota war psychoanalytisch orientiert. Über die Erfahrungen, die er unter Einfluss verschiedener Vertreter der sich zur damaligen Zeit in Kalifornien entwickelnden Humanistischen Psychologie sammelte, entstand dann dieses zunächst agogische Verfahren.

„Als ich 1984 mein Buch (das niederl. „Aktietherapie“) schrieb, musste ich mich definieren, und da habe ich mich als Aktionstherapeut beschrieben. Aktion war allem gemeinsam: Gestalttherapie, Psychomotorische Therapie (Pesso), Bioenergetik, Psychodrama usw. Mein Anliegen war es immer, die Menschen vom ‚Darüber reden‘ zum Tun zu bringen. Die Aktion ist das Wichtige.“ (aus den Interviews mit J. Krop im April 2011)

Somit wurde die Aktionstherapie in erster Linie eine Handlungsmethode, die im Prinzip in allen Bereichen der Sozialarbeit/Sozialpädagogik anwendbar ist. Als therapeutisches Verfahren ist die Aktionstherapie in der ursprünglichen Bedeutung des ‚Therapierens‘ zu verstehen, nämlich als ,dienen‘ oder ,begleiten‘, nicht im engen heilkundlichen Sinne.

2. Die Metapher als Basis der Aktionstherapie

„Der Einsatz von Symbolen und Analogien ist eine wirkungsvolle Technik, um die nichtlinearen Prozesse in der rechten Gehirnhälfte zu beeinflussen.“

Eric Marcus, „Die Logik des Unlogischen“

Was ist eine Metapher?

Ursprünglich leitet sich das Wort Metapher von dem griechischen Verb metaphorein (= übertragen, übersetzen, transportieren) ab. Eine Metapher ist zunächst eine rhetorische Figur, bei der ein Wort nicht in seiner wörtlichen, sondern in einer übertragenen Bedeutung gebraucht wird. Beispiele aus unseren Redewendungen verdeutlichen diesen Vorgang: Wüstenschiff - Kamel, Rabenmutter - Mutter, die ihr Kind vernachlässigt.

Joop weitet den Begriff der Metapher aus. Er benutzt ihn synonym für ein Bild. Die Metapher ist der zentrale Handlungsansatz in der Aktionstherapie. In der Metapher drücken sich Dilemma und Anliegen der Klienten bildlich oder figürlich übertragen aus. Die Metapher kommt während der Initialphase des therapeutischen Gesprächs in den Vordergrund. Was am Anfang vielleicht noch unbestimmt, undeutlich und noch unfertig wirkt, wird über die Metapher sowohl für den Klienten als auch für den Therapeuten sichtbarer und prägnanter und ist dadurch besser zu handhaben.

John Krop benutzt drei Formen von Metaphern:

• Metaphern auf der körperlichen Ebene = Body Architecture

• Metaphern auf der mentalen Ebene = Geleitete Phantasie und Imagination

• Metaphern auf der gegenständlichen Ebene = Arbeit mit Objekten

Wie entsteht eine Metapher?

Die Kreierung einer Metapher verläuft etwa so: Der Therapeut hört dem Klienten zu, bis er ein mögliches Anliegen erkennt.

Dann überprüft er: „So, Sie sind nach Ihrer Scheidung so deprimiert, ist das richtig?“ - „Ja.“ -

„Wollen Sie das mal erforschen?“ (Oder: „Wollen Sie mehr darüber wissen?“

Oder: „Wollen Sie daran arbeiten?“) -

„Ja.“

„Nun, dann gehen wir damit weiter.“

Jetzt hat der Therapeut einen Kontrakt und versucht auf dieser Basis eine Metapher zu kreieren. Dabei wählt der Therapeut die Form der Metapher und auf welcher der drei Ebenen der Klient arbeiten soll.

Wenn sich der Therapeut für die Geleitete Phantasie entscheidet, sagt er etwa: „Lassen Sie mal ein inneres Bild aufkommen, das Ihre Depression repräsentiert.“

Innere Bilder entfalten ihre ganz eigene Kraft, denn ,unsere Seele denkt in Bildern’.

Sie stellen eine ganz besondere Ressource dar, und der Zugang dazu ist für viele Menschen eine große Entdeckung.

Visualisierungen und Geleitete Phantasien sind eine wunderbare Möglichkeit, Zugang zu den inneren Prozessen eines Menschen zu bekommen (diagnostischer Ansatz) und Veränderungsprozesse einzuleiten (therapeutische Umsetzung).

Entscheidet der Therapeut sich für die körperliche Ebene, sagt er: „Stellen Sie sich vor, irgendwo hier im Raum eine körperliche Haltung einzunehmen, die Ihre Depression darstellt, so etwas wie eine Skulptur.“

Ziel ist es, den Klienten über die Metapher in eine Aktion zu begleiten. Der sprachliche Ausdruck des Klienten hilft oft, eine treffende Metapher zu finden.

Hier ein paar Beispiele: „Ich fühle mich in die Ecke gedrängt“, „Ich werde auf einen Sockel gestellt“, „Ich fühle mich niedergeschlagen“, „Ich bin dann blind vor Wut“, „Ich bin erstarrt vor Angst“, „Ich ziehe mich zurück.“ Das sind Formulierungen, die alle mit der körperlichen Ebene verknüpft sind und deshalb auch körperlich umgesetzt werden können. Diese Metaphern, in welcher Form auch immer körperlich dargestellt, machen den inneren Prozess des Klienten sowohl ihm selbst als auch dem Therapeuten gegenüber deutlicher, prägnanter. Diese erhöhte Prägnanz entfaltet die Kraft, die für eine spätere Lösung notwendig ist.

Wählt der Therapeut den Zugang über die Arbeit mit Objekten, bittet er den Klienten: „Vielleicht setzen Sie Ihre Depression mal in diesen Sessel und sagen ihr, was Sie ihr jetzt sagen möchten.“ Dies ist eigentlich eine Technik aus der Gestalttherapie. Die Arbeit von Fritz Perls mit dem „leeren Stuhl“ war für ihn die Möglichkeit, alle nicht integrierten Teile einer Person real entstehen zu lassen. Durch Dialog, Identifikation im Rollentausch und Konfrontation kommt es schließlich zur Integration, dem Ziel des therapeutischen Bemühens in der Gestalttherapie. Die Arbeit mit Objekten hat auch den Vorteil, dass die inneren Prozesse des Klienten für ihn selbst und den Therapeuten in Form von Symbolen sichtbar nach außen gebracht werden: „Sie können sich weder für das Eine noch das Andere entscheiden? Dann wählen Sie doch bitte einmal einen Gegenstand als Symbol für das Eine und einen Gegenstand als Symbol für das Andere aus dieser Kramkiste (siehe S. 110 ff.).“

John Krops System kurz zusammengefasst:

1. Ich höre dem Klienten zu.

2. Wenn ich ein Anliegen erkenne, erforsche ich es weiter, bis eine genügende Prägnanz hergestellt ist.

3. Dann frage ich den Klienten, ob er mehr über sein Anliegen erfahren möchte, tiefer darauf eingehen, es besser begreifen will.

4. Wenn er zustimmt, haben wir einen Kontrakt. Der Kontrakt beinhaltet die exakte Benennung des Anliegens und ist Grundlage für die Kreierung einer Metapher. Ich lege sehr großen Wert auf den Kontrakt. Ein unklarer Kontrakt kann dazu führen, dass der Klient innerlich nicht die Verantwortung für den folgenden Prozess übernimmt, sondern sie dem Therapeuten zuschiebt.

5. Kann ich das Anliegen symbolisch ausdrücken, eine Metapher finden? Dazu haben wir ja die drei Möglichkeiten: Körper, Objekte, Geleitete Phantasie.

6. Wenn ich noch nicht weiß, welche von den drei Möglichkeiten ich wählen soll, exploriere ich weiter. Dabei arbeite ich ganz normal auf der sprachlichen Ebene: ,Erzählen Sie bitte noch etwas mehr von Ihrem Anliegen‘.

7. Wenn ich mich für eine der Möglichkeiten entschieden habe, kann ich sagen: ,Ich möchte Ihr Anliegen mal körperlich ausdrücken. Setzen Sie sich bitte hier im Raum in einer deprimierten Haltung hin. Ich übernehme dabei das, was Sie herunterzieht oder herunterdrückt. Wo soll ich Sie herunterdrücken oder herunterziehen? Hier oder hier oder wo?‘ Dabei berühre ich ihn in verschiedenen Körperbereichen, z. B. an der Schulter.

Damit ist eine Interaktion entstanden. Dann sehe ich ja, was passiert. Kollabiert er, bietet er Widerstand? Ich kann sagen: ,Was wollen Sie zu dem, was Sie deprimiert sagen?‘ Später könnten wir auch einen Rollentausch machen. Dann kann ich sagen: ,Wollen Sie nun einmal das/der Deprimierende sein?‘ Dann bin ich der Deprimierte, und er ist identifiziert mit dem Teil, dem er sich sonst ausgeliefert fühlt. Dabei geschieht einiges, was anschließend ausgetauscht werden kann.

8. Wenn ich mit Objekten arbeite, bitte ich z.B. den Klienten, seine Depression auf einen Stuhl zu setzen und mit der Depression zu sprechen. Oder ich schlage ihm vor, seine Depression im Sandkasten (siehe Jungscher Sandkasten S. 116 ff.) darzustellen, oder ich bitte ihn, ein Bild zu malen, das seine Depression ausdrückt.

9. Ich kann auch über eine Geleitete Phantasie mit ihm arbeiten. Dann bitte ich ihn, in sich ein Bild aufkommen zu lassen. ,Ich sehe einen Bunker… und da sind Schlitze, und ich kann rausschauen, aber man kann nicht an mich herankommen.’ Dann arbeite ich ganz normal mit den vier Phasen im Rahmen der Geleiteten Phantasie weiter.“

(siehe ab S. 131)

Therapie in Aktion

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