Читать книгу Der Skorpion - Louis Weinert-Wilton - Страница 12
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ОглавлениеAber erst ganz zu unterst stieß der Konsul auf einen Umschlag, der ihn interessierte, und riß ihn ohne viel Umstände auf. Die einfache weiße Karte, die zum Vorschein kam, sah wie eine Einladung oder Familienanzeige aus, aber Karenowitsch hatte kaum einen Blick darauf geworfen, als er diesmal sichtlich außer Fassung geriet. Er starrte mit reglosem Gesicht lange Sekunden auf das Blatt, dann ließ er es endlich sinken und streifte den harrenden Besucher mit einem seltsamen Blick.
»Wer, zum Teufel, macht so alberne Späße?« stieß er zwischen den verbissenen Zähnen hervor, und in Ellis wurden sofort wieder alle Befürchtungen, mit denen er sich seit vielen Wochen herumschlug, wach.
»He – vielleicht noch eine Bescherung?« platzte er besorgt heraus, und da nicht sofort eine Antwort kam, riß er seinem Teilhaber die Karte ungestüm aus der Hand und trat damit zum Fenster. Und dann fuhr ihm auch bereits ein gewaltiger Schreck in die Glieder: Das sah ja ganz nach dem verdammten Humbug aus, der ihnen schon einmal gehörig zu schaffen gegeben hatte. Aber hatte man denn dieser niederträchtigen Geschichte nicht ein Ende gemacht? – Ein so gründliches Ende, daß man davor für immer Ruhe haben mußte? – Was sollte da auf einmal dieser Wisch bedeuten?
Ellis glotzte auf die sechs unregelmäßig angeordneten Sternchen in der linken oberen Ecke, und dann flogen seine flimmernden Augen über die wenigen Maschinenzeilen.
»Das Geschäft mit Th.W. und jenes im Hafen geht halbpart. Als Anzahlung haben Sie in der Nacht zum 21. d.M. pünktlich um elf Uhr den Betrag von zweitausend Pfund zu erlegen. Der Umschlag mit dem Gelde ist an einem genau drei Meter langen Bindfaden am dritten Geländerpfeiler des Regent’s Canals links von der Canalbridge Street zu befestigen und zum Wasser hinabzulassen. Die endgültige Abrechnung für den 11.V.1936, der sich diesmal nicht wiederholen wird, bleibt offen.«
»Natürlich ist das ein fauler Witz«, wiederholte der Konsul auf die stumme Frage, die in Ellis’ verstörtem Gesicht geschrieben stand, aber es klang nicht sehr sicher. »Diese Leute haben wir samt ihren Sternen ein- für allemal ausgeblasen. Du warst ja selbst mit dabei. Es kann nur sein, daß Elvira zu irgendwelchem hinterhältigen Zweck plötzlich auf diesen blöden Einfall gekommen ist.«
Ellis ließ ein gereiztes Lachen hören und fuhr sich grimmig durch die schütteren rötlichen Haarsträhnen. »Mein Lieber, ich fürchte, es steckt etwas weit Schlimmeres dahinter«, würgte er aus rauhem Halse hervor. »Das Weib ist ja ein tückischer Satan, aber woher sollte es von Wesley und dem andern wissen, he? Wir haben ja bei uns nie ein Wort darüber gesprochen.« Er befeuchtete mit der Zunge die trockenen Lippen, und seine kleinen geröteten Augen flackerten noch unruhiger als sonst. »Es könnte doch sein, daß wir damals nicht das ganze Nest erwischt haben, und daß der eigentliche Mann …«
Der Konsul war plötzlich so übler Laune, daß seine Selbstbeherrschung platzte und alle weltmännische Glasur von ihm absprang. »Scher dich endlich schon zum Teufel!« herrschte er seinen besorgten Freund an. »Ich bin mit dieser verdammten Bande bereits einmal fertig geworden, und wenn sie daran nicht genug hat, wird sie eben nochmals draufzahlen. Bis zu dem gewissen Tage haben wir ja fast noch eine ganze Woche Zeit …«
Er machte eine verabschiedende Handbewegung, und Ellis war zwar noch bedrückter und sorgenvoller, als er gekommen war, aber als er im Abgehen seinen Genossen mit einem mürrischen Blick streifte, wurde er etwas ruhiger und zuversichtlicher. So, wie Iwan Karenowitsch augenblicklich dreinsah, hatte er gar nichts von einem Gent, Herzensbezwinger und mit flimmernden Orden bespickten Konsul an sich, sondern glich einem verteufelt entschlossenen Mann, dem es auf ein Menschenleben und ähnliche Kleinigkeiten nicht ankam. Mit solch einem Verbündeten konnte man vielleicht schließlich doch aus allen Schwierigkeiten heil herauskommen.