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Einem der berühmtesten Ärzte Londons, einer hingebenden weiblichen Pflege, vor allem aber einem gnädigen Walten der Vorsehung war es zuzuschreiben, daß das leblose Bündel, das am Spätnachmittag von der Villenstraße in Kensington aufgelesen worden war, sich bereits zwei Stunden später wieder als völlig lebendige und sogar ziemlich heile junge Dame präsentierte.

Der Unfall, der im ersten Augenblick so schlimm ausgesehen hatte, war für Alice Parker überraschend glimpflich abgelaufen. Der schwere Wagen hatte sie offenbar bloß gestreift und beiseite geschleudert, denn außer einer leichten Quetschung in der Hüftgegend und einigen Hautabschürfungen an der Stirne, die von dem Sturze herrührten, hatte die gründliche Untersuchung keine ernsteren Verletzungen ergeben. Auch die Bewußtlosigkeit erwies sich lediglich als eine Folge des erlittenen Schocks, und der alarmierte Sir Herbert ging mit einem befreiten Lächeln, denn es hätte ihm in diesem Falle ganz besonders leid getan, wenn er dem Herrn des Hauses einen ungünstigeren Bescheid hätte bringen müssen.

Nur für alle Fälle hatte er völlige Ruhe verordnet, aber kaum war Alice ihrer letzten Benommenheit Herr geworden, als sie auch schon zum Aufbruch drängte. Die rosige ältere Frau, die sich ununterbrochen mit mütterlicher Besorgtheit um sie bemühte, fand diesen Wunsch verständlich.

»Wenn Sie darauf bestehen, Miß, dürfen wir Sie natürlich nicht zurückhalten. Man wird sich ja daheim um Sie ängstigen. Aber ein Viertelstündchen müssen Sie sich schon noch gedulden. Wir werden nur rasch Ihre Sachen in Stand setzen. So können wir Sie unmöglich aus dem Hause lassen.«

Sie deutete mit einem kurzen Wink auf die Kleider, die in der ersten Verwirrung über einen Stuhl geworfen worden waren, und ein zweites jüngeres weibliches Wesen raffte diese auch schon auf und flog damit davon. Die freundliche Frau aber drückte den schönen dunklen Mädchenkopf sanft in die Kissen zurück, und Alice Parker fügte sich willig. Sie schloß mit einem dankbaren Lächeln die Augen, und plötzlich war es ihr, als ob die letzten Monate bis zu dieser Stunde nur ein böser Traum gewesen wären. Die Gediegenheit ihrer Umgebung und die herzliche Fürsorge, in die man sie hüllte, hatten in ihr die Vergangenheit so lebendig werden lassen, daß sie sich so glücklich und geborgen fühlte wie einst …

Es dauerte nicht ein Viertelstündchen, sondern eine gute halbe Stunde, bis alles in Ordnung war, und dann faßte die Frau das junge Mädchen behutsam unter dem Arm.

»Den Mantel und den Hut werden wir erst unten anlegen, Miß«, sagte sie. »Sie müssen nämlich die Güte haben, Mr. Norman noch einige Minuten zu schenken. Er sagt, er hätte keine Ruhe, wenn er sich nicht selbst überzeugen könnte, daß Sie halbwegs heil davongekommen sind. Das Unglück hat ihn sehr hergenommen. Ich habe ihn noch nie so erschüttert gesehen.«

Aus den Worten der guten Frau klang tiefe Bekümmernis, und in Alice meldeten sich arge Vorwürfe. Nun, da sie bereits völlig klar zu denken vermochte, war sie sich dessen bewußt, daß nur sie allein das böse Geschehnis verschuldet hatte. So gerne sie sich also dieser Begegnung auch entzogen hätte, war es wohl ihre Pflicht, den so erschütterten Mr. Norman nicht nur zu beruhigen, sondern ihm auch einige Worte des Dankes und der Entschuldigung zu sagen.

Um den peinlichen Augenblick tunlichst abzukürzen, legte sie sich diese Worte unterwegs rasch zurecht, aber als es einige Minuten später soweit war, entfielen sie ihr plötzlich …

Der Skorpion

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