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Оглавление»Es ist halb acht, Madam, und wenn Sie erlauben, möchten Mabel und ich nun ausgehen«, sagte fast um dieselbe Zeit der Diener James zu Mrs. Reed. Er war ein hagerer Mann von einigen dreißig Jahren mit einem kantigen Gesicht und etwas gestielten ganz hellen Augen, die ihm kein besonders intelligentes Aussehen gaben. Aber sonst machte er eine recht gute Figur und erwies sich auch in jeder Hinsicht als sehr geschult und verläßlich.
»Bitte …« erwiderte die hochblonde Witwe, hatte aber diesmal überraschenderweise nicht das einfältige Lächeln um den Mund, das von ihr unzertrennlich schien. »Ich hoffe, Sie haben sich alles gemerkt, was zu besorgen ist.«
»Gewiß, Madam«, versicherte der Diener kurz und zog sich mit einer korrekten Verbeugung zurück.
In der Halle schlüpfte er in den vorbereiteten Überrock, und im gleichen Augenblick tauchte auch schon eine große, etwas derbe Frau auf, die aber einmal ganz hübsch gewesen sein mochte. Eitel schien sie auch heute noch zu sein, denn sie stellte sich vor den Spiegel und hatte an ihrer einfachen, aber geschmackvollen Kleidung eine ganze Weile zu ordnen.
»Laß das endlich. Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren«, meldete sich der Mann schließlich ungeduldig, Mabel ließ sich jedoch nicht stören.
»Mach mich nicht nervös«, gab sie scharf zurück und nestelte weiter. »Das könnte ich gerade noch brauchen.«
Als unten die Pforte ins Schloß fiel, warf Mrs.
Reed das Buch, in dem sie bisher mit unruhigen Fingern geblättert hatte, auf den Tisch, und die alte Frau, die ihr in einem Lehnsessel gegenübersaß, gab endlich ein Lebenszeichen von sich.
»Ich möchte auch gerne wieder einmal ins Kino gehen«, äußerte sie in weinerlichem Tone. »Dieses ewige Zuhausesitzen ist schrecklich langweilig.«
»Du hast gar keinen Grund, dich zu beklagen«, schnitt ihr die jüngere das Klagelied ab. »Es ist dir noch nie so gut gegangen wie jetzt. – Wenn die Geschichte vorüber ist, kannst du wieder treiben was du willst …«
Die alte Mrs. Reed verzog schmollend den Mund, war aber doch etwas eingeschüchtert. Sie hatte gar keine Ähnlichkeit mit der eleganten Tochter, sondern sah mit ihrer formlosen Fülle und ihren groben, schwammigen Zügen recht gewöhnlich aus.
»Wie lange wird denn das noch dauern?« fragte sie nach einer Weile vorsichtig.
»Das kann ich dir nicht sagen«, erklärte Mrs. Reed, indem sie sich erhob. »Vor allem müssen wir den Schmuck haben.«
Die Frau im Lehnsessel schob die dicke Unterlippe vor und schüttelte enttäuscht den Kopf. »Das kann noch eine Ewigkeit dauern. Der wird schon irgendwo gut versteckt sein. Wo doch die Polizei schon so lange danach sucht …«
»Nun, vielleicht kommt sie endlich doch auf die richtige Spur«, meinte die Witwe, indem sie sich zur Tür wandte. »Laß die Lichter noch bis elf Uhr brennen, dann kannst du dich auch niederlegen. Wenn aber bis dahin jemand anrufen sollte, sag ihm, ich schliefe bereits.«
»Du gehst auch weg?« jammerte die alte Frau, und als die andere nur kurz nickte, fügte sie sehr nachdrücklich hinzu: »Ich sag dir, nimm dich vor dem Russen in acht. Der gefällt mir nicht. Er hat ein so schrecklich falsches Geschau …«