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Auf der 37. Polizeistation in West Brompton gab es, wenn nicht gerade auf dem nahen Ausstellungsgelände oder den Fußballplätzen etwas Besonderes los war, keinen allzu scharfen Dienst. Die Station war in einem kleinen, alleinstehenden Hause unweit der Bahnstrecke untergebracht, und es ging dort jahrein, jahraus ebenso still zu, wie in dieser ganzen Gegend.

Um sieben Uhr hatte sich der alte Inspektor in seinen häuslichen Kreis zurückgezogen, und eine Stunde später war auch der Sergeant gegangen, und der Patrouillenführer Young hatte den Nachtdienst übernommen.

Der Mann stopfte seine Pfeife, setzte sich an den beklecksten Schreibtisch zwischen den beiden Fenstern und holte ein Bündel Zeitungen hervor, um sich zu unterrichten, wie die Tips für die nächsten Wettspiele lauteten. Da das Büro im oberen Stockwerk war und kein Gegenüber hatte, fand er es nicht einmal notwendig, die Vorhänge herabzulassen. Draußen herrschte ein ziemlich starker Wind mit zeitweiligen Regenschauern und eine derartige Dunkelheit, daß nur die Lichter der Bahnlinie aus ihr hervorstachen.

Nach etwa einer Stunde polterte plötzlich Sergeant Huggins vom Yard mit großem Diensteifer zur Tür herein.

»Inspektor Sharp noch nicht hier?« fragte er ziemlich außer Atem.

»Nein«, erwiderte der überraschte Patrouillenführer. »Ist was Besonderes los?«

»Das weiß ich nicht, mein Lieber«, erklärte Huggins mit einem Achselzucken. »Ich soll den Inspektor um neun Uhr hier erwarten.« Er schob den Ärmel seines Regenmantels zurück und sah auf seine Armbanduhr. »Na, es fehlen noch acht Minuten. Da kann ich mich vielleicht noch ein bißchen ausschnaufen. Ich habe ein gehöriges Tempo einschlagen müssen, um zurechtzukommen …«

Er legte nicht erst ab, sondern setzte sich auf den zweiten Sessel, der beim Schreibtisch stand, nahm eine der Zeitungen auf und begann darin zu blättern. Sein Tempo mußte wirklich sehr scharf gewesen sein, denn er atmete nicht nur sehr lebhaft, sondern auch seine Hände zitterten merklich.

»Nummer eins …« murmelte im Schatten eines alten Schuppens etwa dreißig Schritte schräg gegenüber ein erwartungsvoller Mann, als Sergeant Huggins in der Polizeistation verschwunden war. – Und nach weiteren zehn Minuten: »Aha – und hier haben wir Nummer zwei. – Damit wären wir also beisammen, und es kann losgehen …«

Auch Inspektor Sharp kam sehr lebhaft und mit einer hastigen Frage auf den Lippen.

»Wieviel Leute haben Sie auf der Station zur Verfügung?«

»Sechs, Sir«, meldete der Diensthabende. »Acht sind im Dienst.«

»Und der Inspektor und der Sergeant?«

»Zu Hause, Sir. Aber beide wohnen nicht weit und können in ein paar Minuten hier sein.«

Sharp begann mit nervösen Fingern seinen nassen Überrock auf- und wieder zuzuknöpfen und nagte an den Lippen. Dann trat er an eines der Fenster, legte die Hände auf den Rücken und starrte in das Dunkel hinaus. Er schien offenbar etwas zu überlegen, aber zu keinem Entschlusse kommen zu können.

Der Patrouillenführer wartete gespannt, Sergeant Huggins aber studierte mittlerweile sehr angelegentlich die große Rayonkarte, die nächst der Tür hing.

Plötzlich ertönte draußen mehrmals hintereinander ein auffallend schrilles Hupensignal, und Young reckte sich unwillkürlich, um Ausblick zu gewinnen. An der Station führte ein Weg vorbei, der von Walham Green herüber kam, bei dem Hause nach links abbog und eine kurze Strecke weiter hinter einer aufgelassenen Fabrik wieder in der ursprünglichen Richtung weiterlief.

»Donnerwetter«, murmelte der Diensthabende verwundert, »hat der Mann an seinem Wagen eine komische Beleuchtung aufgesteckt …«

Im selben Augenblick fuhr Inspektor Sharp herum, griff nach seinem Hut und stürmte auch schon die Treppe hinunter …

Die Gestalt bei dem Schuppen gegenüber sah ihn aus dem Hause stürzen und dem Auto nacheilen, das in verlangsamter Fahrt längs einer Fabrikmauer hinrollte und dann um deren Ecke verschwand. Von dem Wagen war nicht mehr auszunehmen als einige Lichter, aber diese waren ganz ungewöhnlich. Sie bestanden aus sechs unregelmäßig angeordneten kleinen Glühlampen, die sich wie Sterne von der dunklen Windscheibe abhoben.

Der lauernde Mann setzte sich flink in Bewegung, um mit dem eiligen Inspektor auf gleiche Höhe zu kommen, aber es gelang ihm nicht. Sharp erreichte die Wegbiegung um eine Minute früher, gleich darauf wurde eine Wagentür zugeschlagen, und als der andere endlich um die Ecke bog, war das Auto bereits verschwunden.

Assistent Denby war von diesem Vorgang, der sich eben vor seinen Augen abgespielt hatte, so in Anspruch genommen, daß er diesmal nicht dazu kam, seinen Gedanken Ausdruck zu geben. Er trachtete vielmehr so rasch und so unbemerkt wie möglich nach der Brompton-Station zu gelangen, in deren Nähe er seinen kleinen Wagen abgestellt hatte. Diesen netten Zweisitzer benutzte Guy Denby ausschließlich zu Privatfahrten, bei denen er nicht gesehen zu werden hoffte, denn im Yard hatte man, wie für Blumen im Knopfloch, auch für Privatautos gar kein Verständnis. Gab es doch schon immer höchst mißgünstige und bedenkliche Augen, wenn er einmal in einer schäbigen Taxi vorgefahren kam, weil er sich ein wenig verspätet hatte …

Mittlerweile konnte sich auf der Station der Patrouillenführer Young über den wortlosen eiligen Abgang des Inspektors Sharp nicht genug wundern. »Er ist ja geradezu davongerannt«, sagte er, »und ich möchte wetten, daß das mit dem Wagen mit den komischen Lichtern zusammenhing. – Haben Sie sie gesehen?«

Sergeant Huggins zeigte sich gar nicht verwundert, sondern saß ruhig beim Schreibtisch und las sehr vertieft. »Nein«, erklärte er hinter der Zeitung hervor, »ich habe mir gerade Ihren Rayon angeschaut.«

»Das war eine richtige Illumination«, fuhr der andere fort, indem er rasch einige Punkte auf ein Blatt Papier malte und dieses dem Sergeanten zuschob. »Die sechs Lichter standen beiläufig so. – Vielleicht war das ein Zeichen für den Inspektor. – Haben Sie denn wirklich keine Ahnung, was er hier wollte?«

Der diensteifrige Huggins streifte die Zeichnung nur mit einem flüchtigen Seitenblick, und dann kam wieder einmal sein gekränkter Ehrgeiz zum Ausbruch. »Mein Lieber, im Yard hat unsereiner nie eine Ahnung von dem, was die Vorgesetzten vorhaben«, sagte er bitter. »Bei Mr. Sharp schon gar nicht. Vielleicht erfahren wir’s, wenn er zurückkommt.«

Aber Inspektor Sharp kam nicht zurück, und als es bereits gegen Mitternacht ging, dauerte dies selbst dem geduldigen und schweigsamen Sergeanten Huggins zu lange.

»Tragen Sie in Ihr Journal ein, daß ich bis elf Uhr vierzig gewartet habe«, sagte er nach einem Blick auf die Uhr zu dem Patrouillenführer. »Damit ich mich darauf berufen kann, falls der Inspektor doch noch kommen und morgen ungemütlich werden sollte. – Aber man kann doch von mir nicht verlangen, daß ich die ganze Nacht aufs Geratewohl hier herumsitze. Wer weiß, ob er sich’s mittlerweile nicht schon längst anders überlegt hat.«

Der Skorpion

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