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Ein Raubzug nach Juwelen
ОглавлениеUngefähr acht Tage später gab Mr. William Ellis, ein Mann, der in verschiedenen Erdteilen ein sehr ansehnliches Vermögen gemacht zu haben schien, in seiner prunkvoll eingerichteten Mietvilla in Kensington einen großen Abend. Die Gäste, die – etwa vierzig an der Zahl – erschienen waren, führten zwar keine gewichtigen gesellschaftlichen Namen, und auch die obere Schicht der Citywelt war nicht vertreten, aber es waren durchwegs Leute mit viel Geld. Dafür sprachen auch die erlesenen Juwelen der Damen, die von ihren glücklichen Besitzerinnen in offenkundigem Wettbewerb zur Schau getragen wurden; aber selbst der kostbarste und reichste Schmuck mußte vor dem Schimmer der haselnußgroßen Perlen und dem Feuer der Diamanten, mit denen die Frau des Hauses, eine geborene Portugiesin, behangen und besteckt war, verblassen. Man tröstete sich jedoch damit, daß all dieser Glanz noch immer nicht genügte, um den ganz besonderen dunklen Punkt, den es bei Mrs. Elvira Ellis gab, zu übertünchen.
Etwa um Mitternacht fühlte sich die Frau des Hauses durch ihre Inanspruchnahme plötzlich sehr ermüdet und zog sich für eine Weile in ihre Räume zurück. Man vermißte sie nicht und bemühte sich auch nicht sonderlich, ihrer habhaft zu werden, als man aufbrach. Erst als die letzten Gäste und die Aushilfsdienerschaft das Haus bereits längst verlassen hatten, wurde Mrs. Elvira von ihrer Zofe in einem derart festen Schlafe angetroffen, daß dem Mädchen nichts anderes übrigblieb, als die Herrin selbst auszukleiden und zu Bett zu bringen.
Die erschöpfte Dame schlief bis tief in den nächsten Tag hinein, und erst nach ihrem Erwachen stellte sich heraus, daß man sie, offenbar noch während alle Räume voll Leute gewesen waren, wie einen Christbaum abgeklaubt hatte. Nur die Ringe hatte man ihr belassen, weil es wohl zu zeitraubend gewesen wäre, sie von den fleischigen Fingern zu streifen.
Und während man noch an einen Einzelfall dachte, der vielleicht auf besondere Umstände zurückzuführen war, ereigneten sich bereits in den allernächsten Tagen vier weitere derartige Diebstähle, und es waren auch dabei immer die Gastgeberinnen, die die Opfer wurden; unter ihnen Mrs. Reed, eine junge Witwe aus Australien, die in unmittelbarer Nähe von Mrs. Ellis wohnte und mit dieser auch ziemlich viel verkehrte.
Scotland Yard nahm die Untersuchung dieses förmlichen Raubzuges mit seiner bewährten systematischen Gründlichkeit auf, kam jedoch zu keinem raschen Erfolg, sondern zunächst bloß zu einigen bedeutsamen Feststellungen. Erstens ergab sich, daß bei allen diesen Gelegenheiten fast immer dieselben Gäste anwesend gewesen waren, und zweitens berichteten alle Betroffenen, sie wären blitzartig von einer derartigen Müdigkeit befallen worden, daß sie überhaupt keinen anderen Gedanken hatten, als den, schleunigst ein wenig zur Ruhe zu kommen. Nur so ließ es sich auch erklären, daß die letzten Opfer trotz der früheren Fälle, die ja mit allen ihren Einzelheiten allgemeinen Gesprächsstoff bildeten, sich der Gefahr gar nicht bewußt wurden und daher auch keinerlei Vorsichtsmaßnahmen trafen.
Über diese sonderbaren Schwächeanwandlungen war man sich bereits im klaren, denn bei einer der Frauen konnten noch die Spuren eines Narkotikums nachgewiesen werden, dessen Art die Ärzte und Chemiker allerdings nicht näher zu bestimmen vermochten. Jedenfalls handelte es sich aber offenbar um planmäßig vorbereitete und mit besonderem Raffinement ausgeführte Anschläge, für die das bekannte Verbrechertum kaum in Betracht kam. Auf alle Fälle behielt man jedoch auch dieses und die Hehlerwelt schärfstens im Auge, während man in aller Stille nach einer etwas konkreteren Spur forschte.
Es war dies eine sehr mühevolle und heikle Arbeit, die für die Ungeduld der erregten Öffentlichkeit viel zuviel Zeit in Anspruch nahm.