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Drei kurze, aber ungewöhnliche Briefe
ОглавлениеAn einem nebelverhangenen Februartage waren in verschiedenen Stadtteilen Londons drei Briefe zugestellt worden, die ihren Empfängern ziemlich zu denken gaben. Die billigen farbigen Umschläge deuteten auf irgendeine belanglose geschäftliche Anzeige hin, aber der Eindruck täuschte, denn der Inhalt war ungewöhnlich und für jene, die er anging, wirklich bedeutsam.
Die eine dieser Mitteilungen lautete:
»Ich brauche Sie. Warten Sie nächsten Donnerstag Schlag elf Uhr abends an der Ecke Cattle Market – Market Road, und steigen Sie in den Wagen, der bei Ihnen halten wird; er wird Sie an einen Ort bringen, wo wir uns ungestört aussprechen können. Es liegt in Ihrem Interesse, dieser Einladung nachzukommen, denn sollten Sie dies nicht tun oder gar auf irgendeine Hinterhältigkeit verfallen, so würden Sie sich dadurch sehr ernste Unannehmlichkeiten bereiten. Ich erinnere Sie bloß an die gewissen drei Schließfächer. Es wäre aber eine völlig unnütze Bemühung, wenn Sie diese nun etwa rasch räumen wollten, denn erstens würde ich von allen Ihren Schritten erfahren, und zweitens habe ich vorläufig keine Veranlassung, Sie in Schwierigkeiten zu bringen. Falls Sie aber unsere Zusammenkunft vereiteln, werde ich allerdings dafür sorgen, daß Sie noch in derselben Nacht eine für Sie weit bedenklichere Unterredung zu bestehen haben werden …«
Der Mann, an den diese Worte gerichtet waren, las sie mit einem Gemisch von schreckhafter Bestürzung und ohnmächtiger Wut. Schreiben solcher Art waren ihm zwar nicht fremd, aber bisher waren sie immer von ihm selbst ausgegangen. Er hätte die Sache auch unbedingt als albernen Scherz aufgefaßt, wenn die fatale Andeutung von den drei Safes nicht gewesen wäre.
Wer davon Kenntnis hatte, dem war sicher noch mehr bekannt, und die Drohung mit der »weit bedenklicheren Unterredung« war daher verdammt ernst zu nehmen. Der Aufforderung einfach nachzukommen, wie der Brief es verlangte, war also vielleicht gefährlich, etwas dagegen zu unternehmen aber unter diesen Umständen ein noch größeres Wagnis. Schließlich hatte es ja schon viele Leute gegeben, die seine Dienste in Anspruch genommen hatten, nur der Ton paßte dem Manne nicht. Er war nicht gewohnt, daß man ihm so kam. Der andere mußte sich sehr stark fühlen, daß er dies wagte, obwohl er doch sicher genau wußte, mit wem er es zu tun hatte. Aber das Blatt würde sich vielleicht rasch wenden, wenn man erst eine Ahnung hatte, wer mit so gefährlichen Kenntnissen herumlief …
Diese Erwägungen ließen es dem besorgten Manne geraten scheinen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, aber er wollte doch einiges vorkehren, um nicht etwa in eine Falle zu tappen …
Bei dem Empfänger des zweiten, ähnlichen Briefes ließ der Schreck irgendwelche Bedenken überhaupt nicht erst aufkommen. Für ihn gab es kein langes Überlegen und keine Vorkehrungen, sondern er mußte einfach gehorchen, denn auch in seinen Zeilen fehlte es nicht an einer sehr ernsten Wendung.
»Ich weiß, daß Sie sich in großen Schwierigkeiten befinden«, hieß es darin, »weil Ihr bescheidenes Einkommen für Ihre Passionen nicht ausreicht. Frauenbekanntschaften sind sehr kostspielig. Ich finde es daher begreiflich, daß Sie gelegentlich verschiedenen Spielklubs kleine Gefälligkeiten erweisen, aber andere Leute dürften darüber viel engherziger denken, falls sie davon erführen. Wenn Sie das vermeiden wollen, warten Sie nächsten Donnerstag pünktlich um Mitternacht gegenüber der Maiden Lane Station, und steigen Sie in den Wagen, der vor Ihnen halten wird. Er wird Sie an einen Ort bringen, wo wir uns ungestört aussprechen können, was Ihnen nur Vorteile bringen wird …«
Am ruhigsten blieb der Empfänger des dritten Briefes. Er hatte auch keinen Grund, sich zu erregen, denn die kurze Mitteilung enthielt diesmal keine Drohung, sondern eher eine Verheißung. Sie besagte nämlich:
»Es ist möglich, daß ich Ihnen gelegentlich in dieser oder jener wichtigen Sache dienlich sein kann. Halten Sie dieses Blatt gegen das Licht, und merken Sie sich das Zeichen, das in der linken oberen Ecke eingestochen ist. Sollten Sie ihm einmal begegnen, so können Sie manches erfahren, was zu wissen für Sie von Wichtigkeit sein wird. Einen andern Weg kann ich aus gewissen Gründen nicht wählen, und es ist auch keiner so zuverlässig.«
Nachdem der dritte Mann das Blatt wirklich gegen das Licht gehalten und sekundenlang auf die unregelmäßig angeordneten sechs hellen Pünktchen gestarrt hatte, schob er es bedächtig wieder in den Umschlag und barg diesen in seinem abgegriffenen Taschenbuche. Auch ihm waren derartige Briefe nicht fremd, aber er pflegte sie weder zu überschätzen, noch kurzweg abzutun. Manchmal war es ein bloßer Bluff, aber zuweilen steckte wirklich etwas dahinter.
Man würde ja sehen, was es diesmal war …