Читать книгу Liebe kennt deine Grenzen - Ludwig Schwankl - Страница 13

DER GRUNDSTEIN WIRD IN UNSERER KINDHEIT GELEGT

Оглавление

Jede Form von Bindungstrauma führt uns entweder zu einer Wunde der Verlassenheit oder zu einer Wunde der Vereinnahmung zurück, die, je nach Intensität, die Verbindung mit unseren eigenen Grenzen und Bedürfnissen in unterschiedlichen Graden durchtrennt hat. Wenn ich hier von emotionalen Wunden spreche, dann meine ich damit weniger punktuelle traumatisierende Ereignisse und Situationen, sondern den Gesamtkontext der Bindungsmuster, die wir als Kinder erfahren haben. Und weil wir diese Wunden nie nur einseitig erfahren haben, ist in uns sowohl das Potenzial angelegt, in Beziehungen vollständig abhängig zu sein (= Wunde der Verlassenheit und Ablehnung) als auch die Rolle des stets bindungsängstlichen Parts einzunehmen, der sich schnell eingeengt fühlt (= Wunde der Vereinnahmung).

Viele Menschen machen die Erfahrung, in unterschiedlichen Beziehungen – oder sogar in der gleichen Beziehung – mal mehr mit dem einen, mal mehr mit dem anderen Anteil in ihnen identifiziert gewesen zu sein. Die Wahrheit ist: Solange wir in Mustern unsicherer Bindung gefangen sind, agieren wir meist entweder die eine oder die andere Rolle aus und tun uns schwer, wirklich Beziehungen auf Augenhöhe zu führen, zumal wir sichere Bindung im Rahmen der unsicheren Bindungsagenda (sosehr wir uns auch bewusst danach sehnen mögen) meist gar nicht attraktiv finden.

Wir müssen nicht aus einem absolut zerrütteten Elternhaus kommen, um unsichere Bindungsmuster in uns zu tragen oder Bindungstraumata erlitten zu haben. Wir können sogar auf der Ebene des uns Bewussten absolut davon überzeugt sein, in einem gut behüteten Elternhaus aufgewachsen zu sein, in dem unser Bedürfnis nach Zuwendung und Liebe genauso erfüllt wurde wie unser Bedürfnis nach Autonomie. Dies kann einerseits durchaus zutreffen, andererseits kann es sich um eine Selbstschutzstrategie handeln, die das Bild unserer Eltern und unserer Kindheit beschönigt. In meiner Wahrnehmung geht es allerdings nicht so sehr darum, was uns passiert oder eben nicht passiert ist. Es geht vielmehr um die darunterliegenden Energien, mit denen wir in unserem Bindungskontext konfrontiert waren, und es geht darum, was diese emotional-energetisch mit uns gemacht haben.

Egal, ob deine Mutter oder dein Vater offensichtlich bedürftig waren und tatsächlich Erwartungen an dich gestellt haben, die dir als Kind zu viel waren, oder ob du einfach nur die Bedürftigkeit deiner Eltern auf subtiler Ebene gespürt hast, ihre Überforderung, ihren Mangel, ihren Schmerz und wie sie mit allen Mitteln versucht haben, dies von dir abzuschirmen: Allein das Spüren dieser Energie – allein die Konfrontation damit auf einer subtilen, energetischen Ebene – kann traumatische Spuren in unserem Unterbewusstsein hinterlassen, die wir auf bewusster Ebene oft nicht deuten können. So ist schließlich eine Wunde der Vereinnahmung entstanden, weil du als Kind diese Bedürftigkeiten, Mangelgefühle oder Erwartungen offensichtlich nicht erfüllen konntest. Dies wiederum hat deine Grenzen destabilisiert und emotionalen Nährboden für Schuldgefühle bereitet, die du nun in deinen Beziehungen zu unterdrücken versuchst, indem du dich mit allen Mitteln gegen die Bedürfnisse deines Gegenübers wehrst.

Oder ein anderes Beispiel: Egal, ob deine Eltern dich mit Liebe überschüttet haben oder du offensichtlich nicht die Aufmerksamkeit und Präsenz bekommen hast, die du eigentlich gebraucht hast: Wenn du als Kind den Mangel innerer Präsenz in deinen Bezugspersonen gespürt hast, hast du energetisch diesen Mangel absorbiert und dich verlassen und unsicher gefühlt, und zwar selbst dann, wenn deine Eltern sich noch so große Mühe gaben, dir ihre Zuwendung zu geben.

Ich rate davon ab, dir zu sehr den Kopf darüber zu zerbrechen (außer diese Erkenntnisse kommen intuitiv), warum du Beziehungen führst und wie du sie führst, obwohl doch deine Eltern alles richtig gemacht haben. Als Kinder sind wir unglaublich feinfühlig für die Energien, die – unabhängig von Verhalten und Kommunikation – auf uns einwirken. Wir reagieren dementsprechend irritiert darauf, wenn wir hier Ungereimtheiten wahrnehmen. Vor allem hochempathische Menschen neigen in der Kindheit dazu, unverarbeitete Lasten ihrer Eltern zu absorbieren und daraus Muster in ihrem eigenen Leben zu entwickeln, die viel mehr mit dem Traumaprofil der Eltern zu tun haben als mit dem, was ihnen persönlich in der Kindheit widerfahren ist.

Liebe kennt deine Grenzen

Подняться наверх