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TRANSFORMATION VON BEZIEHUNGEN
ОглавлениеHochempathische traumatisierte Menschen eint in der Regel besonders ein Merkmal, das ich immer wieder beobachten kann: Es ist die Härte zu sich, das mangelnde Mitgefühl mit sich selbst. Ich konnte dies bei mir selbst über viele Jahre beobachten und ich konnte sehen, dass sich diese Härte auch in meiner spirituellen Reise widerspiegelte, auf der ich stets zu übersteigertem Perfektionismus und zu einer Form von Selbstoptimierung neigte.
An jenem Punkt, als ich begann, mich tiefer mit meinen eigenen Traumata auseinanderzusetzen und selbst meine dunkelsten Wesensanteile in diese Ganzheit zu integrieren, konnte ich diese Härte mir selbst gegenüber immer mehr loslassen. Während der spirituelle Ehrgeiz und die Willenskraft bereits ausreichend integriert waren, waren es vielmehr die wachsende Weichheit und das Mitgefühl mit mir selbst, die meine Arbeit auf eine ganz andere Ebene hoben und eine tiefe, versöhnliche Rückverbindung mit meinem Körper, meinen Emotionen und meinen abgespaltenen Traumaanteilen auslösten. Nicht nur war ich geerdeter in meinem Körper, ruhiger und ruhender in mir selbst, auch meine spirituellen Kanäle öffneten sich enorm, meine Wahrnehmung wurde noch feiner und der Healing Space, den ich für andere erschuf, wurde immer weicher, liebevoller und entspannter, sodass Menschen sich immer schneller einlassen und ihre inneren Widerstände dahinschmelzen konnten.
Dieses erste Kapitel des Buches zielte darauf ab, dir vor Augen zu führen, warum du Beziehungen führst, wie du sie führst. Du hast im Selbstcheck vielleicht festgestellt, dass du Beziehungen vor allem im Bereich negativer Emotionsebenen führst und diese mit Liebe assoziierst. Vielleicht hat es dich stellenweise erschreckt, vielleicht hast du dich hin und wieder ertappt gefühlt und vielleicht hat dich dein Verstand auch mit Selbstkritik und Selbstverurteilung gelockt und du hast dich gefragt: Genau so ist es. Warum kann ich das nicht einfach loslassen?
Die Arbeit mit Menschen, die in ungesunden Beziehungen feststecken, hat mich gelehrt, dass Loslassen mit der Brechstange nicht funktioniert, weil es kein Prozess ist, der mental gesteuert werden kann. Viele von uns denken immer noch, Heilung oder Transformation sei eine Sache bloßer Willenskraft. Das mag in gewissen Bereichen unseres Lebens zu einem bestimmten Grad funktionieren, doch in Beziehungen scheitern wir damit, wenn wir mit bloßer Willenskraft loslassen oder neue Muster etablieren wollen. Wir erzeugen dadurch sogar noch mehr Druck, noch mehr Abspaltung und vor allem noch mehr Schuld und Selbstverurteilung in Bezug auf die Anteile in uns, die nicht so funktionieren, wie wir uns das wünschen.
Unsere traumatisierten inneren Kinder brauchen keine Willenskraft, keinen Druck und auch keinen Selbstoptimierungszwang. Sie brauchen Mitgefühl. Sie brauchen Kapazität, um alte unterdrückte Emotionen zu öffnen, und sie brauchen Vertrauen, dass sie nicht für das verurteilt werden, was sie fühlen. Dann erlangen sie Schritt für Schritt die Kapazitäten, die es braucht, um wieder in die Ganzheit unseres Systems zurückzukehren und das loszulassen, was unserem höchsten Wohl nicht dienlich ist. Nicht durch Zwang. Nicht durch Druck. Sondern durch die heilende Ressource von Mitgefühl.