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5. Paulus, der Mystiker

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Gottes Geist, die heilige Geistkraft, wohnt in den Körpern der Menschen, die Gott angehören (6,19). Paulus spricht im Plural, wenn er von den Erfahrungen mit Gottes Geistkraft spricht: „Wir“ alle, die ganze Gemeinde, sind in der Lage Weisheit, die Gott offenbart, in Worte zu fassen, ja sogar öffentlich darüber zu reden (2,6–10). Aber „wir“, die Gemeinde, sprechen auch die Sprache der Engel (13,1; 2,6–16) und erforschen die verborgenen Tiefen Gottes. Die Sprache, mit der Paulus über den göttlichen Geist spricht, ist maßlos („alles“ z. B. 13,7) und begeistert. Paulus erzählt ähnlich von seinen eigenen Gotteserfahrungen (15,8–10; 2 Kor 12,2–5). Aber er beschränkt diese ekstatische Gotteserfahrung, die das ganze Leben verändert, nicht auf sich oder einen kleinen Personenkreis. Die paulinische Mystik ist eine demokratisierte Mystik (13,1–13).

Die messianische Gemeinschaft in Korinth besteht mehrheitlich aus wenig gebildeten, aus schwer arbeitenden und von Gewalterfahrungen verletzten Menschen. Welcher Kontrast zwischen diesem überbordenden Gottvertrauen und ihrer Lebenswirklichkeit! Die Gotteserfahrung, die Sicherheit, dass Gottes Geist in ihnen wohnt, war ihre Kraftquelle. Paulus hat ihnen nicht eine neue „Lehre“ gebracht. Er und andere Männer und Frauen haben Menschen gelehrt, in der Tora und in ihrem Leben nach Gott zu forschen und aus dieser Quelle Kraft zu schöpfen.

Der erste Brief nach Korinth liest sich mühselig, wenn er auf der Suche nach Gegnern, Streit und Lehrauseinandersetzungen gelesen wird. Der Brief verwandelt sein Gesicht, wenn man vom Beginn an die Sprache der Begeisterung und des Glücks über den großen Reichtum hört und ernst nimmt. 1,4–9 ist nicht eine in Briefen stereotype Danksagung, sondern ein in Anrede an die Geschwister verwandeltes Gebet des Lobpreises. Keine Begabung fehlt euch! (1,7) Ist das höfliche Übertreibung, taktisches Gerede? Es wäre schade um den Reichtum, der bei solcher Lektüre unentdeckt bliebe. Bereits dieser erste Abschnitt des Briefes ist geprägt von Wörtern, die Fülle, ja sogar Maßlosigkeit ausdrücken: Ihr seid reich – in jeder Hinsicht (1,5), an allem. Diese Sprache durchzieht den Brief; es lohnt, sich auf eine eigene Spurensuche nach dem Mystiker Paulus zu begeben, nach den Mystikerinnen und Mystikern in Korinth, einer messianischen Gruppe dieser Hafenstadt Griechenlands Mitte des 1. Jahrhunderts.

Der erste Brief an die Gemeinde in Korinth

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