Читать книгу Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12) - Madeleine Puljic - Страница 45
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Kessaila, Kepraunsystem
Die Röhre war eng, gerade mal einen Meter im Durchmesser. Das wäre kein Problem gewesen, doch was Rhodan in der Übersicht für einen horizontalen Technikzugang gehalten hatte, erwies sich als eine Art Abwasserrohr, das zehn Zentimeter hoch mit einer undefinierbaren Brühe gefüllt war. Schimmel und andere Ablagerungen bedeckten die rostige Verschalung. Alle paar Meter tropfte irgendwas Kaltes in Rhodans Nacken und sickerte in seinen Kragen.
Fluchend und zitternd kroch er durch den Kanal und bemühte sich, dabei möglichst flach zu atmen. Der Gestank war bestialisch. In modernen Raumfahrtzivilisationen war es immer ein Leichtes, sich hoch entwickelt und technologisch unabhängig zu fühlen. Aber Fakt war: Gewisse körperliche Vorgänge blieben nun mal notwendig. Das galt in der Gegenwart wie vor dreitausend Jahren. Sanitäranlagen mochten noch so fortschrittlich sein – die Technik dahinter blieb doch dieselbe. Irgendwohin musste der Dreck ja verschwinden. Im Konverter oder nach alter Schule in der Kanalisation. Die Ritter hatten sich wohl für Letzteres entschieden.
Und wenn das Rhodan zur Flucht verhalf, würde er sich nicht beschweren. Oder nur ein bisschen. Verflucht, dass es aber auch dermaßen stinken musste!
Vierhundert Meter lang war der Schacht laut Plan. Rhodan hätte geschworen, dass er bereits wesentlich mehr zurückgelegt hatte, als vor ihm ein Schott auftauchte. An der Unterseite waren kleine Lamellen eingebaut, durch die das Wasser hindurchrann. In der Mitte der Gangsperre prangte ein dicker, schimmelbesetzter Riegel.
Rhodan tastete über die Oberfläche, fand jedoch keinen Sensor, keine Eingabefläche. Dann erspürten seine Finger eine Rille, und mit einem leisen Klicken schnappte der Verschluss auf.
Erleichtert atmete Rhodan auf und bereute es angesichts des Gestanks sofort wieder. Doch die Barriere ließ sich nun nach außen aufdrücken. Dabei quietschte und knirschte sie erbärmlich. Allzu oft wurde dieser Kanal offenbar nicht genutzt.
Rhodan kroch durch das Schott. Auf der Außenseite war es glatt, sauber – und ohne einen Öffnungsmechanismus. Es war wohl sein Glück, dass er aus dem Allerheiligsten ausbrechen wollte. Einzubrechen wäre eindeutig schwieriger gewesen.
Aber noch hatte er es nicht geschafft. Ein paar Meter weiter endete die Röhre, das Abwasser fiel durch ein Gitter in einen darunterliegenden Sammelbehälter, der glücklicherweise durch eine olfaktorische Barriere abgeschirmt war. Dahinter endete der Tunnel, dem Rhodan bisher gefolgt war. Das Rohr knickte um neunzig Grad nach oben und wurde zu jenem Luftschacht, den er in der Übersicht gesehen hatte. Das war Möglichkeit B. Möglichkeit A lag unmittelbar vor ihm: ein weiteres Schott. Wenn er den Lageplan richtig interpretierte, würde er dadurch direkt nach draußen gelangen. Rhodan versuchte es erst mal damit.
Diesmal fand er den Entriegelungsmechanismus schneller. Es klickte, und als er die Sperre aufdrückte, wallte ihm tatsächlich frische Luft entgegen. Gierig sog Rhodan den Geruch der Stadt ein. Noch nie hatte Zivilisation so willkommen geduftet.
Vorsichtig blickte er sich um. Er befand sich an der Außenseite des Adytons, aber noch immer im Innern der Zitadelle. Vor ihm lag der Zwischenbereich, in dem die Ritter bei der Ankunft ihren Gleiter abgestellt hatten.
Von dem Prangerwagen war zwar keine Spur zu sehen, aber ein paar hellgraue Gleiter parkten nur wenige Meter von Rhodan entfernt ... unmittelbar neben den Wacheinheiten, denen sie offensichtlich gehörten. Rhodan zählte sechs Wachen, wovon mindestens zwei Roboter waren. Die musste er als Erste loswerden.
Er sah in die andere Richtung. Dort, am Eingang zum Adyton, fanden sich weitere Wachen, und die waren eindeutig alle lebendig. Rhodan schätzte die Distanz. Fünfzig Meter mit einer fremden Kombiwaffe und ohne Zielhilfe eines Einsatzanzugs, dabei keine Zeit für Fehlschüsse. Ein Risiko, aber er musste es versuchen. Er zielte und drückte ab. Vier Wachen, vier Schüsse. Vier Gestalten, die lautlos in sich zusammensackten.
Augenblicklich kam Bewegung in die Wächter an den Gleitern. Die Gruppe teilte sich. Eine Wache eilte zu ihren Kollegen, um Hilfe zu leisten. Zwei weitere zogen die Waffen und begannen, die Umgebung abzusuchen.
Damit blieben drei Wachpersonen an den Gleitern zurück. Und eine davon war definitiv ein Roboter, dem ein Paralysestrahl nichts anhaben würde.
Zeit für Plan B. Nur dass Rhodan noch über keinen solchen verfügte. Aber das hielt ihn nicht auf. Nicht umsonst war er als Sofortumschalter bekannt – unter Druck arbeitete er am besten.
Rhodan rannte los. Noch während er lief, feuerte er auf die verbliebenen Wachen. Zwei fielen um. Die dritte erwartungsgemäß nicht. Rhodan aktivierte an seiner Waffe die Impulsstrahlerfunktion und feuerte. Der Energieschirm des Roboters flammte auf, der Strahl blieb wirkungslos.
Plan C. Rhodan schoss auf den Gleiter hinter der Wachmaschine. Das Fahrzeug explodierte, die Druckwelle wirbelte den Roboter mitsamt seinem Schirm davon.
Bevor irgendjemand das Feuer erwidern konnte, erreichte Rhodan bereits den vordersten noch intakten Gleiter. Er riss die Tür auf und zuckte zurück, als er darin einen weiteren Wächter vorfand. Es war pures Glück, dass dieses Wesen ebenso verdattert war wie Rhodan selbst. Vermutlich hatte die Wache sich in ihrem Gleiter sicher gefühlt.
Diesen Glauben musste Rhodan dem Gegner nehmen. Sein Strahler war immer noch auf Impulsenergiefunktion gestellt, also knallte er dem Geschöpf die Waffe an die Schläfe – oder an das, was Rhodan dafür hielt. Die Wache verdrehte die überdimensionalen Glupschaugen und sackte zusammen.
Rhodan zerrte sein Opfer aus dem Gleiter und kletterte selbst hinein. Er zog die Tür des Fahrzeugs zu, sah auf die Bedienelemente und stöhnte. Vertraute Technik war in dieser Galaxis definitiv Mangelware. Aber Gleiter funktionierten allerorten ziemlich ähnlich. Rhodan fand die Zentralverriegelung und auch den Startknopf.
Der Gleiter machte einen Satz nach vorn und rammte das dort parkende Fahrzeug. Der Antrieb erstarb mit einem elektronischen Seufzen. Eine dünne Rauchfahne stieg zwischen den beiden Gleitern auf.
Mist!
Rhodan drückte erneut auf den Startknopf. Mit leichtem Stottern erwachte der Gleiter ein zweites Mal zum Leben. Diesmal war Rhodan auf den Vorwärtsdrang des Gefährts gefasst und betätigte rechtzeitig die Bremse. Behutsam parkte er aus, auch wenn er im Rückholo bereits die Wachverstärkung heranstürmen sah. Ein weiterer Unfall würde seine Flucht nicht beschleunigen. Sobald er den Engpass hinter sich gelassen hatte, gab er Gas.
Die Wachen am Tor der Zitadelle sprangen im letzten Augenblick zur Seite. Sie feuerten auf Rhodan, aber der Gleiter verfügte offenbar über einen schwachen Schutzschirm, der sich selbsttätig aktiviert hatte. Ausreichend, um den Strahlerschüssen der Wachen lange genug standzuhalten, bis Rhodan das Tor passiert hatte und in die Straßen der Stadt eintauchte.
Im ersten Augenblick nahm Rhodan kaum etwas wahr außer dem Pochen seines Herzens, das rasant Blut durch seine Adern pumpte, und den vielfältigen Einwohnern Kessailas, die erschrocken Platz machten, als ein Fahrzeug der Ritter auf sie zubrauste.
Rhodan zog den Gleiter hoch, um wenigstens den Fußgängern auszuweichen, aber er hätte ebenso gut mit Blaulicht und Sirene unterwegs sein können. Der Verkehr in der Nähe kam zum Erliegen, jeder versuchte, ihm so großflächig wie möglich auszuweichen. Das nahm ihm zwar die Deckung, aber es verschaffte ihm auch die Möglichkeit, sein Flugtempo zu erhöhen.
Was ihm jedoch wenig nutzen würde, wenn er den Raumhafen erreichte und keine Möglichkeit hatte, dort ein Raumschiff zu kapern. Verdammt!
Rhodan wollte die Lösung dieses Problems auf später verschieben, als ein leises Piepsen an seinem Arm ihn zusammenfahren ließ. Das Piepsen wiederholte sich, immer wieder, so schnell, dass es zu einem einzelnen Ton anschwoll. Ein Geräusch, das Rhodan nur allzu gut kannte.
Sein Komarmband war wieder aktiv ... und sämtliche Nachrichten der SOL, die ihn in der Abschirmung des Adytons nicht erreicht hatten, trudelten nun ein.
Hastig unterbrach er den Vorgang. Er brauchte seine Konzentration.
Ein Thermostrahl traf den Gleiter. Auf der Anzeigetafel vor Rhodan leuchtete ein roter Balken auf, der signalisierte, dass der Schutzschirm bald an seine Grenzen gelangen würde. Rhodan steuerte das Fahrzeug abwärts, pflügte auf Bodenniveau durch die Menge.
Hinter ihm tauchten vier Gleiter der Zitadelle auf, und sie taten ihr Bestes, um ihn einzuholen.
Abrupt riss er die Lenkung herum, flog in eine enge Seitengasse und stieg zur Orientierung kurz in die Höhe. Über den Dächern der Stadt entdeckte er das Gebilde, das ihn an einen Termitenhügel erinnert hatte. Er tauchte in die nächste Gasse ab, ehe BARILS Wachen zu ihm aufholten. Mit etwas Glück würde er sie abhängen können. Wenigstens lange genug, bis er den Raumhafen erreichte.
Wie aus dem Nichts traf ein neuer Schuss seinen Gleiter. Rhodan biss die Zähne zusammen, bremste abrupt ab und ließ sich nach unten fallen, bis er beinahe auf der Straße aufschlug. Seine Verfolger zischten über ihn hinweg. Rhodan vergeudete keine Energie des Gleiters damit, auf Fahrzeuge zu schießen, denen er ohnehin nichts anhaben konnte. Stattdessen bog er einmal mehr ab und verschwand erneut im Straßengewirr der Stadt.
Die Verfolger zeigten sich nicht sofort wieder. Er konnte sich denken, warum: Sie bereiten einen Hinterhalt vor. Es gab nicht viele Ziele, die ein Gefangener von einer fremden Welt anstreben konnte. Sein eigenes Raumschiff im Orbit konnte ihm schließlich nicht helfen, solange es an Bord von A-Kuatonds Robotern nur so wimmelte.
Seine Gegner mussten davon ausgehen, dass er zum Raumhafen wollte. Dort oder auf dem Weg dorthin würden sie ihn abfangen wollen. Rhodan bewegte sich weiter in die Richtung des Sternenschiff-Landefelds und somit auf den mutmaßlichen Hinterhalt zu, denn wahrscheinlich funkte der Gleiter fleißig seine Position an die Zitadelle. Wenn Rhodan stattdessen die Sehenswürdigkeiten der Stadt abflog oder Warteschleifen drehte, mochten die Ritter sich denken, dass er auf ganz andere Weise fliehen wollte als mit einem gekaperten Raumfahrzeug.
Lange hatte der Luxus des unbegleiteten Flugs nicht gewährt. Wieder zeigte das Rückholo Wachgleiter, die hinter ihm her waren. Er reaktivierte sein Komarmband und nahm Kontakt zur SOL auf.
»Perry?«, hörte er Tess Qumishas Stimme. »Wir dachten schon, die hätten dich ...«
»Mir geht es gut!«, unterbrach er sie. »Ich brauche ein Beiboot. Klein, schnell, mit offenem Hangartor.«
»Okay.« Sie stockte kurz, vermutlich gab sie den Befehl gleich weiter. »Was ist los? Brauchst du Hilfe?«
»Ein Beiboot reicht, danke.«
»Perry ...«
»Ach, und Tess – unsere Gäste auf der SOL ... Was auch immer du ihretwegen unternehmen wolltest – tu es. Jetzt!«
Die nächste Minute entschied. Solange er durch die Gassen kurvte, hatten die Verfolger keine freie Schussbahn. Und so lange würde sein Schutzschirm hoffentlich durchhalten.
Früher als gehofft, wurden die Gassen breiter, ließ der Verkehr nach. Er erreichte den Rand der Stadt. Rhodan sah nach oben, und sein Mut sank, als er nur freien Himmel erblickte.
Dann endlich erspähte er es. Das kugelförmige, golden schimmernde Beiboot. Ein winzig kleiner Punkt in der Ferne.
Er zog hoch. Die letzten Gebäude blieben unter ihm zurück. Sofort begann der Beschuss von Neuem, diesmal von allen Seiten. BARILS Wachen hatten ihm aufgelauert. Rhodan biss die Zähne zusammen und umklammerte den Lenkhebel des Gleiters. Das Gefährt ruckelte und bebte, die Schutzschirmbelastung stieg auf neunzig, dann auf hundertdrei Prozent. Noch dreitausend Meter trennten ihn von dem Beiboot der SOL.
»Komm schon ...«
Noch tausend Meter. Das Beiboot stoppte den Sinkflug. Das Außenschott seines Frachthangars glitt auf. Na endlich.
Ein weiterer Alarm begann zu piepen. Der Gleiter erreichte seine Maximalflughöhe. Nur noch zweihundert Meter ...
Rhodans Verfolger blieben hinter ihm zurück. Er hatte es fast geschafft. Nur noch achtzig Meter! Ein letzter Schuss traf seinen Gleiter. Der Abwehrschirm kollabierte. Rauch stieg aus dem Heck des Gefährts. Drei verschiedene Alarmtöne vereinten sich zu einer tinnitusartigen Kakofonie, aber Perry Rhodan flog in den Hangar ein.
Für einen Augenblick atmete er auf. Im nächsten betätigte er die Bremse und begriff, was genau der dritte Alarmton bedeutet hatte.
Der Gleiter krachte ungebremst in die Wand des Frachthangars.