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2.

CALAMAR

Seite an Seite eilten Ennyas Anchi und Roi Danton durch die Korridore der SOL: von den Mannschaftsquartieren nahe dem Mittelsektor der SOL-Zelle 2, in der Anchi wohnte, zum äußeren Ende des Ringwulstes, in dem sich die Hangars für die Sechzig-Meter-Korvetten befanden. Wenn ihnen Besatzungsmitglieder der SOL entgegenkamen, lächelte Anchi sie an, auch wenn er sie gar nicht kannte.

Wenn ihnen Wachroboter begegneten, zuckte er jedes Mal innerlich zusammen. Aber die Roboter hatten nichts gegen ihren Spaziergang. Offenbar nicht.

So stolz Anchi darauf war, dass Danton ihn mitgenommen hatte, so wenig wusste er von dem Abenteuer, auf das der sich einließ. War Danton ein Fehler unterlaufen, und er wollte eigentlich einen anderen Mann mitnehmen? Wusste er nichts von Anchis gescheiterter Bewerbung bei seiner Akademie? Hatte Danton die Ablehnungsnachricht gar nicht persönlich verschickt, sondern einer seiner Leute?

Solange Danton neben ihm ging, sollte es Anchi egal sein. Aber tief in seinem Innern fürchtete er, der Expeditionsleiter der SOL würde bald den Fehler bemerken und ihn zurückschicken.

»Das ist die CALAMAR!«, erläuterte Danton, als sie im Beiboothangar auf eine der Korvetten zusteuerten, eine sechzig Meter durchmessende Kugel mit goldener Soloniumhülle. Die Korvetten der SOL hatten ebenso wie ihr Mutterschiff einen Ringwulst, in dem hauptsächlich die Triebwerksanlagen untergebracht waren. Sie waren damit kleinere Ausgaben einer SOL-Zelle.

»CALAMAR?«, fragte Anchi unbeholfen, nur um überhaupt etwas zu sagen. Er kam sich dabei reichlich dumm vor.

Danton verzog keine Miene und gab bereitwillig Auskunft. »Kalmare oder Tintenfische sind Unterwasserlebewesen, die sich besonders gut tarnen können. Ich habe das Schiff CALAMAR getauft, weil es nicht irgendeine Korvette der SOL ist, sondern ein besonderes Exemplar. Es handelt sich um das Beiboot, das wir Curcaryen Varantir für eine Weile überlassen hatten. Du erinnerst dich, dieser algorrianische Potenzial-Architekt?«

Anchi nickte. Er hatte Varantir nie direkt gesehen, kannte ihn nur von Holos und aus Berichten. Er galt als genial und anstrengend, die meisten Solaner hatten ihn unerträglich gefunden.

»Er hat daran einige Umbauten vorgenommen und das Schiff mit kosmokratischer Technik hochgerüstet«, erläuterte Danton weiter. »Keiner weiß genau, welche Technik er eigentlich in die Korvette eingebaut hat. Aber was wir wissen: Die CALAMAR verfügt über einen besonders leistungsfähigen Ortungsschutz.«

Während Perry Rhodans Sohn redete, betraten sie über ein Transportband die CALAMAR und gingen durch die Korridore des Beiboots. Fast ohne dass es Anchi bewusst geworden war, führte Danton ihn auf direktem Weg von seinem Quartier zu den Mannschaftsquartieren der Korvette.

»Es tut mir leid, dass ich dich so schnell zu diesem kleinen Umzug bewegen musste«, sagte Danton. »Sieh dich in deinem neuen Quartier um und komm dann in die Zentrale. Wir werden die Tarneigenschaft der CALAMAR nämlich nutzen, um die SOL unauffällig zu verlassen ... das heißt, unbemerkt von BARILS Rittern. Wir starten in fünfzehn Minuten. Danach werden wir für unbestimmte Zeit keine Verbindung mehr zur SOL haben. Du bist doch dabei?«

Das Schott öffnete sich, und Anchi warf einen ersten Blick in seine neue Kabine. Sie war kleiner als seine alte Unterkunft auf der SOL.

»Ich bin dabei!«, bestätigte er verdutzt. Er staunte über die fabelhafte Karriere, die er gerade hinlegte.

*

»Mit Danton auf einer Erkundungsmission? Das ist ja Hypertakt!« Nadarrs Stimme überschlug sich fast.

Den Unsinn mit dem Hypertakt hatte er wohl bei den Kindern aufgeschnappt, die durch die SOL tollten. Der Ausdruck bezeichnete eigentlich das Triebwerk der SOL, mit dem das Raumschiff in 1230 sogenannten weichen Transitionen pro Sekunde zwischen Hyperraum und Normalraum wechselte und dabei vielmillionenfache Lichtgeschwindigkeit erreichen konnte. Die Kinder der SOL benutzten das Wort bei jeder Gelegenheit für alles, was sie besonders großartig fanden.

Anchi sah darüber hinweg und lehnte sich zurück. »Er ist persönlich zu mir gekommen und sagte, dass er mich dabeihaben wollte«, sagte er zu dem sommersprossigen Kopf, der im Holo einen Meter vor ihm schwebte. »Ist wohl eine Art Geheimmission, von der niemand in Yahouna etwas wissen darf. Deswegen hat er die Korvette auch CALAMAR genannt.«

»CALAMAR?«

»Das ist ein Tintenfisch, der sich gut tarnen kann. Es ist die Spezialkorvette, die Curcaryen Varantir gebaut hat, der geniale Algorrian, du weißt schon, geeignet für Sondereinsätze. Wir haben ... hm, ein paar besondere Waffensysteme und einen Ortungsschutz, mit dem wir völlig unerkannt durch die Galaxis fliegen werden!«

»Ohhh!«, machte Nadarr.

Anchi gefiel es, wie beeindruckt der Junge war. Auch wenn es leicht war, Nadarr zu beeindrucken. Anchi hatte nichts weiter referiert als das, was Danton ihm in aller Kürze berichtet hatte, mit leichten Übertreibungen. Immerhin stimmte das mit dem Ortungsschutz.

Nadarr hatte tausend Fragen. »Algorrian, das ist der, der aussieht wie ein Pferd, nicht wahr, und der so schlecht riecht? Was macht ihr da draußen im Weltall? Wann kommt ihr zur SOL zurück? Bist du damit in die Akademie aufgenommen? Bist du dann ein Raumsoldat? Bekommst du ein Rangabzeichen?«

»Ich kann dir das alles gerade nicht erzählen. Das meiste davon ist geheim, und ich befinde mich schon an Bord. Wir haben uns ganz unauffällig eingeschlichen, vorbei an den Wachrobotern, die uns fast erwischt hätten. Wir brechen bereits in wenigen Minuten auf. Keine Zeit für eine Abschiedsfeier. Sagst du den anderen, dass ich eine Weile weg bin?«

Wieder machte Nadarr: »Ohhh!« Dann wurde sein Gesichtsausdruck besorgt. »Du kommst doch zurück? Eure Geheimmission ist bestimmt gefährlich!«

Anchi legte ein Gesicht auf, das die Solaner aus unbekanntem Grund Tekener-Grinsen nannten. »An irgendwas muss ja jeder sterben!«, sagte er cool. »Aber keine Sorge: Ich komme garantiert zurück. Und erzähle dir, wie es gewesen ist!«

Sofort war der Junge wieder vergnügt und brabbelte irgendwas von phantastischen Abenteuern mit Roi Danton und seiner Spezialtruppe.

Anchi hörte gar nicht mehr genau hin. Nadarrs Sorge hatte etwas in ihm angerührt. Ob es gefährlich war, im Tarnflug durch eine unbekannte Galaxis zu reisen, um im Alleingang irgendwelchen kosmischen Geheimnissen auf die Spur zu kommen? Und wie das gefährlich war! Hypertakt-gefährlich!

*

Heimlich, still und leise schleuste die CALAMAR aus der SOL aus. Es gab keinen Stapellauf, keine Abschiedsfeier, keine große Verabschiedung der Helden.

Die Korvette schlüpfte mit aktiviertem Ortungsschutz aus einer Schleuse des Mutterschiffs, beschleunigte, ging auf Überlicht und jagte im rechten Winkel zur Ekliptik des Diulusystems in den kalten Leerraum der unbekannten Galaxis. Bald war Diulu nur noch ein Stern von vielen, die SOL und die sie umgebenden Ritterschiffe verschwunden in der Ferne.

Ennyas Anchi wippte nervös mit dem Bein, während er den Flug ihres Schiffs auf dem großen Holo in der Hauptzentrale der Korvette verfolgte.

Die Besatzung bemerkte nichts von der Beschleunigung und dem Wechsel auf Überlicht. Dafür sorgten Antigravgeneratoren, die eine künstliche Schwerkraft erzeugten. Sie hatte einen Wert, der für alle Besatzungsmitglieder angenehm war. Er entsprach etwa der Schwerkraft auf der Erde, der Heimat der Menschheit, ebenso dem Wert, der im Althanos-Segment auf Evolux geherrscht hatte, in dem die Gestrandeten gelebt hatten. Wie Anchi inzwischen wusste, war auch dieser Schwerkraftwert künstlich erzeugt worden.

Etwa zwanzig Solaner hatten sich in der Hauptzentrale der CALAMAR versammelt, Männer und Frauen, von denen Anchi einige kannte, andere noch nie gesehen hatte. Die meisten standen in entspannter Haltung da und verfolgten den Kurs der Korvette auf dem Holoschirm. Zusätzlich zum Außenblick blendete die Schiffspositronik verschiedene Positionsdaten ein.

Anchi bemühte sich, ebenso gelassen dazustehen. Doch wenn er sein Bein dazu zwang, ruhig zu sein, begannen seine Finger ohne sein Zutun damit, nervös auf den Oberschenkel zu trommeln. Tausende Jahre Raumfahrtgeschichte, auf denen die Konstruktion dieser Korvette beruhte, und algorrianisch-kosmokratische Supertechnik hin oder her: In einer sechzig Meter durchmessenden Soloniumhülle durch die eisige Kälte einer fremden Galaxis geschossen zu werden, war wie der Ritt auf einer Flammenkugel.

War das wirklich das große Abenteuer, nach dem er sich gesehnt hatte? Anchi fragte sich noch immer, warum Danton ihn eigentlich mitgenommen hatte. Und ob er nicht lieber auf der SOL geblieben wäre und Rytanaia erzählt hätte, dass er sich einfach einen Planeten suchen wollte, auf dem er bleiben konnte. Eine Welt, die es zu erobern galt. Vielleicht wäre sie ja sogar mitgekommen.

»Das war's«, sagte Danton, der aufmerksam das Zentralholo und die eingespielten Daten betrachtet hatte. Der Kommandant der CALAMAR stand ganz vorn, mit hinter den Rücken gelegten Armen, und drehte sich in diesem Moment zu seinen Leuten um.

Er lächelte. Irgendwie wirkte er unnahbarer, geschäftsmäßiger als der Danton, der Anchi in seiner Kabine aufgesucht und vom Fleck weg rekrutiert hatte.

»Wir können keine Verfolger orten«, fuhr er fort. »Das heißt, es ist uns gelungen, unerkannt davonzukommen. Oder die haben einfach einen besseren Tarnschirm als wir.«

Erleichtertes Gelächter füllte die Zentrale der CALAMAR.

Danton machte ein paar Schritte, sah dem einen oder anderen in die Augen, klopfte sogar einer jungen Frau freundschaftlich auf die Schulter. Ausgerechnet vor Anchi blieb er stehen.

»Wir sind die stille Eingreifreserve der SOL«, sagte er ruhig. »Die SOL ist ein beeindruckendes Raumschiff und kaum zu übersehen, selbst wenn man es mit kosmischen Mächten zu tun hat. Nach den Ereignissen im Diulusystem werden die Ritter BARILS sie genau im Blick haben. Wir dagegen sind klein und unauffällig und nach allem, was wir wissen, sogar so gut wie unsichtbar. Wenn die SOL in eine Situation gerät, aus der sie sich selbst nicht befreien kann, werden wir sie raushauen.«

Anchi schluckte.

»Weiter: Wenn wir etwas finden, das man sich unbedingt ansehen sollte, ohne dass es gleich in den galaktischen Nachrichten kommt, werden wir uns ganz unauffällig darum kümmern. Das Gleiche gilt, wenn von der SOL konkrete Aufträge kommen. Rechnet damit, dass wir ein paar Tage oder Wochen rumdümpeln. Aber rechnet auch damit, dass wir jederzeit in den Einsatz gehen. Es ist eine fremde, unbekannte Galaxis. Wir sind unterwegs, sie zu erkunden.«

Danton war weitergegangen, hatte mit jedem Kameraden einen kurzen Blick gewechselt. Nun ging er zurück zum Zentralholo und baute sich vor seiner Mannschaft auf.

»In der Zwischenzeit haben wir an Bord genug zu tun. Schauen wir uns mal genau an, welche Extras unser alter Freund Varantir wirklich in die CALAMAR eingebaut hat. Ihr seid alle Spezialisten auf eurem jeweiligen Fachgebiet, Techniker, Wissenschaftler, Raumsoldaten. Kümmert euch darum, dass dieses Schiff maximal einsatzfähig ist! Vielleicht werden wir diese unbekannte Technik brauchen.«

Mit einem Nicken bedeutete Danton den Anwesenden, dass die Unterredung beendet war.

Die Männer und Frauen der CALAMAR schlenderten zu den Schotten, die sich lautlos vor ihnen öffneten, verschwanden wahrscheinlich zu ihren Arbeitsstationen irgendwo im Bauch des Kugelschiffs. Einige wenige blieben auf ihren Plätzen in der Zentrale. Andere wiederum, die während Dantons Rede offenbar im Innern des Schiffs beschäftigt gewesen waren, kamen herein, setzten sich in die Pneumosessel an ihre Konsolen und nahmen irgendwelche Schaltungen vor, die dem Raumflug, dem Schiffsbetrieb oder wissenschaftlichen Zwecken dienen mochten.

Einer trat mit ernster Miene zum Kommandanten heran. Er zeigte Danton ein kleines Datengerät und sprach leise auf ihn ein.

Danton nickte mehrmals, gab dem Mann einen Klaps auf die Schulter und beendete damit das Gespräch.

Der Mann blickte sich in der Zentrale um und entdeckte Anchi. Sein Gesicht verzog sich kurz zu einer undefinierbaren Miene.

Anchi wurde heiß. Er kannte den Mann.

Es war Peet Matabiau, ein Einsatzspezialist aus Dantons Elitetruppe. Wie Anchi von der Heilerin Mahlia Meyun erfahren hatte, war Matabiau erst vor Kurzem beim Kampf im Innern des Kolonnen-Docks der Chaosmächte knapp dem Tod entronnen.

Peet Matabiau hatte wegen Anchis Bewerbung bei Danton ein Auswahlgespräch mit ihm geführt. Er war garantiert der Verfasser der Ablehnung, die mit schlechte Nachricht begann und mit Roi Danton unterzeichnet war.

Peet Matabiau, sein Feind.

*

Der drahtige Mann mit dem grau melierten Haar und dem schwarzen Dreitagebart kam mit leicht eckigen Schritten auf Anchi zu. Hatte er bei dem Kampfeinsatz vor wenigen Tagen eine Verletzung erlitten, oder war das seine Art, Anchi zu zeigen, dass er nichts mit ihm zu tun haben wollte?

»Du bist Ennyas Anchi«, sagte er mit eisiger Stimme und blickte ihm in die Augen.

Anchi senkte den Blick und ärgerte sich im selben Moment darüber.

»Ich habe deine Unterlagen noch. Du bist nicht gerade ein Spezialist, den ich für diese Art von Mission angefragt hätte. Wir werden dich etwas in Schuss bringen müssen.«

Anchi wollte etwas sagen, doch Matabiau beugte sich schnell zu ihm vor und sagte leise: »Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, warum Roi dich unbedingt dabeihaben wollte.«

Das war eine neue Information! Danton hatte tatsächlich ihn und keinen anderen an Bord der CALAMAR holen wollen! Es war kein Fehler, kein Irrtum gewesen. Aber warum war er dann hier?

Tapfer hob Anchi den Kopf. »Ach so?«, fragte er, als wüsste er darüber genau Bescheid.

Matabiau schüttelte nur den Kopf. »Minon wird sich ein wenig um dich kümmern. Vielleicht wird aus dir ja wenigstens ein brauchbarer Kadett.«

Ohne sich umzudrehen, winkte er mit einem Finger eine Person heran, die Anchi bisher nicht aufgefallen war. Es war eine zierliche Frau mit grobporigen Gesicht.

Sie hatte kurze, auf Kinnhöhe scharf abgeschnittene Haare, die violett gefärbt waren, und kleine Falten um die Augen. Burschikos streckte sie Anchi ihre Hand entgegen.

»Ich bin Minon Crompton, willkommen an Bord!« Ihr Akzent klang etwas härter als das normale Interkosmo, das die Solaner sprachen und mit dem auch die Gestrandeten von Evolux aufgewachsen waren.

Sie bemerkte Anchis Verwunderung und fügte hinzu: »Ich stamme vom Planeten Fuego aus der Galaxis Vilamesch, einem Handelsposten ehemals terranischer Kolonisten. Dort war ich Positronikspezialistin. Aber ich wollte mal eine andere Ecke des Universums sehen. Also kam ich als Raumsoldatin auf die SOL.«

Überschwänglich ergriff er die Hand der Fueganerin. »Solaner kommen anscheinend wirklich viel rum. Ich glaube, ich werde mich hier wohlfühlen!«

»Überleg dir das noch mal, wenn wir mit der ersten Trainingseinheit durch sind«, entgegnete sie und zwinkerte ihm zu.

Unsicher lachte Anchi. Wenigstens hatte Crompton ihn an Bord der CALAMAR willkommen geheißen, und er hatte das Gefühl, dass sie einen guten Draht zueinander hatten. Die kleine Fueganerin wirkte etwas spröde, aber mit ihr würde er zurechtkommen.

Besser, als wenn Matabiau sein Agententrainer geworden wäre. Dass es nicht so gekommen war, war wohl ihnen beiden recht.

*

In den folgenden Tagen verfluchte er Crompton, Matabiau, das Agententraining, die SOL und seine Entscheidung, sich bei Danton zu bewerben.

Die Fueganerin legte ihm einen strengen Tagesplan auf. Trainingseinheiten wechselten zwischen Sport, technischem Unterricht und praktischem Umgang mit Positroniken, Schutz- und Deflektorschirmen, verschiedenen Strahlenwaffen, der Steuerung einer Space-Jet und dem Aufenthalt im freien Weltraum, nur mit einem Schutzanzug bekleidet.

Einmal ließ Anchi sich auf Cromptons Geheiß vom Gravo-Pak eines SERUNS zehntausend Kilometer ins All hinausschießen. Er blickte zurück und fand die CALAMAR unter den fremden Sternen nicht mehr wieder. Schweiß brach ihm aus, mühsam unterdrückte er die Angst.

Dann besann er sich auf die Anzugpositronik, die ihm ein Koordinatenkreuz mit den wichtigsten Objekten in seiner Nähe auf die Helminnenscheibe projizierte. Sein Puls beruhigte sich, als ihm klar wurde, dass der SERUN eine mächtige Rüstung war.

Er würde Anchi in den meisten Situationen beschützen, in die er hier draußen geraten konnte. Der Anzug würde ihn wochenlang am Leben halten, selbst dann noch, wenn aus irgendeinem Grund ein Großteil seines Körpers zerstört würde, und notfalls konnte er damit sogar auf einem Planeten landen.

Dass gerade keine Himmelskörper in der Nähe waren, auf denen er niedergehen konnte, blendete er vorsichtshalber einmal aus. So ein SERUN war schon ein Prachtstück terranischer Technologie.

An diesem Tag lernte er mehr über die multifunktionalen Kampfanzüge der Solaner, als ihm eine Hypnoschulung hätte beibringen können. Auch wenn er zeitweise jede Sekunde dieses Tages hasste.

Am Nachmittag saß er mit Crompton in der robotbetriebenen Messe der CALAMAR und plapperte so begeistert von seinem ersten Weltraumspaziergang, dass die Fueganerin irgendwann kicherte. Crompton schien ihn zu mögen. Er hatte ein Talent dafür, dass Leute ihn mochten. Das klappte nur nicht immer.

»Vielleicht werde ich ja noch ein besserer Raumagent als Peet Matabiau!«, lachte er übermütig. Dabei meinte er es nur halb scherzhaft.

Crompton grinste. »Dafür brauchst du aber mehr als einen Trainingstag im freien Raum!«

»Na, ich habe von Peets Einsatz im Kolonnen-Fort gehört. Er scheint sich da nicht besonders geschickt angestellt zu haben! Eher wie ein Anfänger! Er ist hingefallen, und wäre Mahlia Meyun nicht gekommen und hätte ihre Schutzschirme zusammengeschaltet, wäre er längst Sternenstaub!«

Cromptons gute Laune wich einem eisigen Flair. »Woher willst du das wissen?«

»Hat Mahlia mir einmal selbst erzählt. Wir haben uns ... na ja, nur so unterhalten.«

Er verschwieg, dass Mahlia Meyun ihm ebenfalls erzählt hatte, dass Matabiau nicht einfach so gestürzt war. Er hatte sich auf eine Granate geworfen, um den Kommandotrupp im Kolonnen-Fort zu retten.

»Und du meinst, weil er einmal beinahe im Einsatz draufgegangen wäre, wäre Peet kein so guter Agent wie du?«

Anchi merkte, dass er zu weit gegangen war, und suchte nach Worten. »Das habe ich nicht gesagt. Ich wollte nur ...«

Crompton beugte sich zu ihm. »Merke: Glück oder Pech kann jeder einmal haben. Es gibt Situationen, aus denen kommst du selbst als bestens ausgebildeter Kampfsoldat nicht mehr raus. Aber ausgebildete Kampfsoldaten überleben die meisten Situationen, in denen Anfänger keine Chance haben. Und du bist so ein Anfänger, genau wie Mahlia Meyun eine Anfängerin war, klar? Ich glaube, die nächste Trainingseinheit beginnt gleich. Steh auf!«

Damit war der Tag vermurkst. Crompton nahm ihn beim anschließenden Konditionstraining härter ran als jemals zuvor. Und Anchi fragte sich, ob er sein Gefühl dafür verloren hatte, wann er vertraulich mit jemandem plauschen konnte, den er gerade erst kennengelernt hatte.

Er hätte gewettet, es wäre an der Zeit gewesen, ein wenig Klatsch und Lästereien auszutauschen. Aber offenbar war es noch nicht so weit.

An den folgenden Tagen zeigte sich Crompton deutlich schmallippiger als zuvor, obwohl sie allmählich wieder etwas freundlicher wurde – vor allem, wenn er bei der Lösung einer Aufgabe, die sie ihm stellte, ein wenig Talent zeigte.

Und dann kam er Tag, an dem die CALAMAR den Einsatzbefehl von der SOL erhielt.

Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12)

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