Читать книгу Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12) - Madeleine Puljic - Страница 48
Оглавление17.
Kessaila, Kepraunsystem
Die Space-Jet traf zur Rushhour im Kepraunsystem ein. Über Kessaila herrschte ein reges Kommen und Gehen, sodass ein winziges Raumschiff mit etwas Glück nicht weiter auffiel. Und bis BARILS Ritter reagieren könnten, würde das Diskusboot bereits wieder verschwunden sein. Die Space-Jet blieb nur wenige Sekunden vor Ort – gerade lange genug, um Perry Rhodan und vier der von Roi Danton ausgebildeten Einsatzspezialisten den Sprung aus der offenen Schleuse zu erlauben. In multifunktionale Schutzanzüge gehüllt, sogenannte SERUNS, ließen sie sich auf den Planeten zufallen.
Sobald sie die Atmosphäre erreichten, aktivierten sie ihre Deflektorschirme. Für das bloße Auge waren sie damit unsichtbar. Eine hoch entwickelte Technologie wie die der Ritter würde zwar die Strahlungsemissionen der Einsatzanzüge anmessen können, aber nur wenn sie gezielt danach suchten. Was sehr unwahrscheinlich war, denn wohl niemand würde damit rechnen, dass Perry Rhodan freiwillig zurückkehrte, nachdem er gerade erst mit Müh und Not geflohen war.
An BARILS Wachen am Eingang des Adytons würden sie damit zwar nicht vorbeikommen, aber das hatte Rhodan gar nicht vor. Dantons Männer und Frauen drangen vielmehr durch den Zulieferungsschacht ein, den Rhodan als alternativen Fluchtweg erwogen hatte. Er gab ihnen ausreichend Zeit, ein Versteck zu suchen, bevor er selbst aktiv wurde.
Weit entfernt vom Hauptzugang der Zitadelle desaktivierte er seinen Deflektorschirm und flog ohne Hast auf das Portal zu. Das würde sicherlich für Aufruhr und verstärkte Sicherheitsvorkehrungen sorgen. Aber seine Verstärkung war schon in Bereitschaft. Wenn er in Schwierigkeiten geriet, würde das terranische Einsatzteam erst die Kussu, dann ihn befreien.
Zwei Stunden blieben ihm, bevor sie wie vereinbart in Aktion treten würden. Das musste reichen, um die Scherben zu kitten, die Rhodan durch seine hastige Abreise hinterlassen hatte.
Das würde unterschiedlich schwierig werden, je nachdem, welche von zwei Möglichkeiten zutraf. Falls Semmaru aufrichtig gewesen war und die Schlacht zwischen den Kraad und den S'Hud wirklich stattgefunden hatte, musste Rhodan seine Flucht und Rückkehr erklären. Dazu hatte er sich etwas überlegt, das die Ritter hoffentlich überzeugte. Falls Semmaru hingegen Rhodan und die Kussu manipuliert hatte, würde er die Letzten dieses Volkes mithilfe der anderen Ritter wohl sogar besser schützen können als mit dem Einsatzteam.
Kaum landete er am Haupttor, packten ihn bereits vier kräftige Arme an den Schultern. Zwei davon trugen Finger. Die anderen beiden Hände waren nur breite Lappen, die bei einem Zentrifaal aus Hautgewebe bestanden. Nicht die Wachen des Ordens nahmen ihn in Empfang, sondern die von A-Kuatond gesteuerten Maschinen. Das hatte er sich anders vorgestellt.
»Ich frage mich, was in deinem Kopf vorgeht, Terraner.« Die Ritterin trat aus einem Zugang des äußeren Gebäuderings. Ihr schwarzes Augenband starrte ihn an. »Erst setzt du alles daran, deinen Prüfungen zu entgehen, und nun versuchst du, dich ins Adyton zurückzuschleichen?«
»Von Schleichen kann ja wohl keine Rede sein, wenn du mich auf offener Straße antriffst.«
Die Ritterin blähte die Nasenschlitze. »Du hättest nicht zurückkommen sollen. Dann hätte ich wenigstens die befriedigende Gewissheit gehabt, dass du gemeinsam mit deinem Schiff untergehst, wenn ich es aufspüre und vernichte.«
Mit ihrem Zorn hatte Rhodan gerechnet. Immerhin hatte Tess Qumisha nicht nur A-Kuatonds Roboter in Schrott verwandelt, die Kommandantin hatte BARILS Rittern zugleich die SOL und damit ihr Faustpfand gegen Rhodan entzogen. Aber Rhodan war wieder da – mit etwas Glück hielt das die Ritter davon ab, die SOL zu verfolgen. Jedenfalls so lange, bis das Ende der Tests erreicht war.
»Ich musste etwas erledigen«, rechtfertigte er sich unbeeindruckt. »Und ich bin freiwillig zurückgekehrt, um BARILS Prüfungen fortzuführen. Es ist also nicht notwendig, mir zu drohen – oder mich festzuhalten.«
Die Zentrifaal zischte. »Glaubst du ernsthaft, du hättest noch das Recht auf eine Prüfung? Nach allem, was du getan hast?«
Im Geiste überschlug Rhodan seine Taten. Er hatte einen Ritter angegriffen und sich seines Permits bemächtigt. Er hatte Daten gestohlen – wobei er nicht wusste, ob das bereits aufgeflogen war. Er hatte ein paar Wachen paralysiert und einen Gleiter gestohlen. Vielleicht war er mittlerweile etwas zu sehr abgehärtet, aber ihm kam nichts davon allzu schwerwiegend vor.
Bei all der Huldigung, die BARILS Ritter in dieser Galaxis erfuhren, hatte er jedoch möglicherweise allein mit seinem Widerstand bereits etliche Todsünden auf sich geladen. Trotzdem – sein guter Wille musste doch auch etwas zählen!
»Ich hatte dich für vorausschauender gehalten«, sagte A-Kuatond. »Aber deine Taten sprechen für sich. Weitere Prüfungen sind nicht nötig. BARILS Stimme wird dein Urteil verkünden. Gehen wir!«
Rhodan schüttelte das mulmige Gefühl ab, das ihr Tonfall in ihm heraufbeschwor. Er würde BARILS Stimme vorgeführt werden. So weit lief alles nach Plan. Von den Rittern würde er Klarheit erhalten, und dann konnte er geeignet handeln. Selbst wenn er verurteilt wurde – zwei Stunden würde er schon irgendwie herausschlagen.
Warum nur hatte er dann das drängende Gefühl, etwas zu übersehen?
Der Weg in den Verhandlungssaal war ebenso lang wie das erste Mal, als er ins Adyton geführt worden war. Nur dass ihm nun nicht neugierige, sondern vorwurfsvolle Blicke folgten. Offensichtlich hatte sich sein Ausbruch herumgesprochen. Die Wachen schienen jedenfalls froh zu sein, dass er im Gewahrsam von A-Kuatonds Robotern war – und angesichts ihrer unverkennbar grimmigen Gesichter ging es Rhodan ganz ähnlich. Wenigstens nahmen die Maschinen ihm die Umstände seiner Flucht nicht übel. Im Gegensatz zu ihrer Befehlsgeberin.
A-Kuatond stieß ihn in den Verhandlungsraum. Das Tor hinter ihm schloss sich mit einem lauten Knall, während sie noch auf ihren Platz zuschritt. Die anderen fünf Ritter waren bereits anwesend. Rhodan konnte nicht sagen, welche von ihnen tatsächlich auf Kessaila weilten und welche nur als Hologramme zugeschaltet waren. Er sah zu Semmaru, und das ungute Gefühl in seinem Bauch verstärkte sich.
Der Diplomat saß entspannt auf seinem Sitz, strich sich mit den unteren Armen über den Leib und zuckte mit den Kiefern.
Ein leises Summen ertönte, und über dem grauen Thron erschien erneut die stilisierte Waage, hinter der sich BARILS Stimme verbarg.
»Der Orden hat zusammengefunden«, leitete sie die Zeremonie ein, »um über das Schicksal des Terraners Perry Rhodan zu urteilen. Lasst uns beginnen.« So weit war alles, wie Rhodan es bereits von seiner ersten Verhandlung her kannte. Doch statt nun einen Kläger oder seine Verteidigung aufzurufen, fuhr die Stimme selbst fort: »Du hast dich den Auflagen deiner Prüfungen widersetzt. Du hast Gewalt gegen einen Ritter angewandt, und du hast die Freiheit, die dir eingeräumt wurde, missbraucht, um innerhalb des Allerheiligsten Leben zu beenden.«
Leben beendet? Es kostete Rhodan einen Sekundenbruchteil, um zu begreifen, dass die Stimme nicht von den Simulationen sprach. »Wen soll ich ...« Nein. »Die Kussu!«
»Grausam ermordet in ihren Zellen«, bestätigte Semmaru ohne die geringste Spur von Mitgefühl. »Es zeugt von großer Feigheit, dass du sie getötet hast, obwohl sie dir nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Sie ... und die Wachen, die für ihre Aufsicht zuständig waren.« Der Intrigant machte ein wohl Abscheu ausdrückendes Geräusch. »Rachsucht ist eine äußerst schändliche Eigenschaft.«
Rhodan bebte vor Zorn. Nicht bloß, weil dieser Insektoide so tat, als läge ihm etwas an den Opfern, deren Tod er zweifellos selbst beauftragt hatte. Rhodan war wütend, weil er so lange gezögert hatte. Weil er erst SENECA gebraucht hatte, um Semmarus Absichten zu durchschauen.
Weil er zu spät gekommen war.
Er war so gefangen in seiner Schuld, dass er beinahe die nächsten Worte von BARILS Stimme versäumt hätte.
»Eine ausgesprochen bedauerliche Entwicklung, Terraner. Du hattest fast alle Tests bestanden. Doch es ist gut, dass sich deine wahre Natur gezeigt hat, ehe du zum Ritter aufsteigen konntest.«
»Ein Ritter?« Sofortumschalter hin oder her – Rhodan brauchte eine Sekunde, um diesen Satz zu begreifen.
Die Prüfungen hatten niemals dazu gedient, seine Aufrichtigkeit zu beurteilen. Man hatte seine Eignung als Ritter überprüft. Warum? Er war ein Angeklagter!
Und er hatte sich damit verteidigt, dass er ganz wie ein Ritter gehandelt hatte. Wer hätte denn ahnen können, dass BARILS Handlanger ihn deshalb gleich auf einen ihrer bunten Sessel heben wollten?
Aber auf welchen? Alle sieben Posten waren schließlich besetzt ...
Die Ritter kümmern sich rechtzeitig um Nachfolger, erkannte er. Sie tun, was wir auf der SOL verpasst haben. Und Semmaru, der Diplomat, fürchtet, dass ich ihn ablösen soll. Sie kennen mein Psychogramm aus den Tests, kennen meine diplomatische Grundhaltung. Deshalb wollte dieser feige Mörder mich also loswerden!
Rhodan wandte sich an das Hologramm über dem grauen Thron. »Ich möchte eine neue Verhandlung vorschlagen!«, rief er. »Einen Misstrauensantrag gegen Semmaru.«
Der Diplomat sirrte protestierend. »Du hast hier gar nichts zu beantragen!«
»Ich habe auch nicht gesagt, dass ich ihn beantrage.« Er wandte sich an Yalaba. »Aber du als Forscherin, die sich der Findung der Wahrheit verschrieben hast, solltest das tun.«
»Das ist doch lächerlich, ich ...«, begehrte Semmaru auf.
Die Riesin brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. »Erkläre dich, Perry Rhodan.«
»Nicht ich habe die Kussu getötet. Im Gegenteil, ich bin zurückgekehrt, um sie zu retten.«
»Das kann jeder behaupten!«
Er ignorierte Semmarus Einwand. »Ich habe vier Leute mitgebracht, die genau zu diesem Zweck in der Zitadelle warten. Ihr könnt sie befragen.« Rhodan wusste, dass er damit ein Risiko einging. Aber wenn er richtiglag, hatten die Ritter ihn schon ganz treffend eingeschätzt: Er war ein Diplomat. Und diese Situation war eindeutig eine Angelegenheit, in der Worte größere Wirkung zeigen konnten als Waffen und Agenten.
»Was sollten mich die Kussu interessieren?«, ereiferte sich Semmaru. »Dich wollten sie töten. Ich habe nichts mit ihnen zu schaffen.«
»In deinem Auftrag. Ich nehme an, dass sie genau das zu Protokoll gegeben hätten, wenn einer der anderen Ritter die Gelegenheit bekommen hätte, mit ihnen zu sprechen.«
An Yalabas pochenden Organen glaubte Rhodan, eine Erkenntnis ablesen zu können. Zweifellos wäre es ihre Aufgabe gewesen, die Gefangenen zu verhören – nicht Semmarus.
Die dürren Arme des Diplomaten zuckten. »Ich ändere mein Votum!«, rief er unvermittelt. »Ich unterstütze den Antrag der Kriegerin gegen den Eindringling.« Er sirrte leise, als würde ihm diese Lösung außerordentlich behagen. »Damit steht es vier zu zwei Stimmen gegen dich. Ein Ausgleich durch BARILS Stimme ist also nicht notwendig.«
»Doch, das ist er!«
Überrascht sah Rhodan zu A-Kuatond, die sich von ihrem Sitz erhoben hatte. »Ich ändere mein Votum ebenfalls und stimme gegen meinen eigenen Antrag.« Sie wandte den bleichen Kopf in seine Richtung. »Ich habe gegen diesen Menschen gekämpft. Ich teile nicht seine Intentionen und seine Ansichten. Aber im Kampf lerne ich das Wesen meiner Gegner kennen. Dieser Terraner kämpft trickreich und entschlossen, aber ehrenhaft. Und in den Prüfungen, die er bislang abgelegt hat, waren ebenfalls keine Anzeichen für Feigheit oder Rachsucht zu finden.«
Einmal mehr sah sich Rhodan von dem nicht zu deutenden, schwarzen Augenband fixiert. Da wandte A-Kuatond den Kopf in Richtung des Diplomaten. »Ich glaube Perry Rhodan. Und deshalb stelle ich den Misstrauensantrag gegen Semmaru.«
»Natürlich musst du wieder gegen mich stimmen«, giftete der Diplomat. »Dabei geht es dir weder um die Wahrheit noch um diesen Menschen. Du versuchst bloß, mich loszuwerden!«
»Ruhe!« Der Funkensturm, in dem die Waage von BARILS Stimme ruhte, leuchtete so hell auf, dass Perry Rhodan geblendet die Augen schließen musste. »BARILS Urteil ist gefallen.«