Читать книгу Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12) - Madeleine Puljic - Страница 63
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Skapalm-Bark
Roi Danton tat etwas, das Anchi geradezu für Magie hielt.
Er sagte einige Sätze in einer eigenartigen Sprache, wahrscheinlich TraiCom, das Idiom, in dem sich Krefferk und Haldukass unterhalten hatten. Aber der Translator des SERUNS übersetzte nicht. Er verstand schlicht nicht, was Danton da von sich gab, und so bekam Anchi auch nichts mit
Sie standen direkt unter dem schwarzen, stabförmigen und fast einen Kilometer langen Schiff. Über ihnen öffnete sich eine Luke, aus der helles Licht drang, und Danton vertraute sich als Erster einem Antigravfeld an, das sie behutsam nach oben beförderte.
Während sie nach oben schwebten, machte Anchi sich klar, dass Danton über Helmfunk Kontakt zu der Skapalm-Bark aufgenommen hatte. Aus irgendeinem Grund war er in der Lage gewesen, ihr einen Code zu übermitteln, der ihnen Einlass verschaffte. Wahrscheinlich war dieser Vorgang vollautomatisch abgewickelt worden.
Keine Magie also, sondern fortgeschrittene Technik. Und das Wissen, wie man sie benutzte. Ein Wissen, über das Danton verfügte.
So kamen sie in das Innere einer aktiven Einheit der Terminalen Kolonne TRAITOR. Im Dämmerlicht eines höhlenartigen Raums reihten sich Maschinenblöcke unbekannter Funktion aneinander. Wenn das Dantons Verständnis von gerettet war ...
Das Ricodin-Material in ihrer Umgebung verursachte Anchi Kopfschmerzen. Alle seine Instinkte rieten ihm, von diesem Ort zu fliehen.
Matabiau und Crompton nahmen Kampfhaltung ein und beobachteten scharf die neue Umgebung zu allen Seiten. Ihre Hände hatten sie an den Schusswaffen.
»Entspannt!«, raunte Danton beschwörend. »Wir sind auf meine Anweisung hin im Antriebsbereich in der Heckpyramide gelandet, nahe den Hauptkraftwerksanlagen und dem Supratron-Generator. Wenn wir hier Besatzungsmitglieder treffen, werden es Ganschkaren sein. Sie mischen sich nicht in die Angelegenheiten der Kolonnen-Anatomen ein, die das Kommando führen und teilweise einander bekämpften. Wenn die Ganschkaren uns begegnen, werden sie uns einfach für Angehörige der Kolonne halten – Leute, die sie nichts angehen. Vertraut mir, ich weiß, wie man sich auf einer Skapalm-Bark versteckt.«
Dantons Rede beruhigte Anchi tatsächlich und drängte das Unbehagen ein wenig zurück, das er angesichts der höhlenartigen Umgebung und des allgegenwärtigen Ricodin-Verbundstoffes empfand. Wenn Danton mehr als zweieinhalbtausend Jahre überlebt hatte, sicher deshalb, weil er genau wusste, was er tat.
Schon im nächsten Moment wurde Dantons Aussage allerdings widerlegt.
»Welchem Team gehört ihr an?«, ertönte hinter ihnen eine Stimme. »Ihr habt keine Zugangsberechtigung für diesen Sektor!«
Sie fuhren herum.
Vor ihnen stand, flankiert von zwei dürren Vogelwesen mit absurd großen Datenbrillen, ein Wesen, wie sie es bereits kannten. Es war nur etwa eineinhalb Meter groß, wirkte aber umso bedrohlicher. Die Knochenplatten, aus denen sein fahles Exoskelett bestand, machten bei jeder Bewegung knirschende Geräusche. Ein Kolonnen-Anatom!
Wir sind enttarnt!, dachte Anchi in Panik.
*
Aus der Nähe erkannte Anchi, dass der Kolonnen-Anatom ein bizarr verunstaltetes Wesen war. Wucherungen drückten die Knochenplatten an zahlreichen Stellen nach oben. Er hatte nicht sieben Arme wie Krefferk, sondern nur einen an der Seite sowie einen, der ihm wie tot von der Brust baumelte. Er wirkte wie ein Patient, der mitten in der Operation kurz vom Tisch gesprungen war, um ein paar Geschäfte zu erledigen.
Voller Entsetzen erkannte Anchi, dass das wohl für alle Kolonnen-Anatomen galt: Sie nahmen Operationen an sich selbst vor. So wie Krefferk sich sieben Arme an den Körper gesetzt hatte.
Selbst Danton war überrascht. Er hatte offensichtlich an diesem Ort keine solche Begegnung erwartet. Es war reines Pech, dass sie gleich nach ihrer Ankunft auf der Skapalm-Bark erwischt worden waren.
Selbst wenn du zweieinhalbtausend Jahre immer wieder mit knapper Not davongekommen bist, irgendwann erwischt es dich doch! Das besagen allein die Gesetze der Wahrscheinlichkeit ...
Sie hatten eine ganze Weile Glück gehabt mit ihrer fengolyonischen Tarnidentität. Irgendwann musste etwas schiefgehen.
Es dauerte nur eine Sekunde, dann fing sich Danton wieder. Er nahm eine steife, überhebliche Haltung an.
»Wer will das wissen?«, fragte er scharf. »Wir hatten erwartet, uns zuerst unauffällig umsehen zu können, bevor wir uns zu erkennen geben.«
Dantons Dreistigkeit verschlug Anchi den Atem. Würde er mit so einem Bluff durchkommen?
»Ich bin derjenige, der in dieser Sektion das Sagen hat«, entgegnete der Kolonnen-Anatom. »Und nun identifiziert euch!«
»Danton!«, sagte Rhodans Sohn eiskalt und mit Klarnamen. »Ich bin ein weisungsbefugter Kalbaron und komme zur Inspektion dieser Bark. Geh aus dem Weg!«
Der Kolonnen-Anatom hob den gesunden Arm. »Ich zweifle deine Worte nicht an, Kalbaron Danton«, verkündete er misstrauisch. »Für den Fall, dass du mich testest, erlaube mir jedoch, dass ich deine Identität überprüfe. Du stimmst sicher mit mir überein, dass diese Überprüfung notwendig ist, damit sich kein Spion an Bord schleicht. Deine Begleiter sind solange meine Gäste.«
Zu Anchis Überraschung stimmte Danton sofort zu. Schnell wandte er sich noch einmal an die Solaner. »Keine Sorge, das wird gut gehen!«, sagte er leise. »Die werden mich mit einer Maschine zusammenschließen, die mich genetisch und mental prüft. Das dauert eine Weile, aber sie wird mich tatsächlich als weisungsbefugten Offizier identifizieren. Haltet nur aus und benehmt euch nicht verdächtig. Denkt dran: Ihr gehört ab sofort zur Kolonne!«
Während Danton mit dem Kolonnen-Anatomen zu einem unbekannten Ort ging, wurden die drei übrigen Solaner mit freundlichem Nachdruck in einen kargen Saal geleitet. Dort gab es keinerlei Technik oder Dekoration, nur eine wuchtige, u-förmig angeordnete Tischreihe. Anchi hatte keinen Zweifel: Dies war ein Verhörraum.
*
Sie waren allein, vorerst. Der Raum war groß genug, dass jeder sich in eine Ecke zurückziehen konnte. Davon machte Anchi Gebrauch. Er wollte dem Team nicht weiter zur Last fallen.
Crompton kam zu ihm. Sie hatte den Helm in den Rücken des SERUNS gefaltet. Ein Ohr ragte durch die Strähnen ihrer violetten Kurzhaarfrisur. Sie schirmte sie mit einem Akustikfeld gegen eventuelle Zuhörer ab.
»Wir müssen alle auf dem Damm sein«, sagte sie streng. »Auch du. Das ist dir klar, oder?«
Anchi winkte matt ab. »Ich glaube, ihr kommt besser ohne mich klar.«
»Es macht dir zu schaffen, dass wir im Korridor beinahe aufgeflogen sind und Peet dir mit dem Deflektorfeld den Hintern gerettet hat, nicht wahr?«
Anchi sagte nichts. Sie hatte wohl seine anderen Fehler vergessen.
»Er hat dich auf dieselbe Weise beschützt wie Mahlia Meyun ihn vor zwei Wochen im Kolonnen-Fort. Der Vorfall, von dem du behauptet hast, er würde beweisen, dass Peet kein so guter Raumsoldat wäre. Gerade eben ist dir dasselbe passiert. Darüber denkst du nach.«
Anchi schwieg weiter. Als er Matabiau verspottet hatte, war Crompton zum Eisblock geworden und hatte tagelang nicht mehr vernünftig mit ihm geredet.
»Nun, das mit Peet hat Mahlia Meyun dir erzählt, weil du sie ausgefragt hast, nicht wahr? Du wolltest etwas Schlechtes über ihn in Erfahrung bringen. Was sie dir nicht erzählt hat, weil wir uns noch nicht kannten und du nicht danach gefragt hast: Ich war beim Einsatz im Kolonnen-Fort ebenfalls dabei. Und Mahlia hat auch mir das Leben gerettet.«
Da verstand Anchi. Als er über Matabiau gelästert hatte, da hatte er in Wahrheit dasselbe Urteil über Crompton gefällt. Deswegen hatte sie so gallig reagiert.
»Verstehst du, Ennyas?«, fragte sie beinahe sanft. »Im Einsatz einen Fehler zu machen – sogar einen, der dich das Leben kosten kann –, das kann jedem Raumsoldaten passieren, egal wie gut er ausgebildet ist. Wir versuchen uns auf alle Situationen so vorzubereiten, dass, wenn einer einen Fehler macht, der andere da ist, um ihn auszugleichen. Auch dir kann einmal ein Fehler passieren. Du hast nicht einmal eine Ausbildung. Damit mussten wir rechnen. Und wir sind dafür da, dich rauszuhauen, so wie Mahlia uns im entscheidenden Moment rausgehauen hat. So funktioniert ein Team!«
Anchi schluckte. Seine Kehle fühlte sich trocken an. »Du willst sagen, ihr verachtet mich nicht?«
»Oh, es ist nicht so, dass du nicht manchmal gehörig nervst. Aber wir sind ein Team. Und du gehörst dazu!« Als sie seine erleichterte Reaktion sah, fügte sie schnell hinzu: »Ich bitte darum, von übereilten Umarmungen abzusehen.«
Matabiau kam mit schnellen Schritten hinzu. Allerdings nicht, um an einer Verbrüderung teilzunehmen. »Es wird ernst!«, verkündete er. »Wir bekommen Besuch.«
Es war nicht, wie erhofft, Roi Danton, der durch das Schott kam, freigesprochen vom Verdacht der Spionage und bereit, die drei Kameraden abzuholen. Stattdessen betraten drei echsenhafte Wächter den Raum. War Danton gescheitert? Ging es ihnen an den Kragen?
Die Echsenwesen, groß und mit zahnbewehrten Mäulern, traten zu den drei Solanern. Ein modriger Geruch ging von dem aus, der sich vor Anchi stellte. »Du sprichst!«, verlangte er mit dumpfer Stimme, die sofort vom Translator übersetzt wurde.
Matabiau wollte eingreifen.
Doch das Echsenwesen hielt ihn zurück und zeigte unmissverständlich auf Anchi.
Tapfer sah er an der Echse hoch und stellte sich vor, dass dies ein Moment war, den er später Nadarr wahrheitsgemäß berichten würde.
Auf einmal herrschte in seinem Kopf völlige Klarheit. Er erinnerte sich sogar daran, wie diese Echsen genannt wurden.
»Was fällt euch ein, Mor'Daer!«, sagte er und betonte dabei jedes Wort. Im gleichen Stil wie zuvor Danton fuhr er fort: »Ihr behandelt uns wie Gefangene und nicht, wie es uns als TRAITOR-Aufsehern zusteht. Wir sind die Adjutanten des Kalbarons Danton und euch damit höhergestellt. Wir sind es, die die Fragen stellen!«
Offenbar hatte er die Echse beeindruckt, denn sie sah zwar nach wie vor bedrohlich aus, machte aber keine Anstalten zu einer Entgegnung.
»Danton ist nicht irgendein Kalbaron der Terminalen Kolonne.« Anchi erinnerte sich, was sein Kabinenservo über die Lebensgeschichte Dantons referiert hatte. Rhodans Sohn war einst in die Gefangenschaft der Terminalen Kolonne geraten und dort später zu einem wichtigen Befehlshaber aufgestiegen. Das musste der Grund sein, warum er glaubte, in einer Einheit der Kolonne überleben zu können. »Danton war einst Kolonnen-Heerführer im großen Hangay-Feldzug. Er hat beinahe im Alleingang die Mächte der Ordnung einer ganzen Galaxis unterworfen. Und ihr könnt froh sein, wenn unsere Inspektion hier zur Zufriedenheit Dantons verläuft. Andernfalls werden wir dieses Schifflein zerbrechen und in den kosmischen Schlund stürzen.«
Die Echse wandte den Kopf zu den anderen Wächtern. Amüsiert? Nein, irritiert! Anchi hatte den richtigen Tonfall getroffen.
»Bringt uns etwas zu essen!«, setzte er nach. »Eine Schale Früchte. Das könnt ihr doch, oder?«
*
Die Mor'Daer zogen sich zurück. Sie brachten keine Früchte, egal welcher Art. Aber sie verließen den Verhörraum. Und so warteten die Solaner nervös darauf, was als Nächstes geschehen würde.
Nach einer Zeit, die wie eine Ewigkeit erschien, öffnete sich wieder die Tür. Hinein kamen Roi Danton und, in bemerkenswerter Unterwürfigkeit, der Kolonnen-Anatom, der sie zuvor noch alle als Spione hatte verhaften lassen wollen.
»Wie ich es mir gedacht habe«, meckerte er heuchlerisch. Seine Knochenplatten knackten, während er die Hände aneinanderrieb. »Kalbaron Danton ist die hochgestellte Persönlichkeit, als die er sich ausgibt. Daten der vor zweihundert Jahren zerstörten Skapalm-Bark DERUFUS weisen ihn als Vorlage für einen Dualen Kapitän aus. Ihr alle seid damit frei, euch in der GRAGRYLO nach eigenem Gutdünken zu bewegen.«
Es war das erste Mal, dass sie den Namen der Skapalm-Bark hörten, auf die sie sich eingeschmuggelt hatten. Es war absurd, mit welchem Minimum an Informationen sie es zur hochgestellten Persönlichkeit auf dem Kolonnen-Fahrzeug gebracht hatten.
Danton spielte seine Rolle, ohne mit der Wimper zu zucken und mit steinernem Gesicht. »Nun, da dies geklärt ist, möchten wir gerne die Experimentallabors mit den Kompanten sehen. Das Projekt verläuft nicht zu unserer Zufriedenheit. Deshalb bin ich gekommen, um mit eigenen Augen eure Fortschritte zu begutachten.«
Anchi war froh, dass nun wieder Danton die Rolle des arroganten Kolonnen-Aufsehers spielen konnte. Wieder bediente er sich geschickt der wenigen Informationen, über die sie verfügten, um den Eindruck zu vermitteln, er wüsste bereits alles über die Kompanten.
Der kleine Kolonnen-Anatom hob abwehrend beide Hände, die gesunde an seinem Seitenarm und die kranke am Brustarm. »Der Hoch-Medokogh wird in Kürze zurückerwartet. Ich bin sicher, er würde es um nichts in allen Universen missen mögen, euch persönlich durch das Gen-Kabinett zu führen.«
»Nein«, beschied Danton hart. »Wir werden nicht auf Krefferk warten. Die Führung beginnt sofort!«