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Walter Temming stand wie zur Salzsäule erstarrt zwischen seinen Regalen, einige Schnellhefter in den zitternden Händen. Er kannte die Schritte, die durch die unterirdischen Räume näherkamen, schnell und entschlossen. Dann hallte auch schon eine Frauenstimme dumpf an seine Ohren: »Hallo, ist da jemand? Walter, bist du das?«

Seine Frau. Gisela. War sie schon zurück? Hatte etwas ihren Zeitplan durcheinandergebracht? Und woher wusste sie, dass er hier unten sein würde?

Er holte tief Luft, als sie bereits zwischen einem der Aktengänge auftauchte und sich ihre Blicke trafen. »Walter«, presste sie erschrocken hervor und hielt in der Bewegung inne. »Was zum Teufel ist in dich gefahren? Was suchst du denn hier?« Eine überflüssige Frage, denn sie wusste genauso gut wie ihr Mann, was sich in dem versteckten Tresor hinter dem hervorgeschobenen Schrank befand.

»Ich …«, kam es aus Walters trockener Kehle, und es hörte sich wie bei einem Buben an, der bei einem dummen Streich ertappt worden war. »Ich wollte nur sichergehen, dass noch alles da ist.«

»Wie bitte?« Gisela ging zögernd und misstrauisch weiter. »Walter, du bist ja ganz aufgeregt. Was geht hier vor?«

Er quälte sich ein Lächeln ab, das in seinem blassen und von Falten durchzogenen Gesicht gekünstelt wirkte. »Ich überleg mir, ob ich das Zeug endgültig vernichten soll«, stammelte er, doch seiner energischen Frau klang dies nicht überzeugend genug.

»Walter«, fuhr sie ihn an, »wie kommst du denn da drauf? Wir waren uns doch einig, dass es nicht außer Haus kommt. Auch nicht geschreddert.«

Er ließ die Hand mit dem Schnellhefter sinken. »Aber irgendwann muss das Zeug weg«, beharrte er.

»Hast du vergessen, was wir ausgemacht haben?« Gisela starrte ihn durch ihre dicken Brillengläser an, als suche sie in seinem Gesicht Anzeichen von geistiger Umnachtung. »Sven wird erst nach unserem Tod von diesem Zeug erfahren – und dann kann er damit machen, was er will.«

»Weiß ich doch«, versuchte Walter abzuwiegeln. »Aber ich hatte so ein ungutes Gefühl, es könnte nicht mehr da sein.«

»Nicht mehr da sein?«, wiederholte sie ungläubig. »Wie soll es denn verschwinden, wenn es in diesem Tresor drin ist?« Ihre Augen blitzten angriffslustig. »Geht’s dir nicht gut, Walter? Oder was ist los?«

»Entschuldige«, gab er sich kleinlaut und drehte sich zur Rückseite des weggerückten Schranks, um den Schnellhefter im Wandtresor verschwinden zu lassen. »Es war nur so eine Idee«, brummelte er.

»Das glaub ich dir nicht, Walter«, hörte er ihre keifende Stimme hinter sich. »Was um alles in der Welt hat dich bewogen, ausgerechnet jetzt, wo du gedacht hast, ich sei nicht im Haus, hier runterzugehen?«

Während er die Zahlenkombination des eingerasteten Schlosses auf seinen eigenen Geburtstag einstellte, ließ Gisela hinter ihm nicht locker: »Du machst dir die Mühe, zwei Möbelstücke wegzurücken und renkst dir beinahe das Kreuz aus – das würdest du nicht tun, wenn nichts geschehen wäre.«

»Weißt du«, drehte er sich um und sah seine noch immer adrette Frau an, die ein paar Jahre jünger war als er. »Auch wenn wir nicht mehr darüber reden. Man kriegt das nicht los. Es haftet an einem.« Er sah sie verunsichert an. »Wieso bist du eigentlich so schnell zurückgekehrt?«

Sie überlegte nicht lange. »Ich hatte plötzlich das Bedürfnis, es tun zu müssen. Außerdem ist mir eingefallen, dass ich noch wichtigen Schriftverkehr zu erledigen habe.« Ihr Blick verriet Überlegenheit. »Du weißt doch: Mein Gefühl trügt mich selten. Und wenn ich ihm folge, kommt es zu seltsamen Begegnungen.« Sie wartete keine Antwort ab, drehte sich um und verschwand zwischen den Regalen. Ihre lauten Trittgeräusche ebbten langsam ab.

Nebelbrücke

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