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Kapitel 10

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Damit hatten Martin Striebel und Rainer Kromer nicht gerechnet. Vor ihnen stand ein froh gelaunter Jano. Seine Glatze glänzte wie poliert. »Hi«, wiederholte er und setzte sich unaufgefordert zu den beiden Deutschen an das Bistrotischchen. »Nice to see you«, lächelte er und verbreitete einen Optimismus, der keinerlei Zweifel an seiner Seriosität aufkommen ließ. Martin Striebel wurde knallrot. Sein Blutdruck schoss deutlich erkennbar in die Höhe. Rainer Kromer verzog sein Gesicht zu einem gekünstelten Lächeln.

»Wie kommst jetzt du daher?«, entfuhr es Striebel. Seine sonore Stimme und sein Dialekt waren noch drei Tische weiter zu hören.

Jano ging auf diese unfreundliche Begrüßung nicht ein. »No problem«, versicherte er und legte einen Arm auf Kromers Schulter. Dieser zuckte zusammen, ließ ihn aber gewähren.

»Es ist alles in bester Ordnung«, sprach Jano jetzt Deutsch, wenngleich mit dem harten Akzent, der seine slowakische Herkunft verriet.

»Soll ich dir was sagen«, brauste Striebel auf, »dir glaub ich kein Wort mehr. Nicht eines. Und was ich von deinem schönen Schwager zu halten hab, weiß ich noch nicht.«

Janos mondförmiges Gesicht strahlte weiter. »Alle werden ihr Geld bekommen«, versicherte er, »alle. Es ist nur eine little correction – eine Änderung eingetreten. Aber no problem, wirklich – no problem.«

Er nahm den Arm wieder von Kromers Schulter, winkte der Bedienung und bestellte ebenfalls ein Pils.

»Ganz so ist’s ja wohl nicht«, wandte Kromer ein und wischte sich sein schweißnasses Haar aus der Stirn, »die Geschichte mit der Mafia hat gestern ein bisschen anders geklungen.«

Nur für einen kurzen Augenblick verfinsterte sich Janos Gesicht, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. »Pit hat doch erklärt«, versuchte er zu beschwichtigen, »es ist alles unter Kontrolle.«

»Gerade das glaub ich dir nicht, Jano«, entgegnete Striebel zornig. »Soll ich dir sagen, was ich für einen Eindruck hab’? Soll ich?« Er zögerte, doch Janos positiver Gesichtsausdruck ermunterte ihn dazu. »Dass du ein ziemlich gerissener Hund bist, um nicht zu sagen ein Schwindler.«

Jano schluckte. Offenbar wusste er nicht so recht, wie er reagieren sollte. Doch er blieb der weltgewandte Geschäftsmann, für den er sich stets ausgab. »Martin«, sagte er deshalb langsam und lächelnd, »sorry, Martin, es tut mir leid, wenn du so denkst, aber es ist anders, als es scheint.«

Kromer winkte ab. »Das habt ihr uns doch gestern Abend bereits weismachen wollen. Allein – uns fehlt der Glaube, verstehst du?« Er wurde energisch. »Wenn nicht bald das Geld cash auf den Tisch kommt, glauben wir dir und deinem Schwager kein Wort – und dann …« Kromer kniff die Augen gefährlich zusammen, »… dann werden wir dich fertig machen – mit allen juristischen Mitteln. Seit ihr in der EU seid, sind die Spielregeln einfacher geworden. Und es wird ziemliches Aufsehen geben, wenn der mächtige Jano, der hier in Košice den großen Maxe spielt, plötzlich wegen Betrugs oder Unterschlagung, womöglich auch wegen Steuerdelikten vor dem Bezirksgericht steht, oder wie das bei euch hier heißt.«

Jano blieb unbeeindruckt. Etwas anderes hatten die beiden Deutschen auch nicht erwartet. Er bekam sein Pils serviert und besaß die Frechheit, seinen Gesprächspartnern zuzuprosten. Sie stießen widerwillig mit ihm an.

»Unser Business läuft sehr gut«, erklärte er dann und wischte sich mit einem Papiertaschentuch den Schweiß von der ovalen Stirn. »But you know … « Er rang sichtlich nach deutschen Worten. »Ihr wisst, wie sich das Opening to the east … das Öffnen der Grenzen nach Osten auswirkt. Gleich da hinten …« Er deutete mit der rechten Hand nach vorne. »Vielleicht keine hundred kilometers weiter beginnt die Ukraine.«

Er tat so, als sei es noch immer das ›Reich des Bösen‹, wie der frühere US-Präsident Reagan einmal die UdSSR bezeichnet hatte.

»In diesen Ländern gelten andere Gesetze«, fuhr er fort und sein Blick wurde ernst. »Money und Macht, Kapital und Gewalt«, zählte er auf, »Korruption, Menschenhandel – there is nothing, was es nicht gibt.«

Die beiden Deutschen hörten aufmerksam zu. Striebels listige Augen hingen an Jano. Ihm traute er längst alles zu. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn dieser gerissene Geschäftsmann selbst ein Mafiosi gewesen wäre. Was hieß da ›wäre‹, dachte er. Wer gab ihnen denn die Gewissheit, dass es nicht so war?

»Was willst du uns damit sagen?«, drängte Striebel ungeduldig. Wollte sich Jano jetzt wieder als Opfer darstellen?

»Friends«, begann er, als hätten die beiden Deutschen keinerlei Sorge, durch ihn viel Geld zu verlieren, »Business ist ein hartes Geschäft geworden. Und because ich bin daran interessiert, euer money gut anlegen zu wollen.«

»Das hab ich gemerkt«, keifte Striebel, zwinkerte seinem Kollegen zu und nahm einen Schluck.

»No, no«, entgegnete Jano und hielt Striebels Unterarm freundschaftlich fest, »please, please … wenn man Augen und Ohr offen hat, Martin, Rainer friends-, dann findest du die Trends.«

Rainer Kromer meinte kritisch: »Du hast das Kapital anderweitig angelegt – und aus der Firma abgezogen?«

Auch Striebel hatte dies so interpretiert und richtete seinen hünenhaften Oberkörper drohend auf, sodass der rundliche Jano noch kleiner wirkte, als er es ohnehin war. »Du hast das Geld verzockt!«, wurde Striebel laut. Sein Blutdruck musste jetzt das höchst zulässige Maß überschritten haben. Vom Nebentisch schaute man herüber, aber vermutlich verstanden die Mithörer kein deutsch.

»Please«, beruhigte Jano wieder und machte mit den Händen eine dämpfende Bewegung, »please. Wie gestern gesagt, es ist vorübergehend ein Engpass entstanden.«

»Der seit fast einem Jahr anhält«, konterte Striebel unverändert lautstark.

»Please«, Jano schien den Ernst der Lage inzwischen begriffen zu haben, »please, friends, understand, es gibt hier bei uns Gruppen, die mit allem Geschäfte machen wollen.«

»Gruppen«, wiederholte Rainer Kromer, »ich würde sie eher als Banden bezeichnen.«

»Rainer«, versuchte Jano erneut zu beruhigen und legte jetzt eine Hand auf dessen Unterarm, »just a moment, please. Du möchtest es nicht glauben, aber du darfst es mir glauben. Bei uns werden Geschäfte in Millionen-Euro-Höhe gemacht – mit Management von Germany.«

Striebel hatte plötzlich den Eindruck, dass da mehr war, als man ihnen gestern Abend hatte darlegen wollen. »Und daran bist du beteiligt – an diesen Millionengeschäften?«

Für den Bruchteil einer Sekunde sah Janos Gesicht so aus, als fühle er sich geschmeichelt. Dann aber wurde er sofort wieder sachlich. »Yes, ja«, sagte er nicht ganz ohne Stolz, um dann eher enttäuscht festzustellen: »Man hat versucht, mich … mich auszuschalten.« Die drei Männer schwiegen, bis Jano fortfuhr: »Yes. But there is no problem. Kein Problem. Mithilfe von Pit haben wir alles geregelt.«

»Bezahlt«, stellte Striebel klar. »Ihr habt euch erpressen lassen und bezahlt. Und jetzt will ich wissen, verdammt nochmal, worum es da gegangen ist. Und ob die Sache wirklich ausgestanden ist. Und welchen Einfluss das alles auf unser Geschäft hat. Ich will das endlich klipp und klar wissen. Das Drumrum-Geschwätz, Jano, geht mir auf den Sack. Und zwar heftig.« Die sonore Stimme hatte über das ganze Straßencafé hinweggehallt, was Jano sichtlich peinlich war. Er versuchte erneut mit einer Handbewegung, Striebel zu besänftigen: »Please, du musst mir glauben. Es ist auch in eurem Interesse.«

Striebel fuhr erneut hoch wie eine Rakete: »Was heißt das? In wessen Interesse? In meinem nicht. Und in Rainers Interesse sicher auch nicht.«

»Moment. Meine business sind global.« Jano lächelte vorsichtig. »A Global-Player.«

Striebel holte tief Luft. »Das glaub ich dir gleich, du Schlitzohr. ›Global-Player‹ Mit unserem Geld – oder was?«

Jano nahm einen kräftigen Schluck Pils und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund.

»Some things – manche Dinge lassen sich von hier aus besser … steuern oder organisieren, you understand?«

»Nein«, entgegnete Kromer offen und hart.

Jano überlegte. Er schien nicht so recht zu wissen, wie er seine deutschen ›Freunde‹ beruhigen sollte. Gestern Abend unter den Augen seines Schwagers hatte er sich in dubiose Andeutungen geflüchtet. Doch jetzt wollte er zumindest klargestellt haben, dass er nicht leichtfertig in die Misere geschlittert war. »Ich wurde gebeten, etwas aufzubauen, eine Organisation, mit der viel Geld zu verdienen ist.«

»Mit der du viel Geld verdienst«, wetterte Striebel und unterbrach Janos Redefluss. Kromer gab seinem älteren Kollegen mit dem Kopf ein Zeichen, ihn nicht weiter zu unterbrechen.

»Geld für uns alle«, stellte Jano klar. »Für dich und für Rainer und für all die anderen. And – no problem, friends. Der Plan ist leider in Kreise … durchgesickert, sagt man das so? Ja?« Er sah, wie Kromer diese Frage mit einem Kopfnicken bestätigte. »Und wir mussten bezahlen.«

»Erpressung«, stellte Striebel fest und trank sein Glas zügig leer. Schweißperlen rollten von seiner knallroten Stirn.

Jano nickte stumm. »Yes, Erpressung.«

»Und welcher Art ist diese Organisation, dieses globale Geschäft?«, wollte Kromer wissen.

Jano lehnte sich zurück. »Sorry, Rainer, sorry. Dazu darf ich nichts sagen.«

Striebel war wieder nahe dran, zu explodieren. »Das ist mir ein schönes Geschäft. Mit wem seim Geld wird hier eigentlich rumgepokert? Nicht mit deinem, wie wir uns denken können. Sondern mit dem Geld anderer. Du zockst rum – und wir sollen dir und deinem Schwager einfach so abnehmen, dass alles in bester Ordnung ist.« Die sonore Stimme hallte über die Köpfe der anderen Gäste hinweg, die jetzt zunehmend aufmerksamer wurden. »Für wie dumm hältst du uns eigentlich?«

Jano blieb erstaunlich gelassen. »Sorry, Martin«, sagte er und wollte einen Arm auf seine breiten Schultern legen, doch Striebel wehrte demonstrativ ab. »Sorry, aber ich habe nicht eigenmächtig gehandelt.« Er schaute nacheinander Martin und Rainer an. »Einer unserer Freunde …« Jano zögerte noch, doch dann entschied er sich, es auszusprechen. »… einer unserer Freunde hat mich gebeten, für ihn tätig zu sein.«

Striebels Ohren schienen größer geworden zu sein. Die Gesichtszüge versteinerten sich. »Ich hab wohl nicht richtig gehört.« So laut war er noch nie. »Was sagst du da? Einer von uns …? Was heißt das?«

Rainer Kromer verfolgte den Ausbruch seines Freundes schweigend, aber mit gewisser Sorge über dessen Gesundheit.

Jano blieb auch ernst. »Please, dont ask me, Martin. Bitte nicht fragen.« Er hob abwehrend die Arme. »Please, no questions, keine Fragen. Ihr sollt nur wissen, dass ich nicht ohne Auftrag gehandelt habe.«

»Aber jetzt raus mit der Sprache!«, forderte Striebel und wetterte los. Seine Stirnadern schwollen gefährlich an. Er beugte sich auf den Bistrotisch, der unter der Last seines Oberkörpers in erhebliche Schieflage geriet.

Jano rückte erschrocken nach hinten. »Martin, please, ich kann und darf nicht mehr sagen. Sorry, aber glaube mir, es kommt alles in Ordnung.«

Die Männer wurden inzwischen von den Nebentischen misstrauisch beäugt. Einige Gäste befürchteten offenbar, dass eine handgreifliche Auseinandersetzung unmittelbar bevorstand.

»Wir haben ein Anrecht darauf, dass du uns sagst, was hier abgeht«, forderte Striebel, als ob er seinen Gesprächspartner demnächst am Kragen packen wollte. Kromer stellte insgeheim fest, dass der Slowake erstaunlich gelassen blieb. Ein eiskalter Bursche, dachte er.

»In einem Jahr sieht alles anders aus«, erklärte Jano.

»In einem Jahr!« Striebels Stimme überschlug sich. »Wir sollen noch ein ganzes Jahr warten? Das kann nicht dein Ernst sein. Nein – kommt überhaupt nicht in Frage.«

»Ich brauche dieses Jahr – alle brauchen es. Alles ist auf Juni 2006 ausgerichtet.« Jano behielt die beiden Deutschen fest im Auge.

Striebel überlegte, dann wetterte er weiter: »Ich will sofort wissen, was da läuft. Sofort. Ich werde diese Stadt nicht verlassen, bis ich weiß, welch falsches Spiel du spielst.« Er schickte mit einer energischen Kopfbewegung die völlig verstörte Bedienung weg, die nach weiteren Wünschen hatte fragen wollen.

»Sorry«, sagte Jano wieder, »I cannot say something. Ich kann nichts sagen.« Dann schwieg er wie ein trotziges Kind.

»Okay«, erwiderte Striebel, der sich mit einem Handrücken den Schweiß von der Stirn streifte, »vielleicht schafft es Matthias, mehr Druck zu machen.« Die sonore Stimme wurde wieder leiser, hatte aber nichts von dem drohenden Unterton verloren.

Janos Miene verfinsterte sich. »Mattääs?«, wiederholte er mit seinem slowakischen Akzent. »Was ist mit Mattääs?«

Striebel schaute demonstrativ auf die Armbanduhr. »Er dürfte in diesen Minuten gelandet sein.«

»Er kommt hierher?«, fragte Jano verständnislos nach.

Striebel und Kromer nickten wortlos.

»Ja, meinst, du könnst uns übern Tisch ziehn?«, verfiel der Ältere wieder in seinen bayrischen Dialekt.

Der Slowake war kreidebleich geworden. »Ich hab eine Bitte«, es klang kleinlaut, »ihr solltet euch nicht in Dinge mischen, die … dangerous … gefährlich werden können.«

»Soll das eine Drohung sein?«, brauste Striebel wieder auf.

»Sorry, no, keine Drohung«, versicherte Jano und schaute sich nach allen Seiten um, »nur eine Empfehlung.«

»Weißt du, was ich langsam glaube?« Striebels Geduld war am Ende. »Ich glaub, dass dieses ganze Freundschaftsgetue von dir und deinesgleichen vorgetäuscht war – kaltblütig berechnet. Nie im Leben werde ich mehr einem Slowaken trauen. Nie mehr.« In Striebels Stimme schwang Hass, Zorn und Enttäuschung mit.

Jano wollte nichts dazu sagen. Er hatte jetzt andere Probleme. »Mattääs kommt?«, hakte er noch einmal nach.

»Darauf kannst Gift nehmen«, entgegnete Striebel triumphierend. »Und wenn du ihm keine glasklare Erklärung hast, schaust ganz dumm aus der Wäsche, verstehst?«

»Please«, begann Jano erneut und wandte sich an Rainer, den er für den Gemäßigteren hielt, »give me time … lasst mir Zeit. Keinen Ärger. Nicht hier.« Seine Miene verfinsterte sich, wie nie zuvor in der vergangenen halben Stunde. »Das ist kein Spiel. Das ist Ernst.« Er rang nach den passenden Worten, gab der Bedienung ein Zeichen zum Bezahlen und legte den Deutschen eindringlich nahe: »Todernst, sagt man, glaub ich, bei euch. Vergesst das nicht. Todernst.«

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