Читать книгу Schusslinie - Manfred Bomm - Страница 18
Kapitel 13
Оглавление»Sensationeller Anruf, Chef«, stürmte Mike Linkohr in das kleine Büro, in dem sich Kommissar August Häberle gerade am Computerbildschirm abmühte. Der Chef-Ermittler drehte sich um und wartete gespannt auf die Neuigkeit, die seinen jungen Kollegen offenbar außer Atem gebracht hatte.
»Nachdem die Lokalsender über die Pressekonferenz berichtet haben, hat sich ein Taxifahrer gemeldet«, erklärte Linkohr. »Der hat gestern Abend einen Mann vom Bahnhof ins Eybacher Tal rausgefahren.«
»Das klingt spannend.«
»Ja, ist es auch«, bekräftigte Linkohr und faltete einen Notizzettel auseinander. »Ziemlich genau um 19.30 Uhr, daran entsinnt er sich, weil da der Regionalexpress aus Stuttgart eintrifft.« Der junge Kriminalist überflog, im Türrahmen stehend, seine Aufzeichnungen. »Die Beschreibung könnte passen. Schwarze Haare und mittleren Alters, sagt der Taxifahrer. Außerdem habe der Mann einen Aktenkoffer dabei gehabt – einen schwarzen.«
»Und, wo im Eybacher Tal ist er ausgestiegen?«, fragte der Kommissar.
»Das ist dem Taxifahrer auch merkwürdig vorgekommen, ja, er wollte auf dem Parkplatz vor der Zufahrt zu den Sportplatzanlagen aussteigen. Und das bei diesem Sauwetter.«
»Einfach so – in freier Landschaft?«
»Naja«, relativierte Linkohr, »so freie Landschaft ist das auch nicht. Denken Sie an die Häuserzeile entlang der alten Landstraße – und wenn er durch den Tunnel unter der neuen Landstraße geht, ist er gleich beim Sportclub.«
»Ist mir schon klar«, erwiderte Häberle, »aber normalerweise lässt man sich mit dem Taxi doch bis vor die Tür fahren – ich meine bis zum Ziel, schon gar, wenn’s regnet. Es sei denn, ich will den Taxifahrer nicht wissen lassen, wohin ich will.«
»Oder man hat eine Verabredung in freier Landschaft«, ergänzte der junge Kollege.
»Sie sagten aber 19.30 Uhr?«, vergewisserte sich Häberle.
»Ja, 19.30 Uhr. Er dürfte also knapp fünf Minuten später dort draußen gewesen sein.«
»Aber wenn unser Herr Doktor nicht irrt, dann kam unser Opfer wesentlich später ums Leben. Ich schätze mal drei, vier Stunden später«, überlegte der Chef-Ermittler.
»Exakt«, bestätigte Linkohr, »da stellt sich natürlich die Frage, was hat er so lange da draußen getrieben?«
Häberle nickte nachdenklich. »Erzählt hat er dem Taxifahrer nichts?«
»Nein, der Mann sei ziemlich wortkarg gewesen. Habe aber einen erkennbar schwäbischen Akzent gehabt. Nur eines ist dem Fahrer aufgefallen …« Linkohr drehte das Notizblatt um. »… dass er gefragt hat, ob’s eigentlich das ›Clochard‹ noch gebe.«
»Was noch gäbe?«, hakte Häberle nach.
»Ist eine Kneipe hier in Geislingen«, klärte Linkohr auf, »eine Szene-Kneipe, würd man in der Großstadt sagen. Am Rande der Altstadt.«
»Das lässt darauf schließen, dass wir’s mit einem ehemaligen Geislinger zu tun haben – einem Mann, der schon lange nicht mehr hier war, sich aber noch auskennt«, kombinierte Häberle.
»So seh ich’s auch«, meinte der junge Kollege.
»Und was schließen wir da draus?«, überlegte Häberle und erhob sich.
»Vielleicht …«, Linkohr überlegte und zögerte für einen Augenblick, »… vielleicht, dass er gekommen ist, um mit jemandem abzurechnen – und dabei selbst den Kürzeren gezogen hat.«
Michael Rambusch residierte in einem Büro, das jedem Vorstandsvorsitzenden einer großen Aktiengesellschaft zur Ehre gereicht hätte. Dabei war er nur Inhaber eines mittelständischen Betriebs in Aalen. Doch das Geschäft mit den Elektronikteilen, auf die er sich spezialisiert hatte, florierte.
Der Mann, um die 50 und im Freizeit-Look gekleidet, gab sich gerne burschikos – wie die meisten seiner jungen Mitarbeiter. Er hatte seinem Gast aus Berlin einen Platz auf der knallroten Ledercouch angeboten, deren geradezu utopisches Design mehr fürs Auge als fürs gemütliche Sitzen gedacht war. Rambusch ließ von seiner Sekretärin zwei Espressi servieren und saß dann dem jüngeren Liebenstein gegenüber. Er hatte zwar viel von ihm gehört, ihn aber noch nie persönlich getroffen. Sein Besuch war ihm von Ministerialdirektor Gangolf schon vor einigen Tagen avisiert worden.
»Die Sache entwickelt sich erfreulich«, kam der Unternehmer schließlich auf das Thema des Zusammentreffens zu sprechen. »Die Kollegen sind zumeist von der Idee angetan.« Er griff in ein silbern glitzerndes Metallregal, das er mit ausgestrecktem Arm erreichte, und legte einen weißen Aktenordner auf den ovalen Glastisch.
Liebenstein verfolgte gespannt, wie Rambusch darin blätterte und schließlich auf einen Computerausdruck stieß, der nach einer Aufstellung mit Namen und Zahlen aussah. »Wir haben eine Art Schneeballsystem entwickelt«, erläuterte er, »jeder unternimmt in seinem Bekanntenkreis entsprechende Vorstöße – und so weiter. Inzwischen liegen mir positive Antworten von 837 Kollegen vor.« Er lächelte zufrieden. »Eine erstaunliche Bilanz in der Kürze der Zeit.«
»Und ein Beweis dafür, wie ernst unsere Aktion genommen wird«, stellte Liebenstein sachlich fest.
»Die Kollegen sehen es als eine Art …« Rambusch blickte überlegend zu seinem weit entfernt stehenden, weißen Schreibtisch, dessen blitzblanke Arbeitsplatte nur durch einen Flachbildschirm und ein Telefon gestört wurde. »… ja, sie sehen es als eine Art Investition in die Zukunft.«
»Das ist es auch«, erklärte Liebenstein mit fester Stimme, »bedenken Sie, welch gewaltiger Wirtschaftsfaktor Fußball geworden ist! Wie viel Stadien jetzt umgebaut – oder, wie in München, jetzt neu gebaut wurden. Das sind keine simplen Fußballstadien mehr – sondern Event-Stätten nie da gewesenen Ausmaßes. Waren Sie schon mal auf Schalke?«
Rambusch hatte mit dieser Frage nicht gerechnet. »Nein«, schüttelte er mit dem Kopf, »leider noch nicht.«
»Was da schon vor Jahren entstanden ist, stellt alles bisher da Gewesene in den Schatten. Dass das Rasenspielfeld mobil ist, also einfach ins Freie gefahren werden kann, um die Arena auch für andere Veranstaltungen zu nutzen, ist nur eines der technischen Highlights. Sie sollten die VIP-Bereiche in München sehen …« Liebenstein geriet geradezu ins Schwärmen.
»Ich hab das im Fernsehen gesehen …«, entgegnete Rambusch, der sich nicht anmerken lassen wollte, eigentlich überhaupt kein Fußballfan zu sein. Sein Herz schlug fürs Segeln.
»Da werden in den Stadien VIP-Logen gebaut, die wie luxuriöse Konferenzräume gestaltet sind und von denen aus die Mieter und ihre erlauchten Gäste, für schlappe zwanzig-,
dreißig- oder noch mehr tausend Euros pro Saison, in aller Ruhe aufs Spielfeld hinabsehen können – um sich herum zusätzlich einen Großbildschirm, auf dem sie Zeitlupen und Nahaufnahmen verfolgen können. Mein Gott, Herr Rambusch, Sie ahnen nicht, mit welchem Wirtschaftsfaktor wir es zu tun haben.« Liebenstein griff erneut zur Tasse. »Die treuen Fans, die ihren letzten Euro zusammenkratzen, um allsamstäglich ihren Verein zu unterstützen, sind zwar wichtig, aber was da im Hintergrund läuft, sind massive und handfeste geschäftliche Interessen. Denken Sie an Borussia Dortmund – eine Aktiengesellschaft!«
»Mit mäßigem Erfolg«, wandte Rambusch ein.
Liebenstein nickte. »Okay. Aber das Beispiel zeigt uns, wie diese Vereine heutzutage geführt werden. Was heißt da schon ›Vereine‹?« Der Besucher zuckte mit den Schultern. »Man stellt sich fälschlicherweise einen Fußballclub vor, wie man ihn von der eigenen Jugend her kennt: Jungs aus der eigenen Gemeinde oder aus der Stadt, die voll Lokalpatriotismus für ihre Ideale kämpfen – für ihre Mannschaft, ihren Verein.« Liebenstein lehnte sich zurück und bekam die wenig körpergerechte Couch zu spüren. »Vergessen Sie’s …« Er winkte ab. »Bundesliga-Vereine sind gigantische, von Managern geführte Unternehmen. Das Personal, sprich die Spieler, wird auf dem freien Markt angeworben, eingekauft – und wieder entlassen. Schauen Sie sich doch bloß mal um, welcher Spieler vom VfB Stuttgart tatsächlich aus Stuttgart kommt. Oder in München oder in Hamburg, egal wo. Gerade jetzt ist doch das Vertragskarussell wieder am Laufen. Kuranyi und so. Geht er jetzt zu Schalke oder nicht – oder was? Nein, Herr Rambusch, dieses Idyll von der lokalpatriotischen Mannschaft mag’s zwar in den Kreisligen – oder wie das heißt – noch geben, aber weiter oben hört das auf.«
Der Unternehmer nickte. »Aber die Fans im Stadion haben diesen Lokalpatriotismus noch.«
»Gott sei Dank«, meinte Liebenstein, »für viele von ihnen ist es sogar die einzige Abwechslung in einer tristen Arbeitswoche. Und der Tabellenplatz ihres Vereins ist ihnen wichtiger als alle Politik, die in Berlin gemacht wird.«
Über Rambuschs gut rasiertes Gesicht huschte ein Lächeln. »Das muss aus Sicht der Politiker ja nicht mal schlecht sein.«
Liebenstein tat so, als ob er diese Bemerkung nicht verstanden habe, sondern brachte einen anderen Punkt ins Gespräch. »Unvorstellbar auch die Unsummen, die mit den Übertragungsrechten fließen – was schließlich eng mit der Werbung zusammenhängt. Was glauben Sie, was ›Bitburger‹ oder ›Obi‹ für die paar Sekunden hinblättern, während denen vor dem Spiel, in der Halbzeit und hinterher ihre Firmenlogos auf dem Bildschirm erscheinen? Unsummen, das sag ich Ihnen, Herr Rambusch. Und die Einschaltquoten im Juni werden alles bisher da Gewesene in den Schatten stellen. Wollen wir wetten?«
Rambusch schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Was Werbung anbelangt, sind mir die Dimensionen klar. Und um ehrlich zu sein – da geht mir manches gegen den Strich. Wissen Sie, was ich manchmal glaube?« Er erwartete keine Antwort, sondern gab sie sich selbst: »Dass sich mancher Spieler zielgerichtet vor der großen ›Obi‹-Bandenwerbung fallen lässt und einige Sekunden den Schwerverletzten mimt. Glauben Sie mir, das tut der nur, um auf diese Weise die drei Buchstaben ins Fernsehbild zu bringen. Sekunden später rennt der angeblich verletzte Spieler wieder wie ein Hase und kriegt für seine Werbedienste hinterher womöglich Provision.«
Liebenstein lachte laut auf. »Bandenwerbung ist ein Riesengeschäft, natürlich. Man hat schließlich nicht umsonst vor einigen Jahren die Wechselbänder eingeführt. Alle paar Minuten drehen sich andere Firmenlogos ins Bild – das ist Ihnen sicher schon aufgefallen. Abgerechnet wird übrigens tatsächlich nach der Zeit, während der die einzelnen Werbungen im Fernsehen zu sehen sind.«
»Ich frag mich manchmal, was das alles noch mit Sport zu tun hat«, sinnierte Rambusch, »vor allem auch, wenn in der Halbzeit oder nach dem Spiel der Herr Netzer oder der Herr Beckenbauer oder wie die selbst ernannten Experten alle so heißen, jeden Spielzug analysieren, bewerten und kommentieren und sogar zu wissen glauben, was der einzelne Spieler sich in diesem oder jenem Moment gedacht hat. Oder wenn ich an diese dümmlichen Interviews gleich nach dem Abpfiff denke, wenn den verschwitzten und erschöpften Akteuren sofort ein Mikrofon unter die Nase gehalten wird. Dabei sind die Antworten mit Sicherheit einstudiert – und drehen sich im Kreis. Ich wart schon drauf, bis sie den Spielern während dem Kick Ohrhörer und Pilotenmikrofon umhängen, um sie gleich live bei jedem Spielzug interviewen zu können.« Rambusch grinste und äffte den Reporter nach: »Hallo, Herr Ballack, Sie dribbeln gerade aufs Tor zu. Was denkt man in dieser Situation? Oder: Hallo, Herr Kahn, beschreiben Sie uns kurz die Angst des Tormanns vor dem Elfmeter?«
Liebenstein amüsierte sich. »Nichts ist unmöglich, heißt es. Jedenfalls sind wir uns in der Einschätzung einig, dass nichts anderes in diesem Land die Massen derart mobilisiert wie Fußball. Und wie sehr gerade dieser Sport ein ›Wir‹-Gefühl zu erzeugen vermag, hat man bereits 1954 in Bern entdeckt. Damals, neun Jahre nach Kriegsende, war der Titelgewinn für Deutschland auch so etwas wie der Anstoß fürs Wirtschaftswunder. Man war wieder jemand – man hat gemeinsam die Ärmel aufgekrempelt und die Städte wieder aufgebaut.«
Rambusch nickte wieder. »Ein solches Gefühl brauchen wir dringender denn je«, gab er seinem Besucher Recht, »gerade unsere Jugend muss lernen, dass nicht berufliches ›Monopoly‹-Spielen als ›Global Player‹ die Zukunft sichert, sondern allein das produktive Engagement von uns allen.« Er machte eine kurze Pause und grinste: »Haben Sie die bereits legendäre Schlagzeile der ›Bild‹ -Zeitung noch in Erinnerung, als Ratzinger Papst wurde? Darin spiegelt sich wider, was die Nation braucht. ›Wir sind Papst‹ stand da seitenfüllend. Und vielleicht können wir bald ergänzen: ›Wir sind Papst und Weltmeister.‹
Liebenstein spürte, dass sie beide auf der gleichen Wellenlinie lagen. »Und deshalb müssen wir mit Nachdruck am Ball bleiben – im wahrsten Sinne des Wortes.« Er wollte jetzt zur Sache kommen und sich von Rambusch die aktuelle Finanzlage erläutern lassen. In diesem Augenblick meldete sich sein Handy. Er holte es aus der Innentasche seines Jacketts und drückte die grüne Taste. Es war Gangolf mit schlechten Nachrichten. Liebenstein bestätigte mit einem sachlichen »Okay«, verwies auf sein Gespräch, das er noch immer mit Herrn Rambusch führe und versprach, zurückzurufen.
»Also, kommen wir zur Sache«, bat er anschließend und Rambusch griff zu seiner Akte.
Ute Siller hatte die Nase endgültig voll. Was ihr das ›junge Ding‹ in der kartonierten Unterschriftenmappe vorgelegt hatte, war eine einzige Katastrophe. In den ausgedruckten Briefen gab es jede Menge Rechtschreibfehler – unter anderem hatte die Sekretärin konstant ein ›dass‹, wo es notwendig gewesen wäre, nur mit einem ›s‹ geschrieben. Kein Wunder, das Flittchen war schließlich Ausländerin. Die Finanz-Chefin der Firma Nullenbruch umkreiste jeden Fehler mit dem Kugelschreiber, geriet dabei schließlich derart in Rage, dass sie die zwei Dutzend Blätter mit dem Firmenkopf allesamt aus der Mappe schüttelte, die Papiere zu einem einzigen Ballen zerknüllte, aufsprang und wie von einer Rakete getrieben – die Unterschriftenmappe in der Linken und die unbrauchbar gewordenen Briefe in der Rechten – zur Vorzimmertür stürmte, sie aufriss und gleichzeitig zu toben begann: »Bist du wirklich so dämlich oder stellst du dich nur so an?«
Das Mädchen hatte sich schlagartig umgedreht und wurde kreidebleich. Es wollte etwas sagen, doch blieben ihm die Worte in der trocken gewordenen Kehle stecken.
»Aufstehn, wenn ich mit dir rede«, brüllte Frau Siller. Anna erhob sich mit weichen Knien, unfähig, etwas zu sagen, während die Chefin Unterschriftenmappe und Papierknäuel im hohen Bogen vor den Schreibtisch warf. Dabei kam sie bedrohlich nahe an die Sekretärin heran und blickte ihr energisch in die Augen: »Es gibt wohl nur eines, wozu du nicht zu dumm bist«, zischte sie deutlich leiser, aber umso gefährlicher. »Doch das will ich gar nicht in den Mund nehmen«, fügte sie abwertend hinzu. »Du schreibst diese Briefe alle nochmal – und wenn du keinen Schimmer von der Rechtschreibung hast, dann informier dich im Duden.« Anna kämpfte jetzt mit den Tränen.
»Heul nicht rum«, brüllte Ute Siller jetzt wieder und deutete auf den mit Akten kreuz und quer beladenen Schreibtisch: »Sieht so ein ordentlicher Arbeitsplatz aus?«
Das Mädchen atmete schnell, Tränen rannen über das Gesicht.
Mit einer kräftigen Armbewegung wischte die tobsüchtig gewordene Frau die Schreibtischplatte leer. Aktenordner stürzten zu Boden, eine leer getrunkene Kaffeetasse zerbrach, die Computermaus blieb am Kabel baumelnd an der Tischkante hängen. Zwei Handys, ein knallrotes und ein schwarzes, schmetterten gegen die Bodenleiste der gegenüberliegenden Wand. Beide Geräte erweckten Sillers Aufmerksamkeit. »Aha, gleich zwei Handys kann sich die Dame leisten«, stellte sie fest, »sehr üppig – muss ich schon sagen. Da bleibt natürlich keine Zeit mehr für ordentliches Arbeiten.«
Anna wich einen Schritt zurück und hielt sich an der Lehne ihres Schreibtischstuhles fest.
Ute Siller hätte am liebsten ausgeholt und der jungen Frau links und rechts eine schallende Ohrfeige verpasst. Doch so sehr sie jetzt auch die Beherrschung verloren hatte – so weit wollte sie nicht gehen. Das wäre gefährlich und fatal. Sie wusste ohnehin, dass allein ihre Autorität und die Art, wie sie mit diesem Mädchen umsprang, ihm genügend Respekt einflößte. »Hier werden also die ›Dates‹ für die Nacht arrangiert – um auf angenehme Weise Geld zu verdienen. Pennen und ausruhen – und das gegen Bezahlung – kannst du ja hier bei mir«, tobte die Frau. »Aber heut nicht«, fügte sie zischend hinzu, »du wirst hier drin bleiben, bis die Briefe geschrieben und alles – ich sage: alles – fein säuberlich aufgearbeitet ist. Den Schreibtisch will ich leer sehen. Und morgen wird hier kein privates Handy mehr in die Hand genommen. Keines. Hast du das kapiert?«
Anna nickte schnell und zitterte.
»Na dann – steh nicht so dumm rum. Oder willst du, dass ich nachher die Putzfrau heimschicke und dich auch noch die Klos putzen lasse?« Ute Siller machte kehrt, verschwand in ihrem Büro und schmetterte die Tür zu.