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IV. Gesamtreform in Teilgesetzen und Terrorismusbekämpfung (1974–1987)

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Anknüpfend an das StPÄG beabsichtigte der Gesetzgeber in den 1970er Jahren, „die Gesamtreform in einer Reihe aufeinander abgestimmter, schrittweise folgender Teilgesetze zu verwirklichen“[37]. Eine umfassende Reform des Strafverfahrensrechts wurde „als dringendes rechtspolitisches Anliegen“[38] empfunden und das Reformbedürfnis im Wesentlichen wie folgt begründet:

„– Trotz mannigfacher Änderungen, die die Strafprozeßordnung seit ihrer Schaffung im Jahre 1877 erfahren hat, ist ihre Grundkonzeption in wesentlichen Teilen eine solche des vorigen Jahrhunderts. Ein Gesetz dieses Alters bedarf selbst dann, wenn es sich in der Praxis bewährt hat, einer umfassenden Überprüfung, um es von überflüssig gewordenem Ballast zu befreien und seine Regelungen den veränderten Umständen und Bedingungen anzupassen.
Der soziale Rechtsstaat des Grundgesetzes hat einem neuen Verständnis von der Stellung des Einzelnen und der Gemeinschaft zum Durchbruch verholfen. Über die verfassungskonforme Auslegung und die Einzelanpassung hinaus muß ein Gesetz, das in so starkem Maße wie die Strafprozeßordnung angewandtes Verfassungsrecht ist, einer Totalrevision unterzogen werden, welche die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen berücksichtigt.
Die in wesentlichen Teilen abgeschlossene Strafrechtsreform hat in vieler Hinsicht die Aufgabe des materiellen Strafrechts und den Zweck der Strafe neu bestimmt. Aus dieser neuen Strafrechtsauffassung, die den Menschen und die Bemühung um seine Wiedereingliederung in den Mittelpunkt stellt, gewinnt auch das Strafverfahrensrecht Impulse für eine Neugestaltung.
In den fast einhundert Jahren seit dem Bestehen der Strafprozeßordnung haben sich Ursachen und Erscheinungsformen der Kriminalität gewandelt. Neue Typen von Straftaten haben sich gebildet; solche, die bei der Schaffung der Strafprozeßordnung im Vordergrund standen, haben erheblich an Bedeutung verloren. Hieraus ergeben sich neuartige Anforderungen an das Instrumentarium, das die Strafprozeßordnung zur Bekämpfung der Kriminalität zur Verfügung stellen muß.“[39]

Außerdem gebe es neue Erkenntnisse über die Aussagekraft der Beweismittel und über Fehlerquellen sowie neue technische Möglichkeiten, die nur bei einer umfassenden Reform berücksichtigt werden könnten. Auch hätten Rechtsprechung und Prozessrechtswissenschaft die dogmatischen Grundlagen der StPO verfeinert und seien zu neuen Erkenntnissen gelangt, die der Gesetzgeber berücksichtigen müsse.

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Zur Vorbereitung der Reform wurde 1970 eine Arbeitsgruppe „Strafverfahrensreform“ aus Vertretern des Bundesministeriums der Justiz und aller Landesjustizverwaltungen gebildet, mehrere Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg eingeholt und rechtstatsächliche Untersuchungen eingeleitet. Von den folgenden fünf umfangreichen Novellen – 1. StVRG, 1. StVRGErgG, StVÄG 1979, OpferschutzG und StVÄG 1987 – fußt allerdings nur die erste (und der Entwurf eines 2. StVRG) maßgeblich auf dem Gedanken der Gesamtreform. Rieß stuft sie daher im Rückblick zu Recht nicht als Beginn einer Gesamtreform, sondern als bedeutsame „Einzelnovelle“[40] ein.

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Daneben sind einige ebenfalls umfangreiche amtliche Entwürfe vorgelegt worden, die nicht Gesetz geworden, teilweise nicht einmal in das Gesetzgebungsverfahren gelangt sind wie der Referentenentwurf eines 1. Justizreformgesetzes (Gesetz zur Neugliederung der ordentlichen Gerichtsbarkeit) von 1971, der einen dreistufigen Gerichtsaufbau vorsah;[41] der Diskussionsentwurf für ein Gesetz über die Rechtsmittel in Strafsachen (DE-Rechtsmittelgesetz) von 1975,[42] der die Urteilsrüge als einheitliches Rechtsmittel vorsah; sowie ein Referentenentwurf zur Neuordnung des Rechtsschutzes gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen von 1981[43].

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Mit drei zum 1. Januar 1975 in Kraft getretenen Gesetzen, dem EGStGB 1974, dem 1. StVRG und dem 1. StVRGErgG wurden StPO und GVG in bisher nicht gekanntem Ausmaß geändert.[44] Das EGStGB vom 2. März 1974[45] schloss nicht nur die Reform des materiellen Strafrechts, namentlich des Allgemeinen Teils, vorerst ab, sondern enthielt auch eine Reihe strafprozessualer Änderungen, deren bedeutsamste wohl die Einführung der Einstellung gegen Auflagen und Weisungen in § 153a StPO als neue Sanktionsform ist. Eingeführt wurde ferner das vorläufige Berufsverbot in § 132a StPO, neu geregelt wurden die Sicherungsbeschlagnahme in §§ 111b ff. StPO und das Sicherungsverfahren der §§ 413 ff. StPO. Gestrichen wurden das alte Abwesenheitsverfahren (§§ 277 bis 284 StPO a.F.), das alte Strafverfügungsverfahren (§ 413 a.F. StPO) und die Möglichkeit, Freiheitsstrafen durch Strafbefehl zu verhängen. Im neu geordneten Strafvollstreckungsrecht wurden die Strafvollstreckungskammern eingeführt (§§ 74a, 74b GVG).

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Das 1. StVRG vom 9. Dezember 1974[46] hatte hauptsächlich die Straffung und Beschleunigung des Strafverfahrens zum Ziel und sollte daneben die Verfahrensrechte des Beschuldigten stärken. Dafür wurden im Ermittlungsverfahren die Zuständigkeiten von Staatsanwaltschaft und Gericht neu abgegrenzt dergestalt, dass die Staatsanwaltschaft zur alleinigen Ermittlungsbehörde bestimmt wird und die richterliche Mitwirkung auf das verfassungsrechtlich nötige Maß und eine mehr kontrollierende Tätigkeit beschränkt wird. Abgeschafft wurde daher auch die in der Praxis ohnehin nur selten genutzte gerichtliche Voruntersuchung (§§ 178 bis 197 StPO a.F.), die als Relikt des Inquisitionsprozesses und Anzeichen des Misstrauens gegenüber dem damals neuen Amt des Staatsanwalts angesehen wurde. Weitere Ermittlungszuständigkeiten wurden auf den Staatsanwalt übertragen (§§ 87, 100, 110, 159 StPO) und dessen Tätigkeit durch die Erscheinens- und Aussagepflichten der §§ 161a, 163a StPO gestärkt; endgültig gestrichen wurde die durch das StPÄG 1964 eingeführte Schlussanhörung und das Schlussgehör. Die bisher nur periodisch tätigen neunköpfigen Schwurgerichte wurden beseitigt, an ihre Stelle traten unter Beibehaltung des irreführenden Namens ständige große Strafkammern. Das Recht der Wiederaufnahme wurde geändert (§§ 23, 364a, 364b, 367, 369, 464a StPO, § 140a GVG), um die Erfolgsaussichten zu verbessern.[47]

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Während die meisten der vorgenannten Änderungen unter dem Stichwort der Beschleunigung firmieren, sind andere als „Maßnahmen zur Verbesserung der Verbrechensbekämpfung“ ausgeflaggt, so die Regelungen über die Ausübung des Zeugnis- und Untersuchungsverweigerungsrechts bei verstandesunreifen Personen (§§ 52 Abs. 2, 81c Abs. 3 StPO), die Erweiterung des Katalogs des § 100a StPO und der verrufenen Örtlichkeiten in § 104 Abs. 2 StPO sowie der Sicherungshaftbefehl nach § 453c StPO bei drohendem Widerruf der Strafaussetzung.

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Von den zahlreichen weiteren Regelungen seien erwähnt die Lockerung des Vereidigungszwangs (§ 61 Nr. 5 StPO a.F.), die Protokollerfordernisse und Anwesenheitsrechte bei richterlichen Handlungen im Ermittlungsverfahren (§§ 168 ff. StPO), die auf 30 Tage erweiterte Unterbrechungsmöglichkeit der Hauptverhandlung (§§ 229, 268 StPO) in Großverfahren, erweiterte Verlesbarkeit von Sachverständigengutachten (§ 256 StPO), Wiederherstellung der durch das StPÄG 1964 aufgehobenen Beschränkung des Inhaltsprotokolls auf amtsgerichtliche Verfahren (§ 273 Abs. 2 StPO), Einführung der durch einen absoluten Revisionsgrund sanktionierten Frist für die Absetzung des schriftlichen Urteils (§§ 275, 338 Nr. 7 StPO), Erweiterung der Möglichkeit, die Berufung bei unentschuldigtem Ausbleiben des Verurteilten zu verwerfen (§§ 329, 330 StPO) sowie die Neuregelung der Nebenklage (§§ 377, 395 ff. StPO).

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Das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts (1. StVRGErgG) vom 20. Dezember 1974[48] beruht auf dem Entwurf zu einem 2. StVRG, der durch die als dringender angesehenen Bedürfnisse der Terrorismusbekämpfung überlagert wurde. In Reaktion auf Entscheidungen des BVerfG wurde bei Verweigerung des Eides aus Glaubens- oder Gewissensgründen die dem Eid gleichgestellte Bekräftigung der Wahrheit geschaffen (§§ 57, 65 StPO, § 155 StGB)[49] und der Ausschließung des Verteidigers eine gesetzliche Grundlage gegeben (§§ 138a bis 138d StPO)[50]. Die Mehrfachverteidigung wird nun gänzlich verboten. Zum Schutz jugendlicher Zeugen werden diese nun allein vom Vorsitzenden vernommen (§ 241a StPO), wobei der Angeklagte entfernt werden kann (§ 247 StPO).

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Aufgrund der Erfahrungen mit den ersten Verfahren wegen der terroristischen Gewalttaten der RAF wurde die Höchstzahl der Wahlverteidiger begrenzt (§ 137 StPO) und die Verhandlung in Abwesenheit des verhandlungsunfähigen oder sich ordnungswidrig verhaltenden Angeklagten ermöglicht (§§ 231a, 231b StPO),[51] das Erklärungsrecht nach jeder Beweisaufnahme beschränkt (§ 257 unter Streichung des 1964 eingeführten damaligen § 257a StPO), die Ordnungsmittel bei Ungebühr erweitert in §§ 177, 178 GVG usw.

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Zwischendurch erging das Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk vom 25. Juli 1975,[52] das die §§ 53, 97 und 98 StPO ergänzte und die §§ 111m, 111n StPO einfügte, weil das BVerfG die Regelungen der entsprechenden Zeugnisverweigerungsrechte in den Landespressegesetzen für nichtig erklärt hatte.[53]

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Drei weitere Gesetze sollten der Bekämpfung des Terrorismus dienen. Das oft als erstes Antiterrorismusgesetz bezeichnete StGBÄndG vom 18. August 1976[54] schuf den Tatbestand der Bildung terroristischer Vereinigungen (§ 129a StGB) und als flankierende verfahrensrechtliche Maßnahmen die Strafverfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts in § 120 GVG, die entsprechende Inhaftierungsmöglichkeit in § 112 Abs. 3 StPO, den Verteidigerausschluss auch in anderen Verfahren (§§ 138a, 138c StPO) sowie die Überwachung des schriftlichen Verkehrs des Verteidigers mit dem inhaftierten Beschuldigten (§§ 148 Abs. 2, 148a StPO). Als Reaktion auf die Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer wurde das sog. „Kontaktsperregesetz“ vom 30. September 1977[55] erlassen, das die vollständige Unterbrechung jeden Kontakts zwischen inhaftierten Terroristen und der Außenwelt ermöglichte (§§ 31 bis 37 EGGVG). Das auf die Ermordung von Ponto, Schleyer und Buback folgende StPÄG vom 14. April 1978[56] erweiterte die Durchsuchungsbefugnisse, führte Ermächtigungen für Kontrollstellen (§ 111 StPO) und Identitätsfeststellungen ein (§§ 163b, 163c StPO), senkte bei Verfahren nach § 129a StGB die Verdachtsschwelle für den Verteidigerausschluss und sah Trennscheiben für das mündliche Verteidigergespräch vor, die die Übergabe von Schriftstücken und anderen Gegenständen verhindern sollen (§ 148 Abs. 2 S. 3 StPO).

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Demgegenüber knüpfte das StVÄG 1979[57] zwar an das 1. StVRG an, sollte jedoch nach den Worten des damaligen Bundesjustizministers „keine echte Weiterführung der … begonnenen Totalerneuerung“[58] des Strafverfahrensrechts bedeuten. Vielmehr wurde der Akzent noch stärker auf die Verfahrenserleichterung und Beseitigung von Ablaufhemmnissen gelegt, insbesondere durch eine Vielzahl von Maßnahmen gegen die als missbräuchlich angesehene Ausübung von Verfahrensrechten.[59] Dazu gehören die Möglichkeit der Fortführung des Verfahrens trotz Ablehnungsgesuchs (§ 29 Abs. 2 StPO), Besetzungsrügepräklusion in erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG und OLG (§§ 222a, 222b StPO), Irrevisibilität unanfechtbarer Zwischenentscheidungen (§ 336 S. 2 StPO), Einführung des – die Prinzipien der Mündlichkeit und Öffentlichkeit beeinträchtigenden – Selbstleseverfahrens (§ 249 Abs. 2 StPO) und Einschränkung der Verwendung präsenter Beweismittel in § 245 StPO. Der Vereinfachung dienen insbesondere die erweiterten Möglichkeiten der Beschränkung des Verfahrensstoffs in §§ 154, 154a StPO, Vereinfachung der Protokollierung gem. §§ 168, 168a StPO, „Beurlaubung“ eines Angeklagten, sofern die gegen mehrere Mitangeklagte geführte Hauptverhandlung ihn nicht betrifft (§ 231c StPO) usw.[60] Strafbefehle können nun auch vom Schöffengericht erlassen werden.

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In der Zeit zwischen 1979 bis 1986 war das Strafverfahrensrecht überwiegend bloßen Folgeänderungen ausgesetzt[61] wie der Einfügung der Umweltdelikte in das StGB durch das 18. StrÄndG,[62] der § 10a StPO folgt, der Schaffung der Reststrafenaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe durch das 20. StrÄndG,[63] worauf § 454 StPO folgt, sowie Änderungen der §§ 453 ff. StPO als Konsequenz des 23. StrÄndG,[64] das die Strafaussetzung auf Bewährung insgesamt erweiterte. Das im Zeichen der Terrorismusbekämpfung stehende StPÄG vom 19. April 1986[65] führte den Datenabgleich in § 163d StPO ein, das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 19. Dezember 1986[66] dehnte mit der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts aus (§§ 120 Abs. 2, 142a Abs. 4 GVG n.F.). Die im Gesetzentwurf enthaltene, als fakultatives Verfolgungshindernis ausgestaltete Kronzeugenregelung[67] ließ sich nicht durchsetzen[68] und wurde wenig später im StGBÄndG 1989[69] realisiert.

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Mit dem StVÄG 1987[70] knüpft der Gesetzgeber thematisch an das 1. StVRG und StVÄG 1979 an, insofern es vorrangig wieder um Entlastung, Vereinfachung und Beschleunigung geht. Zugleich wird deutlich, dass der noch das 1. StVRG beherrschende Impuls zu einer Gesamtreform nun endgültig erstorben ist.[71] Das Gesetz enthält eine Vielzahl punktueller Regelungen, wie die Verlängerung der Unterbrechungsfristen (§§ 229, 268 StPO), Erweiterung des Selbstleseverfahrens in § 249 Abs. 2 StPO, Verlesbarkeit nichtrichterlicher Protokolle im allseitigen Einverständnis gem. § 251 Abs. 2 S. 1 a.F. (entspricht heute § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO), Erweiterung der Bezugnahmen in den Urteilsgründen nach § 267 Abs. 4 S. 1 StPO und Einschränkung des Inhaltsprotokolls § 273 Abs. 2 StPO. Die in § 328 Abs. 2 a.F. StPO enthaltene Befugnis des Berufungsgerichts, wegen eines Verfahrensfehlers zurückzuverweisen, entfällt. Das Strafbefehlsverfahren soll vorrangig genutzt werden und wird deshalb modernisiert, der Strafbefehlsantrag in der Hauptverhandlung eingeführt (§ 408a StPO), die Einspruchsfrist verlängert, der unanfechtbare Strafbefehl dem rechtskräftigen Urteil gleichgestellt (§ 410 StPO) bei erleichterter Wiederaufnahme (§ 373a StPO). Gestärkt wird aber auch das Recht auf Verteidigung, indem der Beschuldigte nun mehr Einfluss auf die Auswahl des Pflichtverteidigers bekommt (§ 142 StPO), das Verbot der Mehrfachverteidigung wieder eingeschränkt (§§ 146, 146a StPO) und die notwendige Verteidigung ausgebaut wird.

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Den Beginn einer neuen inhaltlichen Entwicklungslinie[72] markiert der Erlass des zeitgleich mit dem StVÄG 1987 in Kraft getretenen Opferschutzgesetzes vom 18. Dezember 1986.[73] Der internationale rechtspolitische Trend, der das mutmaßliche[74] Tatopfer bzw. den Verletzten als eigenständigen Akteur des Strafverfahrens sieht und mittlerweile bald vier Jahrzehnte anhält, löste in Deutschland zu Beginn der 1980er Jahre eine Reformdiskussion aus, die den 55. DJT beschäftigte[75] und schließlich rasch[76] zu einem ersten Gesetz führte, das dem bisher im Strafprozess allenfalls als Zeuge oder Augenscheinsobjekt fungierenden Opfer Ansätze einer eigenen Rolle zuwies. Neu geregelt wurde die Nebenklage und für alle Verletzten die Beteiligtenbefugnisse und Informationsrechte der §§ 406d bis 406h StPO. Eine Erweiterung des Persönlichkeitsschutzes, namentlich des Schutzes vor Bloßstellung des Verletzten in der Öffentlichkeit und vor unzumutbarer Konfrontation mit dem mutmaßlichen Schädiger, ist in § 68a StPO (Vermeidung von Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich), § 247 S. 2 StPO (Entfernung des Angeklagten) und § 171b GVG (Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich eines Verletzten) vorgesehen. Verstärkt in den Blick rückt auch die Schadenswiedergutmachung, die durch Änderungen im Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff. StPO), Berücksichtigung bei der Vollstreckung von Geldstrafen (durch Gewährung von Zahlungsaufschub, § 459a StPO) und Strafzumessungsrelevanz von Ausgleichsbemühungen des Täters (§ 46 Abs. 2 S. 2 StGB) gefördert werden soll.

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