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VI. Zusammenfassung
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Die Entwicklung im Nationalsozialismus ist gekennzeichnet durch die fortschreitende Marginalisierung der Rechtsposition des Beschuldigten, die Überbetonung der staatlichen Interessen und die damit verbundene Aufwertung der Rolle der Staatsanwaltschaft unter Zurückdrängung der richterlichen Verantwortung und die faktische Ausschaltung der richterlichen Unabhängigkeit. Die beherrschende Stellung der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren war wesentlicher Baustein des NS-Strafverfahrens, da die Staatsanwaltschaft durch ihre Weisungsgebundenheit noch leichter beeinflusst werden konnte als die formal noch unabhängigen Gerichte.[233] Gleichwohl blieb das Strafverfahren im Wesentlichen der Wahrheitsermittlung verpflichtet. Die zum Teil radikalen Vorschläge einer Gesamtreform nach nationalsozialistischem Vorbild konnten sich nicht durchsetzen, was die Verfahrenspraxis, vor allem vor dem Volksgerichtshof und vor den Sondergerichten, nicht daran hinderte, ihren Teil zur „Perversion der Strafjustiz“[234] beizutragen.
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Es darf nicht vergessen werden, dass Strafrecht und Strafverfahrensrecht unter „Diktaturvorbehalt“ standen und damit – wie auch das Strafrecht insgesamt – seine Allgemeingültigkeit als wesentliches Merkmal von Recht verloren hatten. Die nationalsozialistischen Machthaber behielten sich das letzte Wort vor, die geschriebenen Regeln wurden nur anerkannt, soweit es „das wirksamste Mittel zur Erhaltung und Förderung des Volkes ist“, anderenfalls müssten „andere Mittel statt Rechtsnormen angewandt werden.“[235] Getreu diesen Vorstellungen konnten selbst rechtskräftige Strafurteile praktisch wertlos sein. Freigesprochene wurden in Konzentrationslager verbracht oder Verurteilte wurden auf Befehl des Führers getötet, wenn dieser mit Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht einverstanden war.[236] Auch das Legalitätsprinzip wurde nicht nur durch legislative Maßnahmen durchbrochen. Viele Taten von Angehörigen nationalsozialistischer Organisationen, die auch nach damaligem Recht strafbar waren, wurden nur halbherzig oder überhaupt nicht von den Staatsanwaltschaften verfolgt.[237]