Читать книгу Jahresabschluss nach dem Schweizer Rechnungslegungsrecht - Marco Gehrig - Страница 37
2.7.2 Vollständigkeit, Richtigkeit (wahrheitsgetreu), Systematik
ОглавлениеDie Vollständigkeit bildet einen wesentlichen Bestandteil der Rechnungslegung. Wenn die Buchungstatsachen nach dem Auswahlprozess feststehen, müssen Regeln für deren ordnungsmässige Erfassung beachtet werden. Die Bestände von Aktiven und Passiven aus der Eröffnungsbilanz sind vollständig auf die Konten zu übertragen. In der Folge sind alle Sachverhalte, welche eine Auswirkung auf die Höhe, Zusammensetzung und Entwicklung der Vermögenswerte, des Fremdkapitals sowie den Periodenerfolg haben, buchführungspflichtig und laufend, lückenlos und periodengerecht zu erfassen.63
Die Zeitnähe ist im Rechnungslegungsrecht nicht ausdrücklich erwähnt. Die Buchungstatsachen müssen in jenem Zeitpunkt erfasst werden, in dem sie rechtlich und/oder wirtschaftlich wirksam werden. Für kleine Unternehmen werden zeitliche Buchungsrückstände nicht ohne Weiteres als ordnungswidrig betrachtet.64
Die Richtigkeit steht in Verbindung mit der wahrheitsgetreuen Erfassung von Geschäftsereignissen. Bereits das bisherige Buchführungsrecht 1936 forderte die wahrheitsgetreue Erfassung, denn die in der Marginalie von aOR 959 erwähnte Bilanzwahrheit setzte die Wahrheit der laufenden Buchführung voraus. Angesichts des unpräzisen Inhalts des Begriffs Wahrheit mit dem damit verbundenen Absolutheitsanspruch verwendet Leffson65 den Begriff der Richtigkeit. In der Buchführung ist die Forderung nach Richtigkeit eingehalten, wenn die Belege und Buchungen den zu Grunde liegenden Geschäftsvorfällen, der Sache wie der Höhe nach entsprechen. Der Begriff Willkürfreiheit bedeutet, dass der für die Buchführung Verantwortliche persönlich die Bezeichnung der Konten und Buchungstexte für eine korrekte Aussage über die zu Grunde liegenden Sachverhalte hält. Die erfassten Daten müssen vollständig, unverfälscht und richtig kontiert sowie gemäss den Regeln des gewählten Standards, z. B. Swiss GAAP FER, korrekt verbucht werden.66 Die Ausnützung des gesetzlichen Buchungs- und Bewertungsspielraums (beispielsweise gemäss OR 960a IV, 960e III, Ziff. 4) verletzt den Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit nicht, obwohl damit die gesetzliche Pflicht zur wahrheitsgetreuen Erfassung von Buchungstatsachen erheblich relativiert wird.
Aus der Pflicht zur systematischen Erfassung der Buchungstatsachen ergibt sich in der Regel (Ausnahme OR 957 II) die Notwendigkeit der doppelten Buchhaltung. Hiermit wird die geforderte Systematik erfüllt. Die GebüV fordert die chronologische und lückenlose Erfassung in einem Journal und eine sachlogische Gliederung der verbuchten Geschäftsvorfälle und Sachverhalte auf Konten. Dies setzt einen aus einem Kontenrahmen abgeleiteten unternehmensspezifischen Kontenplan voraus.
Unter einem Kontenrahmen versteht man ein nach bestimmten Grundsätzen strukturiertes Ordnungsschema zur Kontenklassifikation, welches dem einzelnen Unternehmen zur Erstellung des systematischen und umfassenden Kontenverzeichnisses, des Kontenplans, dient.
Der Kontenrahmen erleichtert in der Informationstechnologie (IT) die Buchführung und die Homogenisierung der betriebs- und branchenübergreifenden Software zur Kontenverwaltung. Damit soll gewährleistet werden, dass gleichartige Buchungstatsachen stets gleichartig und willkürfrei verbucht werden.
Das Konzept der systematischen Erfassung der Konten in einem Kontenrahmen geht auf Eugen Schmalenbach zurück.67 In der Schweiz kommt das Verdienst, dem Konzept eines einheitlichen Kontensystems zum Durchbruch verholfen zu haben, Karl Käfer, zu. Er hat auf Initiative des Schweizerischen Gewerbeverbandes 1947 einen vom Schmalenbachschen Grundkonzept abweichenden »schweizerischen« Kontenrahmen ausgearbeitet.68 Das Nachfolgewerk ist der Kontenrahmen KMU.69 Im Gegensatz zu ausländischen Beispielen ist die Anwendung des Kontenrahmens freiwillig.70
Die nach dem dekadischen System aufgebaute Kontengliederung kann nach zwei unterschiedlichen Konzepten erfolgen:
• dem Prozessgliederungs- oder Abrechnungsfolge-Prinzip,
• dem Abschluss- oder Bilanzgliederungsprinzip.
Ein Vergleich des KMU Kontorahmen (Abschlussgliederung) und der DATEV71 (Prozessgliederung) zeigt folgendes Bild auf ( Tab. 1).
Tab. 1: Abschluss- und Prozessgliederung
Abschlussgliederung Kontenrahmen KMU KontenklassenProzessgliederung Kontenrahmen DATEV SKR 03 (2014) Kontenklassen
Die Konten sind im Kontenrahmen KMU nach fünf Ebenen gegliedert ( Tab. 2).
Der Detaillierungsgrad innerhalb der Gruppen ist hoch. Die Hauptgruppe Personalaufwand sieht beispielsweise 23 Gruppen und rund 50 Einzelkonten vor. Die nicht nummerierten Untergruppen dienen der Strukturbildung innerhalb einer Gruppe.
Die Führung eines Kontorahmens ermöglicht auch die Vergleichbarkeit von Unternehmen für die Finanzanalyse.
Tab. 2: Konzeption des KMU-Kontorahmens
KategorieNummerlogikBeispiel