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Zerschmetterte Helden
ОглавлениеZufallsgespräch mit einem Mann von der Bergrettung. Er hat schon mehr als sechzig Sommer in der Höhe verbracht. Seine ersten Schritte machte er auf der Alm. Und die Winter dort oben, die kennt er auch, und er fürchtet sie. Aber nicht so, wie man ein Ungeheuer fürchtet. Eher wie man Gott fürchtet.
Die Nachrichten aus den letzten Tagen haben den Mann zornig gemacht. Jeden Tag fallen ein paar herunter, weil sie verrückt sind, und jeden Tag wollen neue Verrückte hinauf. Hinauf wollen sie alle. Wir waren auch jung und stürmisch, sagt der Mann, der noch lange nicht alt ist. Aber wir haben gewusst: Gegen den Berg ist kein Duell zu gewinnen. Du bist der Verlierer in dem Moment, wo du glaubst, dass du der Größte bist.
Die Nachrichten aus den letzten Tagen klangen immer ungefähr so: Nicht ausgerüstet für den Gipfelsturm. Selbstüberschätzung. Alle Gebote des Berges missachtet. Heruntergefallen. Tot.
Der Mann, den diese Nachrichten so aufregen, hat schon Hunderte Bergsteiger geborgen. Manche nur erschöpft und unterkühlt, manche schwer verletzt, manche nicht mehr zu retten. Er hat sein eigenes Leben nicht nur einmal aufs Spiel gesetzt.
Vor ein paar Tagen erst, da hat der Mann von der Bergrettung eine Gruppe gewarnt, bei diesem Wetter und mit dieser Ausrüstung aufzusteigen. Der Mann von der Bergrettung hatte Glück: Alle sind unversehrt wieder ins Tal gekommen. Er hat seinen Kopf nicht riskieren müssen.
Wie Helden haben sich die Idioten dann noch aufgespielt, sagt der Bergführer. Das ist genau die Sorte Helden, die fast jeden Tag Schlagzeilen macht. Lesen können sie von ihren Heldentaten nichts mehr. Denn sie liegen zerschmettert in der Schlucht.
6. August 1997