Читать книгу Gipfelliebe Gesamtausgabe - Mariella Loos - Страница 10
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ОглавлениеEine halbe Stunde später saßen Marie und Georg am hölzernen Esstisch vor der offenen Küche. Der Duft nach Rührei und Speck lag in der Luft. Marie hatte dicke Scheiben Bauernbrot abgeschnitten. Georg wischte mit einem Stück davon die letzten Reste von seinem Teller und schmatzte genüsslich. Danach spülten sie gemeinsam die Teller. Schließlich zückte Marie ihr Handy und hielt es Georg hin.
„Jetzt fangen wir an, dein Profil zu erstellen. Zuerst brauchen wir ein schönes Foto von dir.“
Georg nahm das Handy entgegen. „Und von dir“, sagte er.
Gemeinsam gingen sie vors Haus und stiegen ein paar Schritte die Bergwiese hinauf. Die Abendsonne warf einen warmen goldenen Schein auf die umliegenden Berge.
„Perfekt“, fand Marie. „Du bist als Erster dran. Stell dich dort hin und mach ein freundliches Gesicht.“
Georg grinste verlegen und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
Marie blickte kritisch auf den Bildschirm ihres Handys und knipste mehrmals. Dann hielt sie Georg das Handy hin. „Das passt. Jetzt bin ich an der Reihe.“ Sie stellte sich mit dem Rücken zur Bergkulisse.
Georg beobachtete sie, während Marie ihre Haare löste, den Kopf schüttelte und unbefangen in die Handykamera schaute. Für einen kurzen Augenblick schien Georg vergessen zu haben, was er vorhatte, aber dann sah er fachmännisch durch das Kameraauge des Mobiltelefons und erteilte Anweisungen.
„Ein bisschen nach links. Jetzt den Kopf zu mir. Ja, super.“ Er gab Marie das Handy zurück und klopfte ihr auf die Schulter. „Die Bilder sind richtig gut geworden. Die Männer werden Schlange stehen, um dich zu treffen.“
Marie strahlte ihren Freund an.
„Danke. Aber die müssen erst mal hier raufkommen.“
Wieder im Haus sah Georg bewundernd zu, wie Marie ihr Handy mit einem Kabel an das Laptop anschloss und die Bilder überspielte. Mit wenigen Klicks hatte sie das Datingportal geöffnet und sich angemeldet. Auf dem Bildschirm erschien Georgs Bild neben seinem Namen, seinem Alter und mehreren grauen Feldern.
„So, jetzt müssen wir noch erklären, was für ein toller Mensch du bist, und beschreiben, wie du dir deine Traumfrau vorstellst“, sagte Marie.
Georg runzelte die Stirn. „Na schön, dann schreib: ‚Netter Bauer sucht Frau für gemeinsame Hofübernahme‘“, schlug er vor.
Marie schüttelte den Kopf. „Nein, das ist nicht gut.“ Sie biss sich auf die Oberlippe, kniff die Augenbrauen zusammen und starrte angestrengt auf den Bildschirm.
Georg grinste. „Du siehst aus wie ein Fisch, wenn du dich konzentrierst, wusstest du das?“, meinte er. Marie hörte nur halb zu. Sie brauchte Ruhe, um nachzudenken. Nach einer Weile fing sie an zu tippen. „Attraktiver, liebevoller Naturmensch sucht Gleichgesinnte.“ In das nächste Feld schrieb sie: „Du magst Tiere und die Berge? Du suchst einen ungebundenen, einfühlsamen Mann für interessante Gespräche und ein unvergessliches Zusammensein? Dann melde dich bei mir!“ Sie las die Zeilen noch einmal durch und schnalzte zufrieden mit der Zunge.
„Klingt gut, oder?“
Georg nickte anerkennend. „Danke, ich hatte ja gar keine Ahnung, dass ich attraktiv und liebevoll bin.“
Marie spürte, wie sie rot wurde. Hatte er bemerkt, wie gut aussehend sie ihn in letzter Zeit tatsächlich fand? Schnell drehte sie den Kopf zur Seite. Statt einer Antwort drückte sie auf „Senden“ und schob den Computer weiter in Georgs Blickfeld. „Gern geschehen. Dafür darfst du jetzt was über mich schreiben.“
Georg beugte sich nach vorne und betrachtete nachdenklich Maries Bild. Es dauerte lange, bis seine Finger die richtigen Tasten fanden. Nach einer gefühlten Ewigkeit begann er zu tippen. Schließlich lehnte er sich zurück und ließ Marie seinen Text lesen. „Wunderschöne, intelligente Frau sucht respektvollen Verehrer. Wenn du eine starke Frau und wertvolle Freundin zu schätzen weißt, die für dich da ist, mit dir Pferde stiehlt und dich in die Bergwelt entführt, dann melde dich. Marie wird dich verzaubern.“
Marie wandte sich vom Bildschirm ab und begegnete Georgs Blick. Für einen kurzen Moment meinte sie ein Knistern zu spüren. Doch schon im nächsten Augenblick war es weg. Nein, das war unmöglich, sicher hatte sie sich geirrt. Dennoch musste Marie sich räuspern, um den Frosch im Hals loszuwerden, bevor sie etwas sagte. „Danke für die Blumen. Ist ein bisschen dick aufgetragen, findest du nicht?“
„Kein bisschen“, antwortete er wie aus der Pistole geschossen. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Danke, dass du mir hilfst.“
„Passt schon.“ Marie versenkte ihren Kopf wieder hinter dem Bildschirm. Georg sollte nicht merken, wie verlegen sie auf einmal war. Noch zwei Klicks, dann klappte sie das Gerät zu. Sie schrieb ihr gemeinsames Zugangs-Passwort auf einen Zettel und hielt ihn Georg hin. „Du kannst jederzeit reinschauen und sehen, wer schon geantwortet hat“, sagte sie. Obwohl sie wusste, dass er das nicht tun würde.
Marie konnte es sich nicht erklären, aber sie war erleichtert, als Georg nach einer Weile aufstand und nach seiner Jacke griff.
„Also dann, ich muss los, die Kühe warten.“
Vor einigen Jahren hatte der Sonnhof wie viele andere Bergbauernhöfe in der Gegend finanzielle Probleme gehabt, und Christl und Max hatten ihn verkleinern müssen. Seitdem lebten sie von der Verpachtung ihrer Felder und den Mieteinnahmen aus einer Ferienwohnung in Josefszell. Die übrig gebliebenen Milchkühe auf dem Hof waren streng genommen nur noch ein Hobby. Genug Arbeit machten sie dennoch.
In der Tür drehte Georg sich noch einmal um. Seine Frage kam so unvermittelt, dass Marie einen Schritt zurückwich. „Bist du sicher, dass du keinen Mann suchst?“
Einen kurzen Moment lang sprach keiner ein Wort. Marie fühlte sich überrumpelt von der Frage, wollte ihrem Freund aber gleichzeitig ehrlich antworten. Sie starrte auf den Boden, als würde sie dort die richtige Antwort finden. „Im Moment bin ich mir sicher“, sagte sie schließlich zögerlich. „Ich mag mein Leben, so wie es ist. Ich liebe mein Zuhause. Und ich kann mir einfach keinen Mann vorstellen, der hierherpasst.“ Sie überlegte noch einen Moment. „Außerdem will ich selber entscheiden, was ich tue, ohne dass mir jemand reinredet.“ Sie lächelte schelmisch.
„Abgesehen von dir, aber das erlaube ich auch nur so ein kleines bisschen.“ Sie hob die Hand und formte einen winzigen Schlitz mit Daumen und Zeigefinger. „Und jetzt mach, dass du heimkommst, sonst verhungern die armen Tiere. Bis morgen.“ Marie umarmte Georg freundschaftlich und schob ihn zur Tür hinaus.
Als seine Schritte auf dem Weg ins Tal verhallt waren, lehnte sie sich gegen die Wand. Ihr Kopf war heiß, und sie hatte weiche Knie. Konnte das mit Georg zu tun haben? Das ergab einfach keinen Sinn! Er war ihr bester Freund, ihr Ersatzbruder. Auch wenn sie ihn attraktiv fand, hieß das noch lange nicht, dass er sie als Mann interessierte. Falls ihr Körper das anders sah, täuschte er sich wohl. Es musste eine andere Erklärung geben. Wahrscheinlich hatte sie sich nur eine Erkältung eingefangen. Oder sie hatte Muskelkater vom Radfahren. Sie beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken, und ging ins Badezimmer, um sich für die Nacht fertig zu machen.