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ОглавлениеEinige Tage später stand Georg im Stall, als er seinen Vater auf den Hof kommen sah. Max war noch etwas wacklig auf den Füßen. Seine Arbeitshose schlackerte um die dünnen Beine, und auch im Gesicht wirkte er ziemlich hager. Er steuerte direkt auf Georg zu. „Hallo, Bub“, sagte er.
Georg lächelte ihn an und stützte sich auf die Heugabel. „Hallo, Papa. Du sollst dich doch ausruhen. Fühlst du dich schon wieder so gesund, dass du hier draußen herumspazieren kannst?“
„Danke, geht schon“, antwortete Max. Er schien etwas auf dem Herzen zu haben. „Hör mal … Wo ist eigentlich Marie? Die hab ich schon lang nicht mehr gesehen.“
Georg zögerte. „Echt? Ist mir gar nicht aufgefallen. Hat bestimmt viel zu tun.“ Georg drehte den Kopf zur Seite, damit sein Vater nicht merkte, dass er selber von seinen Worten nicht ganz überzeugt war.
Max nickte nachdenklich. „Ja, bestimmt. Vielleicht ist sie auch da gewesen. Das Pferd ist auf jeden Fall versorgt.“
Georg wich dem prüfenden Blick seines Vaters aus. „Na, dann wird sie wohl vorbeigeschaut haben“, murmelte er.
„So eine Nette, die Marie“, seufzte Max. Dann drehte er sich um und kehrte zurück ins Haus.
Georg machte sich wieder an die Arbeit. Allerdings konnte er die Gedanken an Marie nicht ganz vertreiben. Sie war seit Tagen nicht mehr auf dem Hof gewesen. Seit ihrem Ausflug nach Ampfing hatte er sie weder gesehen noch gehört. Um das Futter für Boris hatte er sich gekümmert. Wird schon nichts sein, beruhigte er sich insgeheim selber, bestimmt hat sie viel zu tun.
Als er wenig später ins Haus ging, hörte er Geklapper aus der Küche. Wie jeden Mittag kochte Christl für alle. Dass sie meist nur zu dritt waren, ignorierte sie mit Fleiß. Wie früher, als noch viele Mitarbeiter auf dem Hof waren, hatte sie den langen Tisch gedeckt. „Vielleicht kommt ja noch jemand“, war ihre Devise.
Georg wusch sich die Hände und setzte sich zu seinen Eltern. Es gab Dampfnudeln mit Vanillesoße. Während sie aßen, warf Christl ihm einen Seitenblick zu.
Als Georg ihre lauernde Miene bemerkte, hörte er auf zu kauen. „Warum schaust du mich so an?“, fragte er. Aber plötzlich ging ihm ein Licht auf, und er verdrehte die Augen. „Es ist wegen Marie, oder?“
Christl lächelte und zuckte entschuldigend die Schultern. „Ich vermiss sie halt, die Marie.“
Georg schluckte den letzten Bissen hinunter und legte sein Besteck auf den Teller. „Also, Marie ist beschäftigt, weil … wisst ihr … Marie und ich, wir haben ein Projekt.“
Seine Eltern sahen ihn erstaunt an.
„Ein Internetprojekt“, stammelte er.
Immer noch standen Max und Christl die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben.
„Also, Marie sucht für mich eine Frau, versteht ihr?“
Christl fiel die Kinnlade herunter. „Was? Warum das denn?“
„Wenn ich den Hof übernehme, will ich nicht alleine sein. Ich brauch eine Frau. Das hast du doch selber gesagt.“
„Aber doch nicht so“, antwortete Christl entrüstet. „Ich hab doch nicht gemeint, dass du eine im Computer suchen sollst. Und schon gar nicht, dass Marie dir eine auswählt. Wie kommst du denn auf so eine Idee?“
Georg überlegte kurz. In den letzten Tagen waren ihm neue Zweifel an den Plänen gekommen. Er hatte Marie zugesagt, der Sache eine Chance zu geben, also würde er sich an die Abmachung halten. Aber irgendwie war ihm nicht wohl dabei. Er nahm sich vor, später mit Marie zu reden. „Marie ist meine beste Freundin. Also hab ich sie um Rat gefragt. Und jetzt hilft sie mir“, sagte er schließlich.
Christl sah ihn nachdenklich an. „Dass du dich da mal nicht irrst. Du bist wie dein Vater. Wie alle Männer. Bei euch müssen die Herzen ganz laut schreien, bevor ihr sie hört.“
Georg starrte seine Mutter an. „Was? Ich versteh kein Wort.“
„Ja, das merke ich“, erwiderte Christl. „Aber da kann ich dir nicht helfen. Ich hoffe, dass du bald doch noch was verstehst.“
In dem Moment fuhr Max dazwischen. „Christl, hör auf damit. Du machst den Jungen ja ganz verrückt.“ Er wandte sich an seinen Sohn. „Deine Mutter ist sehr sensibel. Gefühlsduselig, weißt du. Und jetzt, wo du eine Frau suchst, da denkt sie …“ Er brach ab.
Jetzt wurde es Georg zu viel. „Wisst ihr was? Mir ist es eigentlich egal, was ihr denkt und was ihr mir sagen wollt. Ich such eine Frau, und Marie hilft mir. Und damit basta.“ Er wollte das Gerede seiner Eltern auf keinen Fall länger anhören. „Ich muss jetzt raus und nach den Tieren schau’n.“
Georg rannte in den Flur und schnappte sich seine Jacke. Draußen wollte er den Weg zum Stall einschlagen, überlegte es sich aber anders. Was, wenn Marie etwas passiert war? Immerhin war sie seit drei Tagen nicht hier gewesen und hatte sogar Boris vergessen. Das sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Georg beschloss, sie zu besuchen.
Er stapfte den Pfad hinunter und folgte im Wald der steilen Wegkurve. Während er den Berg zu Maries Haus hinaufstieg, war er viel zu sehr in Gedanken versunken, um die herbstliche Landschaft zu genießen. Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte: Das Gespräch mit seinen Eltern hatte ihn verunsichert. Was war denn an Maries Plan so falsch? Auf jeden Fall hatte er nichts damit zu tun, dass sie sich nicht blicken ließ. Er konnte sich nicht erinnern, wann es das letzte Mal gewesen war, dass er Marie so lange nicht gesehen hatte.
Er beschleunigte seine Schritte, bis er schließlich atemlos vor ihrem Haus ankam. Alles wirkte wie immer. Die Tür war verschlossen. Aber Marie musste vor Kurzem noch da gewesen sein. Die Rosen waren frisch geschnitten, ein paar Blüten hatte Marie in eine Vase ins Fenster gestellt. Georg wusste nicht, wie, aber er konnte Maries Abwesenheit förmlich spüren. Sie war nicht hier. Trotzdem klopfte er an der Tür. Niemand antwortete.
Nachdenklich machte Georg sich auf den Rückweg zum Hof. Hauptsache, es ging ihr gut. Wahrscheinlich war sie sehr beschäftigt.
Den restlichen Nachmittag versuchte er mehrmals, Marie anzurufen. Doch sie meldete sich nicht.