Читать книгу Gipfelliebe Gesamtausgabe - Mariella Loos - Страница 13
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ОглавлениеMit einem Ächzen hob Georg den Hammer und schlug auf den dicken Nagel in der Stallwand. Die Sonne stand hoch am Himmel und der Schweiß rann ihm über das Gesicht. Seit fast zwei Stunden war er dabei, die Wand zu reparieren, die der Sturm vorige Woche eingerissen hatte.
Georg seufzte. Auch wenn Max und Christl sich hingebungsvoll um den Hof kümmerten, wurde es immer schwieriger, alle Lücken zu füllen und den Betrieb reibungslos laufen zu lassen. Im Geheimen hatte Georg den Wunsch, den Hof umzubauen und auf einen Biobetrieb umzustellen. Doch wenn er nur daran dachte, wie viel Arbeit damit verbunden war und welches Risiko er mit seinen Plänen einging, zog sich sein Magen zusammen. Christl und Max wären damit sicher nicht einverstanden. Er beschloss, die Gedanken daran fürs Erste beiseitezuschieben, und hämmerte einen weiteren Nagel in die dicke Holzwand.
Kurz darauf ertönten vertraute Schritte im Hof. Er wischte sich über die Stirn und drehte sich um. „Hallo Marie“, begrüßte er seine Freundin. Wie immer freute er sich, sie zu sehen. Sie gehörte so selbstverständlich zu seinem Leben, dass ihm seine Gefühle vollkommen natürlich vorkamen. Er legte den Hammer auf den Boden und tat einen Schritt auf Marie zu.
„Bist du hier, um mir zu helfen?“
Marie grinste. „Natürlich nicht. Ich wollte nach Max fragen. Ans Telefon gehst du ja nicht.“
Georg schüttelte den Kopf. „Ich muss arbeiten, ich hab keine Zeit zum Telefonieren.“ Als er sah, wie Marie die Stirn runzelte, lenkte er ein. „Tut mir leid, so hab ich das nicht gemeint. Komm mit.“
Sie schlenderten zur Bank an der Hausmauer und Marie setzte sich.
„Magst du was trinken?“
Marie nickte.
Georg verschwand kurz in der Küche und ließ Wasser aus dem Hahn in ein großes Glas laufen. Dann kehrte er in den Hof zurück, reichte Marie das Glas und setzte sich neben sie. „Mein Vater fühlt sich schon viel besser. Mama ist unterwegs, um ihn abzuholen.“
„Das freut mich“, sagte Marie und blickte sich auf dem Hof um. „Ist sie etwa mit dem Auto gefahren?“
Georg nickte. Christl hasste das Fahren und benutzte das Auto nur im äußersten Notfall. „Es wäre echt besser gewesen, wenn sie Max zu euch ins Krankenhaus gebracht hätten. Das ist nicht so weit“, sagte Georg.
Marie zuckte mit den Schultern. „Dann hätte er sich aber ein Bein brechen müssen.“
Das Krankenhaus, in dem Marie arbeitete, war vor ein paar Jahren verkleinert worden. Seit immer mehr junge Leute in die Stadt zogen, war das Einzugsgebiet zu groß geworden. Die Krankenhausleitung hatte die meisten Abteilungen geschlossen. Nur die orthopädische Chirurgie war übrig geblieben.
Marie leerte ihr Wasserglas, dann bückte sie sich und hob ihre Tasche hoch. „Jetzt zum zweiten Grund, warum ich dich besuche.“ Sie zwinkerte ihm zu und klopfte auf die Tasche. „Ich hab mein Laptop dabei. Wir können weitermachen.“
Georg verdrehte die Augen. Er hatte überhaupt keine Lust, etwas anderes zu tun, als hier mit Marie auf der Bank zu sitzen. Andererseits wollte er seine Freundin nicht verärgern. Also schluckte er eine spöttische Bemerkung hinunter und stand auf.
„Gut. Gehen wir rein und schau’n mal, wer uns alles treffen will. Die Stallmauer kann warten.“
Zur Mittagszeit fiel das Licht von draußen durch die Küchenfenster und leuchtete jeden Winkel aus. Hier fiel es besonders auf, dass der Hof in die Tage gekommen war. Die Holzmöbel waren alt, und die Farbe blätterte von der Wand. Georg hatte sich angewöhnt, den Zustand der Küche zu ignorieren. Gemütlich war es hier drinnen trotzdem. Sie setzten sich hin und Marie fuhr den Computer hoch. Kurz darauf schnappte sie nach Luft. „Hey, schau mal. Das gibt’s nicht!“
Georg beugte sich nach vorne und blickte über Maries Schulter. Er stutzte. Da stand „124 Mails“.
„Heißt das …?“ Er brach ab. Marie blickte ihn strahlend an.
„Ja, das heißt, dass wir 124 Antworten bekommen haben. Und das sind nur die Nachrichten für dich.“ Sie klickte auf ein kleines Symbol und jubelte.
„Ich hab 115!“
Eine gute Stunde später saßen sie erschöpft auf dem kleinen Sofa in der Küche. Sie hatten alle Zuschriften gelesen und einige davon sofort verworfen. Für Georg hatten sich über dreißig Frauen gemeldet, die weit über sechzig waren und gerne einen jüngeren Partner hätten. Dazu kamen 35 Zuschriften ohne Bild. Von den restlichen waren die meisten entweder nicht am Landleben interessiert oder Georg fand sie unsympathisch. Bei Marie war es ähnlich. Schließlich hatten sie aus den übrig gebliebenen je eine geeignete Zuschrift ausgesucht.
„Und jetzt?“, fragte Georg und rieb sich mit den Fingern die Augen. Er war die lange Arbeit am Computer nicht gewöhnt und spürte Kopfschmerzen.
„Jetzt antworten wir“, erklärte Marie.
Das Mädchen, für das Georg sich entschieden hatte, hieß Angela. Ihr Foto zeigte sie vor einem grünen Hintergrund mit Blättern und blauem Himmel. Sie war etwa in seinem Alter, hatte die langen blonden Haare zu einem frechen Pferdeschwanz gebunden und lächelte offenherzig vom Bildschirm herunter, wobei ihre weißen Zähne zum Vorschein kamen. Auf ihrer Nase entdeckte Georg goldene Sommersprossen. Marie fand, sie wirke sympathisch. Als Interessen hatte Angela Pferde, Wanderungen und Landschaft angegeben.
Bevor Georg protestieren konnte, begann Marie bereits zu tippen. „Liebe Angela“, schrieb sie, „Ich habe mich sehr über deine Nachricht gefreut und würde dich gerne treffen.“
„Gut so, oder?“ fragte sie.
Georg zog eine Augenbraue nach oben. „Schreibst du jetzt der Angela und ich schreib deinem Neuen, oder wie?“
Marie lachte. „Ich lass dich dann schon selber machen. Aber die erste Mail entwerfe ich, das geht schneller.“ Sie drückte auf „Senden“.
Marie hatte sich für Josef entschieden, einen gut aussehenden jungen Mann, der gerne sportlich in der Natur unterwegs war und als Beruf Arzt angegeben hatte. Auch ihm schrieb Marie eine Nachricht, in der stand, dass sie ihn gerne treffen würde.
Georg stand auf. Er fand die Partnersuche im Internet nach wie vor unpassend. Andererseits hatte er selber auch keine bessere Idee, wie er die richtige Frau kennenlernen könnte. Außerdem war Marie so begeistert, dass es ihm fast vorkam, als spielten sie gemeinsam ein lustiges Spiel. „Jetzt muss ich aber raus zu den Tieren. Danach können wir die Sache von mir aus fortsetzen.“
Marie klappte das Laptop zu. „Gut, dann koche ich uns inzwischen was zu essen.“
Als Georg wieder ins Haus kam, duftete es nach frisch Gebratenem. Marie hatte Pfannkuchen zubereitet, Georgs Lieblingsessen seit Kindertagen. Mit großem Appetit machte er sich darüber her. Beim Essen sprach keiner von ihnen ein Wort. Danach lehnte Georg sich zurück.
„Danke“, sagte er, „für die Pfannkuchen und dass du mir hilfst.“
Marie wuschelte ihm freundschaftlich durch die Haare. „Passt schon. Aber den Abwasch erledigst du.“
Während Georg an der Spüle hantierte, kontrollierte Marie ihren Posteingang. „Bingo. Sie haben beide geantwortet.“
Georg trocknete sich die Hände am Küchenhandtuch ab. „Das heißt, es wird jetzt ernst? Ich treffe mich mit der fremden Frau? Einfach so?“ Er knetete nervös seine Hände. „Ich weiß nicht recht. Was soll ich denn mit der reden?“
Auf einmal kam ihm das Spiel gar nicht mehr lustig vor. Die Situation wuchs ihm über den Kopf.
Marie schien das zu spüren, denn sie sah ihn mitleidig an. „Ich helfe dir. Das erste Treffen ziehen wir gemeinsam durch. Wir verabreden uns morgen Abend mit Angela und Josef im Metzgerwirt in Ampfing. Da kennt uns keiner. Du setzt dich mit Angela an einen Tisch, ich mit Josef an einen anderen.“
Georg sah sie fragend an. „Du meinst, dann merken sie nicht, dass wir uns kennen?“
„Genau“, sagte Marie. „Was meinst du?“
Georg dachte kurz nach. Er hatte nicht nur deswegen gezögert, weil er Angela nicht kennenlernen wollte. Schlimmer war der Gedanke, dass Marie sich ganz allein mit einem wildfremden Mann treffen würde. Auch wenn sie stark war und tat, was sie wollte: Wenn es drauf ankam, war er immer da gewesen und hatte ihr geholfen. Deswegen war es ihm nur recht, wenn er bei dem ersten Treffen zwischen ihr und Josef in der Nähe sein würde. „Gute Idee“, sagte er. „Du verabredest dich um halb sechs, ich um sechs. Dann merkt keiner was.“ Er zwinkerte Marie zu. Vielleicht würde es ja doch noch lustig werden.
„Morgen um halb sechs geht es los“, sagte Marie. Sie schickte die Angaben an Angela und Josef. Dann klappte sie ihr Laptop zu. Gerade rechtzeitig, bevor das Auto mit Christl und Max draußen vorfuhr.