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ОглавлениеSeit fast einer Stunde saß Georg jetzt schon beim Metzgerwirt. Allein. Er führte sein Glas zum Mund und nahm einen großen Schluck Bier. Normalerweise trank er keinen Alkohol. Aber heute hatte er Lust darauf. Die Flüssigkeit brannte in seiner Kehle, und in seinem Magen breitete sich Wärme aus. Nach einem weiteren Schluck blickte er erwartungsvoll zur Tür. Jetzt war die vierte Frau dran. Georg war ein bisschen stolz darauf, dass er die Treffen ganz allein verabredet hatte. Immerhin hatte er dafür seinen alten Computer angeworfen, den er sonst nur für die Buchhaltung nutzte. Marie war ja nicht zu erreichen, und er wollte die ganze Sache möglichst schnell hinter sich bringen. Da musste er sich wohl oder übel ein wenig mit der Technik anfreunden. Praktisch, wie er war, hatte er die Frauen gleich hintereinander herbestellt. Kandidatin zwei und drei waren allerdings gar nicht erschienen.
Egal, dachte Georg, ausgemacht ist ausgemacht. Eigentlich hätte er gar nichts dagegen, wenn die nächste Frau auch nicht auftauchte, dann könnte er Marie sagen, er habe sich an ihre Absprache gehalten und er habe recht gehabt.
Aber dann öffnete sich die Tür, und eine etwa zwanzigjährige blonde Frau erschien. Sie brachte einen Hauch frische Luft mit in die Kneipe. Kurz blickte sie sich suchend um. Dann lächelte sie erfreut und steuerte auf Georg zu. Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Hallo, du bist Georg, oder? Ich bin Barbara.“
Georg nahm ihre Hand und schüttelte sie höflich.
Barbara setzte sich ihm gegenüber. „Du siehst genauso aus wie auf deinem Bild im Internet“, sagte sie.
„Du auch“, entfuhr es Georg.
Tatsächlich war Barbara in Wirklichkeit noch viel hübscher als auf ihrem Foto. Ihre langen hellbraunen Haare glänzten, und ihre Haut schimmerte rosig. Die kurze Zeit, die sie gebraucht hatte, um durch das Lokal auf ihn zuzukommen, hatte gereicht, um ihre perfekte Figur zur Geltung zu bringen. Als sie ihn musterte, fielen Georg ihre Augen auf. Sie leuchteten in einem dunklen Grün, das er noch nie gesehen hatte. Selbst ihre Stimme klang wunderschön.
„Schon komisch, so ein Blind Date“, sagte sie. „Man verabredet sich mit einem Fremden und soll sich dann ganz schnell kennenlernen.“ Sie lächelte geheimnisvoll.
Georg nickte. „Ja, finde ich auch.“ Er runzelte die Stirn. Es wäre gut, jetzt etwas Schlaues oder wenigstens Interessantes von sich zu geben. Aber wie so oft fiel ihm nichts ein. Er ertappte sich bei dem Gedanken an Marie. Die würde nicht darauf warten, dass er einen beeindruckenden Gesprächsbeitrag lieferte. Bei ihr reichte es, wenn er einfach nur da war.
„Wollen wir etwas bestellen?“, fragte Barbara. Im nächsten Moment winkte sie nach der Bedienung. „Ich nehme ein Wasser“, sagte sie. „Ohne Kohlensäure.“
Die Kellnerin musterte Georgs Glas, das inzwischen fast leer war. „Noch eines?“, fragte sie.
Georg blickte zu ihr auf. Er starrte sie an, ohne zu antworten. Die Stille dauerte der Frau eindeutig zu lange.
„Magst du noch ein Bier?“, fragte die Kellnerin noch einmal.
Georg hörte ihre Worte, doch sie schafften den Weg von seinem Ohr in sein Bewusstsein nicht. Denn in diesem Moment geschah etwas mit ihm. Er hatte keine Ahnung, was es war. Er konnte es sich nicht erklären. Es kam ihm vor, als würde sein Gehirn geschüttelt und anschließend mit einem Schwall frischen Wassers überflutet. Dann zog sich das Wasser wieder zurück, und er spürte, wie es in seinen Gedanken ganz klar wurde.
Immer noch musterte die Kellnerin ihn. Er spürte ihren fragenden Blick überdeutlich. Auch Barbara hatte angefangen, ihn anzustarren.
Er räusperte sich. „Nein danke“, sagte er endlich, „ich habe genug.“
Als die Frau kopfschüttelnd den Tisch verließ, wandte Georg sich mit einem freundlichen Lächeln an Barbara. „Weißt du was“, sagte er, „unser Treffen ist nicht nur komisch. Es ist total sinnlos.“
Barbara zog fragend die Augenbrauen nach oben, während Georg weitersprach. „Du bist ein wunderschönes Mädchen. Du kannst im echten Leben jeden Mann haben, den du magst. Stattdessen schreibst du einem Fremden im Internet auf eine Anzeige. Das ist das Dümmste, was ich seit Langem erlebt habe.“ Barbara starrte ihn entgeistert an. Aber Georg ließ sich nicht in seinem Redefluss beirren. „Ich wollte von Anfang an nicht mitmachen. Meine Freundin hat mich überredet. Nur für sie habe ich mich mit anderen Frauen getroffen. Dabei sollte ich lieber mit ihr zusammen sein, statt hier mit dir zu sitzen und Bier zu trinken.“
Die Kellnerin kam an den Tisch und stellte ein Glas Wasser vor Barbara.
Die schob es energisch zur Seite. „Dann kann ich ja wieder gehen“, erwiderte sie genervt.
Georg lenkte ein. „Tut mir leid, dass ich dich hab herkommen lassen. Ich wusste nicht, was ich wollte. Aber jetzt weiß ich es.“ Er legte das Geld für die Getränke auf den Tisch. Dann stand er auf und zog seine Jacke an.
„Alles Gute und danke, dass du da warst“, verabschiedete er sich noch.
Dann eilte er durch den Raum und ließ die Tür der Kneipe wortlos hinter sich zufallen.