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Am nächsten Abend stand Georg pünktlich um fünf Uhr vor Maries Tür. Sie hatten beschlossen, mit dem Rad zu fahren. Die Luft war mild, und Georg genoss die gemeinsame Tour. Auf den Feldwegen war nichts los, sodass sie gemütlich nebeneinanderher fahren konnten.

„Und setz ein freundliches Gesicht auf“, sagte Marie. „Manchmal schaust du so grimmig, wenn du zuhörst. Eine Frau, die dich nicht kennt, denkt dann vielleicht, du findest bescheuert, was sie sagt.“

Georg war einverstanden. „Und du solltest nicht so viel kichern. Nicht alle Männer mögen das. Manche fühlen sich veralbert, auch wenn du es gar nicht so meinst.“

Marie nickte. „In Ordnung.“

Sie schien wirklich bereit, seine Ratschläge zu beherzigen, schließlich kannte er sie gut genug, um ihre Wirkung auf Männer einschätzen zu können. Nur bei der Kleiderauswahl hatte sie sich geweigert, auf ihn zu hören. Er wollte, dass sie in Jeans und T-Shirt ging. Stattdessen hatte sie sich für einen langen Rock entschieden und dazu die rote Jacke angezogen, die ihre Haare so schön zum Leuchten brachte. Georg trug eine braune Cordhose und ein neues Shirt mit Kragen.

„Schick siehst du aus“, lobte Marie, „da wird Angela staunen.“

Georg lächelte. „Danke. Du aber auch. Der Josef hat’s gut.“

Kurz darauf kamen sie beim Metzgerwirt in Ampfing an und stellten ihre Fahrräder an der Hauswand ab. Georg blickte seine Freundin an.

„Also, du gehst rein und schaust, ob er schon da ist. Ich komm gleich nach und setz mich an einen Tisch in der Nähe.“

„Okay, bis gleich“, antwortete Marie. Sie lief auf den Eingang zu. Dann drehte sie sich noch einmal um und umarmte Georg. „Viel Glück.“ Sie verschwand durch die Tür.

Als Georg kurz darauf das Lokal betrat, brauchte er einen Moment, um Marie zu entdecken. Sie saß ganz hinten in der Ecke mit dem Rücken zu ihm. Georg zwinkerte, um besser sehen zu können. Der Typ, der Marie gegenübersaß, konnte unmöglich Josef sein. Er hatte „mittleres Alter“ angegeben. Aber der Mann an Maries Tisch war mindestens fünfundsechzig. Er war fast kahl. Außerdem wirkte er ziemlich untrainiert und keineswegs wie ein Naturbursche.

Vorsichtig bewegte sich Georg näher auf sie zu. Neben dem Tisch bückte er sich und gab vor, seine Schuhe zu binden. So konnte er hören, worüber geredet wurde.

„Ich halte nichts von Emanzen“, sagte der Typ gerade. „Eine Frau gehört an die Seite ihres Mannes.“

Georg zuckte. So einen Spruch würde Marie nicht unkommentiert lassen, das wusste er. Im selben Moment hatte Marie ihn bemerkt. Sie drehte sich um und blickte zu ihm hinunter. Sie schnitt eine Grimasse, und Georg musste sich das Lachen verkneifen.

„Also, das ist wirklich interessant“, sagte sie, jetzt wieder zu Josef gewandt, „aber jetzt muss ich erst mal auf die Toilette.“

Georg beeilte sich, wieder aufzustehen. Marie folgte ihm unauffällig zu einem Tisch außer Josefs Sichtweite. Georg setzte sich und Marie blieb vor ihm stehen.

„Ich halt’s nicht aus“, raunte sie ihm zu. „So einen Langweiler hab ich schon ewig nicht mehr getroffen.“ Sie verdrehte die Augen. „Wie soll ich den jetzt wieder loswerden?“

Georg grinste. „Erzähl ihm einfach, du seist in der Liga für Frauenrechte.“

Marie nickte. „Gute Idee. Oder ich sag, ich wäre gar nicht Marie, ich wäre nur zufällig hier.“ Sie kicherte. In dem Moment öffnete sich die Tür des Gasthauses und eine sehr korpulente Dame bahnte sich den Weg zu Georgs Tisch. Marie verabschiedete sich hastig und lief zurück zu Josef.

Die Frau erreichte Georgs Tisch und sah ihn fragend an. „Du bist Georg, oder?“

Georg blieb der Mund offen stehen. Diese Frau hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Angela, die er im Internet ausgesucht hatte. Trotzdem nickte er kaum merklich mit dem Kopf, woraufhin die Frau über beide Ohren strahlte.

„Ich bin Angela“, stellte sie sich vor. Dabei betonte sie den Namen amerikanisch: „Ähndschela“. Georg schloss den Mund wieder und wedelte nervös mit der Hand. „Äh, schön. Dann setz dich doch.“

Fünf Minuten später dachte Georg fieberhaft darüber nach, wie er dieses Treffen beenden könnte. Nicht nur, dass Angela äußerlich nicht die geringste Ähnlichkeit mit seiner Onlinetraumfrau hatte. Bereits ihre ersten Sätze hatten ihm zudem klargemacht, dass eine Beziehung zwischen ihnen völlig ausgeschlossen war. „Ich finde des total süß, wie du ausschaust. Wie ein richtiger Landbursche. Du bist bestimmt sehr stark. So einen Kerl wollte ich schon immer mal …“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause und starrte ihn vielsagend an. Dann streckte sie ihre rundliche Hand aus und umfasste seinen Arm mit einem festen Griff. „Wie wär’s mit uns beiden?“

Jetzt wurde es Georg zu viel. Er spürte, wie er rot wurde, und stand derart abrupt auf, dass sein Stuhl nach hinten umfiel. „Tut mir leid, war wohl ein Missverständnis“, murmelte er hastig und drehte sich ohne einen weiteren Blick um.

„Ach, sei doch nicht so“, rief ihm Angela hinterher.

Georg hastete an Maries Tisch vorbei und tippte ihr an die Schulter. „Entschuldigung, ein Notfall“, warf er dem verdutzten Josef zu. Dann zog er Marie hinter sich her zum Ausgang, ohne weiter auf die Proteste von Josef und Angela zu hören.

Draußen angekommen schnaufte Georg tief durch. Dann beugte er sich nach vorne und stützte sich auf den Knien ab. „Ich bin ganz erledigt. So was hab ich noch nicht erlebt.“

Marie sah ihn amüsiert an. „Sag bloß, deine Angela war noch schlimmer als der Josef?“

Georg schnaubte. „Das kannst du annehmen. Der Frau möchte ich nicht im Dunkeln begegnen. Komm, wir verschwinden, bevor noch einer von ihnen rauskommt.“ Sie liefen zu ihren Fahrrädern und machten sich auf den Heimweg.

Während sie den Berg zu Maries Haus hinaufradelten, schimpfte Georg weiter über den verkorksten Abend. „Ich hab’s dir doch gesagt, dass das ein Schmarrn ist. Im Internet trifft man nur Verrückte.“

Marie hatte Mühe, ihm hinterherzukommen, so fest trat er in die Pedale.

„Jetzt warte doch mal.“ Als sie neben ihm ankam, griff sie keuchend nach seinem Lenker. „Ich gebe zu, es war ein schlechter Anfang. Aber das ist kein Grund, gleich aufzugeben.“

Georg riss die Augen auf. „Du willst noch mehr von den Spinnern treffen?“

Marie stöhnte auf. „Jetzt übertreib doch nicht so. Ich meine bloß, dass wir der Sache eine Chance geben müssen. Es geht schließlich um deine Zukunft.“

Georg war nicht überzeugt. „Glaubst du im Ernst, dass ich meine Zukunft im Internet finden kann?“

Marie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber wenn du es nicht probierst, weißt du es nie. Nach einem Mal kneifen, das zählt nicht.“

Georg seufzte. Seine Freundin schaffte es immer, ihn zu überreden. Es hatte gar keinen Sinn, weiter dagegenzuhalten. „Also gut. Und wie viele von den Weibern soll ich noch kennenlernen?“

Marie überlegte kurz. „Fünf. Du wählst dir fünf Mädels aus und ich fünf Männer. Wenn dann nichts dabei ist, lasse ich dich in Ruhe, in Ordnung?“

Georg seufzte ergeben. „Also gut. Aber dann plant jeder die nächsten Treffen für sich, okay?“

„Einverstanden“, antwortete Marie.

Vor Maries Haus verabschiedete Georg sich mit einer kurzen Umarmung.

***

Hätten sie gewusst, welche Folgen dieser Plan haben sollte, hätten sie sicher noch einmal darüber nachgedacht.

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