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a) Rahmenbedingungen der deutschen Finanzverwaltung

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Tax Compliance aus der Sicht der Finanzverwaltung ist erst einmal schlicht die Erwartungshaltung an den Steuerpflichtigen, dass dieser alle seine steuerlichen Pflichten d.h. die rechtzeitige Abgabe vollständiger Steuererklärungen erfüllt. Allerdings geht die Finanzverwaltung nicht davon aus, dass der Steuerpflichtige freiwillig alle Informationen vorlegt, die für eine umfassende Beurteilung der steuerlichen Sachverhalte benötigt werden. Daher hat die Finanzverwaltung in den letzten Jahren eine Reihe von gesetzlichen Anforderungen eingeführt, die die Transparenz erhöhen sollen. Hier sind die Anforderungen an die Unternehmen für die elektronische Aufbereitung und Bereitstellung steuerlich relevanter Daten wie Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD), Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU), E-Bilanz sowie Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) zu nennen.[7] Auch die erweiterten Meldepflichten nach § 138 AO bei Auslandsbeteiligungen sind in diesem Kontext zu sehen. Die Finanzverwaltung möchte einen umfassenden Einblick über die Sachverhalte geliefert bekommen.

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Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren das Klima in Bezug auf Steuerstrafrecht zwischen Finanzverwaltung und den Konzernen deutlich verschärft. Bei fehlerhaften Steuererklärungen werden immer häufiger strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Organe und Mitarbeiter der Konzerne eingeleitet und auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zeigt eine deutliche Verschärfung im Steuerstrafrecht.[8] Ergänzend dazu hat der Gesetzgeber in der jüngsten Vergangenheit durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz[9] und das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung[10] eine stark ausgestaltete Schwerpunktsetzung auf dem Steuerstrafrecht und der Steuerhinterziehung gesetzt. Nach dem Regelungsinhalt dieser Gesetze ist die strafbefreiende Selbstanzeige des Steuerpflichtigen zwar nicht abgeschafft worden, jedoch deutlich verschärft.[11] Gem. § 371 Abs. 1 AO ist eine strafbefreiende Selbstanzeige nur noch in solchen Fällen möglich, wenn alle strafrechtlich noch verfolgbaren Steuerstraftaten der Vergangenheit vollständig offen gelegt worden sind.

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Das Bundesfinanzministerium hat mit dem nunmehr veröffentlichten Anwendungserlass zu § 153 AO ihre Sicht auf die jüngsten steuerstrafrechtlichen Verschärfungen wiedergegeben. Ziel des Anwendungserlasses ist es, eine handhabbare und klare Abgrenzung aus Sicht der Finanzverwaltung zwischen einfachen Fehlern und der Steuerverkürzung bzw. der Steuerhinterziehung zu definieren.

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Kommt der Steuerpflichtige danach bei einer fehlerhaften abgegebenen Steuererklärung seiner Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO unverzüglich nach, geht die Finanzverwaltung weder von einer Steuerhinterziehung noch von einer leichtfertigen Steuerverkürzung aus, sofern sowohl Vorsatz wie auch Leichtfertigkeit fehlen. Ein Indiz für den fehlenden Vorsatz bzw. die fehlende Leichtfertigkeit stellt ein vorhandenes, wirksames IKS als Überwachungsinstrument im Rahmen der Tax Compliance-Organisation eines Unternehmens dar. Konkrete Vorgaben zur Umsetzung und Ausgestaltung eines IKS sind im Anwendungserlass zu § 153 AO nicht enthalten. Jedoch wird darin eine möglichst umfassende Kontrollfunktion und -wirkung, im Ergebnis also ein vollumfänglich funktionierendes Risiko-Management zur Vermeidung von Fehlern, in den Vordergrund gerückt.

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Die Verschärfungen des Steuerstrafrechts in den letzten Jahren haben beim Bertelsmann-Konzern auch dazu beigetragen, das Tax Compliance-System zur innerbetrieblichen Kontrolle im Sinne einer stärkeren Formalisierung weiterzuentwickeln. Hierbei ist insbesondere vor dem Hintergrund der Mehrbranchenspezifika des Konzerns, seiner globalen Ausrichtung sowie der dezentralen Unternehmens- und Führungsstruktur eine Besonderheit zu sehen. Im Vordergrund steht bei der Weiterentwicklung des Tax CMS konzernweit eine möglichst umfassende, formalisierte Kontrollfunktion und –wirkung im Bereich Steuern zu entfalten.

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Eine konkrete gesetzliche Anforderung für die Einführung eines Tax CMS hat allerdings die deutsche Finanzverwaltung bisher nicht vorgelegt. Im Anwendungserlass zu § 153 AO ist allerdings erstmalig ein Hinweis auf ein solches Tax CMS aufgenommen worden. Damit erhält ein Tax CMS erstmalig auch von der deutschen Finanzverwaltung eine „offizielle“ Bedeutung, wobei sie dieses eher als Angebot an den Steuerpflichtigen sieht, um strafrechtliche Risiken bei der Korrektur von Steuererklärungen oder Betriebsprüfungsfeststellungen zu vermeiden.[12]

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Allerdings hat das Tax CMS durch diese erstmalige Verknüpfung mit dem Steuerstrafrecht nun eine Bedeutung gewonnen, der man sich objektiv nicht mehr entziehen kann und sollte. Die Unternehmen sind aufgrund der in den letzten Jahren deutlich verschärften Rahmenbedingungen in Bezug auf steuerstrafrechtliches Handeln sowie der Haftungsrisiken gut beraten, ein umfassendes und wirksames Tax CMS zu implementieren.

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