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Tagebucheintrag vom 11. Dezember 2009

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Diese Abteilungsleitermeetings… Das Jahr nähert sich dem Ende, bald beginnt die Winterurlaubszeit und deswegen wird jetzt nochmal „Business“ geredet.

Die Frau Dr. saß wie immer an der Stirnseite mit gerunzelter Stirn über zusammengekniffenen Augen und lauschte den einzelnen Quartalsumsatzberichte. Jede/n der Vorträgerinnen und Vorträger durchdrang bei jedem Blickkontakt mit Frau Dr. fröstelnde Angst. Völlig unabhängig von den Zahlen, die man präsentiert und ungeachtet der Tatsache, dass sie ihn selten ausspricht, fühlt man ihren Vorwurf: „Warum so wenig?“

Ich und die anderen älteren Hasen sind es inzwischen gewohnt. Wir können diese Meetings innerhalb weniger Tage verdauen, aber die Neuen, die werden noch die nächsten drei Wochen den kalten Atem von Frau Dr. im Nacken spüren. Sie ist höflich zu jeder und jedem, kennt unsere Namen… Aber das war’s auch schon. Ihr dezenter österreichischer Akzent verleiht ihren Aussagen einen würdevollen Elan und einen seltsamen Magnetismus. Ihre Worte haften lange im Gedächtnis und man brütet über den Worten, die sie gesagt hat. Denn sie kritisiert nicht, wie ein Maurermeister seinen Gesellen, sie lobt kühl und mit Bedacht und erwartet, dass man aus dem Lob die Kritik herausschält und wer das nicht schafft und darauf nicht entsprechend reagiert, der erhält die Quittung in Form einer offiziellen Degradierung oder eines von ihr inszenierten Putsches durch einen ambitionierten Emporkömmling. Die neuen Abteilungsleiter wissen das nicht, selbst dann oft nicht, wenn sie zuvor schon in niedrigeren Positionen für sie gearbeitet haben.

Für die Mitarbeiter in der untersten Hierarchiestufe scheint sie Sympathie zu haben. Eine gönnerhafte Sympathie, die wahrscheinlich daher rührt, dass sie in den tiefsten Öden des Salzburger Berglandes aufwuchs, in einem Skikaff, das im Winter von Touristen überlaufen und im Sommer nur von Heuballen und einfachen Bergbauern bevölkert ist. Doch sie ist keine Bauerntochter, sondern eine Hotelerbin, des ersten Superior Luxus Premium 5 Sterne Deluxe Hauses (oder so ähnlich) in ganz Provinz-Österreich. Wurde in eine Gastwirt-Familie hineingeboren, von Eltern erzogen, die nach Pfarrer und Volksschullehrer die angesehensten Menschen im Ort waren, das Geld in die Wiege gelegt, genauso wie die Arbeitsmoral, den Sinn für Ordnung und das Auge fürs Detail. Wurde auf die Universität Salzburg geschickt, als junge Frau, in den 70ern ein Novum und die einzige Person, die irgendjemand in dem Ort kannte, die als sie dann zurückkehrte, ein Diplom an der Wand hängen hatte – in Betriebswirtschaft. Ihr Ruf stand fest – keiner bezweifelte, dass sie die klügste Person im Gasteinertal war und weil die Leute eh nix und niemanden darüber hinaus kannten, der klügste Mensch Österreichs nach Kanzler und Präsident.

Ich nehme an, sie hat sich schon in einem sehr jungen Alter wie jemand Besonderes gefühlt. Sprössling einer Promifamilie sozusagen… Dabei spielte es wahrscheinlich keine Rolle, dass sich ihre Bekanntheit auf lokale Kreise beschränkte. Sicher saß sie bei örtlichen Vereinsfesten oder Versammlungen immer in der ersten Reihe, obwohl sie grundsätzlich 10 Minuten zu spät kam – die Plätze wurden immer für sie freigehalten. Sie bekam immer, was sie wollte und jeder im Dorf sollte sehen, das sie da war – ein Einzug fast wie bei der WWE, nur die Musik fehlte… Ich fantasiere schon, aber ich will ihr Gehabe und ihr Auftreten verstehen, um sie nicht so sehr zu verachten. Warum sie jene die ganz unten im Organigramm verhätschelt und die, die in der Mitte stehen so kaltherzig behandelt – das will ich verstehen.

Kommentar von Pascal Schrenker

Damit endet dein Eintrag?!? Ein bisschen symptomatisch ist das schon für dich! Du warst nie in der Lage, irgendwo hartnäckig dran zu bleiben oder etwas ernsthaft zu hinterfragen. Alle deine etwas anspruchsvolleren Gedanken fransen aus wie schlechtes Haar. Nicht dass dieser Eintrag besonders tiefsinnig wäre – das will ich damit nicht sagen, aber immerhin meinst du einen Zusammenhang zwischen der Herkunft deiner Chefin und ihrer Sympathie für das gemeine „Fußvolk“ erkannt zu haben. Bevor du aber entschlüsselt hast, wie dieser Zusammenhang genau aussieht, hörst du schon wieder zu schreiben auf. Dein Eintrag bleibt ohne Fazit stehen – genauso wie dein Leben. Abwarten und mal schauen! Ist das dein Motto? Wie kann man so leben? So in der Schwebe, so unkoordiniert, und vor allem so passiv. Genau: Passivität ist die zentrale Charakteristik deines Wesens, die man nicht nur aus diesem Eintrag herausliest. Du bist ein Geschöpf, das keinen Kampfgeist in sich trägt, keinen Biss, du ergibst dich deinem Schicksal und jammerst darüber. Genießt du es insgeheim ein Opfer zu sein? Oder kennst du es einfach nicht anders?

Die Verachtung für deine Chefin ist kaum zu überlesen, doch du, ebenso wie die anderen Lämmer in ähnlichen Positionen wehrst dich nicht, sondern lästerst nur hinter dem Rücken deiner Meisterin über sie. Ich habe nie verstanden, wie Angestellte oder Arbeiter so dumm sein und nicht erkennen können, dass sie gebündelt viel mehr Macht haben, als jeder Vorstand oder Firmendirektor. Dafür brauche ich nicht in der Gewerkschaft sitzen! Wie geprügelte Hunde duckt ihr euch durchs Leben und je mehr dabei eure Seele stirbt, desto weiter entfernt ihr euch vom Glück!


David Schrenker ist kein Selbstmörder!

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