Читать книгу David Schrenker ist kein Selbstmörder! - Markus Mayer - Страница 20
Tagebucheintrag vom 27. April 2010
ОглавлениеHeute hat mich Karina wahrscheinlich zum ersten Mal in unserem gemeinsamen Leben so richtig angeschrien. Und ich hab‘ zurückgeschrien.
Wie kam’s dazu: Ich war auf dem Sprung zur Arbeit als ich roch, dass Luis in die Windel geschissen hatte. Karina war im Bad also rief ich vom Wohnzimmer rüber: „Kannst du seine Windel wechseln?“ Das war alles… Warum sie deshalb so wütend wurde, verstehe ich bis jetzt nicht. Sie kam aus dem Bad herausgestürmt, mit weißen Knöcheln und Feuer in den Augen, hob Luis auf, ging mit ihm ins Schlafzimmer, kam ohne ihn zurück, schloss die Tür und tobte los: „Für wen zum Teufel hältst du dich eigentlich, du faules Arschloch! Und für wen hältst du mich? Für deine Sklavin? Wir sind nicht mehr in den 60ern! Wie hast du dir das vorgestellt? Du verpisst dich einfach immer? Hast du dir das so gedacht?"
Ich fand ihre Anschuldigungen unfair, schließlich war ich auf dem Weg in die Arbeit. Natürlich bewahrte auch ich keinen kühlen Kopf, denn was sie mir vorwarf war, dass ich ein schlechter Vater bin. Und das warf sie mir nach wenigen Wochen vor.
Ich hab mich auf gar nichts eingelassen, war zu angepisst. Hab sie als hysterische Kuh bezeichnet, die ihren Stress gefälligst nicht an mir rauslassen soll. Sie ist den ganzen Tag zu Hause, ich gehe dagegen Vollzeit arbeiten und jetzt erwartet Sie, dass ich in der Anfangsphase genauso viel für das Kind mache wie sie. Ich will überhaupt nicht altmodisch sein, ganz im Gegenteil – es gibt nichts, was ich mehr hasse, als diese altbackenen Rollenverteilungen, aber es ist in unserem Falle einfach pragmatischer, wenn sie mehr für den Kleinen macht als ich. Sie geht nicht arbeiten, sie ist zu Hause. Und dass sie ausgerechnet in dem Moment völlig austickt, als ich mich auf den Weg ins Hotel mache, wo ich einer Tätigkeit nachgehe, die mich ankotzt, zu einer Schicht, die für mich anstrengend ist und welche ich nur angenommen habe, damit wir besser für den Kleinen sorgen können – das ist frech!
Bei der Arbeit konnte ich mich natürlich gar nicht richtig konzentrieren, weil ich so wütend war. Nach ein paar Bier am Feierabend habe ich mich wieder etwas beruhigt und so konnten wir einigermaßen vernünftig miteinander reden, als ich wieder daheim war. Ich schlug ihr vor, dass sie ja in einem halben Jahr wieder arbeiten könne, falls sie sich sonst zu sehr an den Haushalt gefesselt fühlt. Vielleicht nur vormittags bis mittags, bevor am späten Nachmittag dann meine Schicht anfängt. Sie meinte, dass sie es sich durch den Kopf gehen lassen muss. Ihre schlechte Laune verflog durch meinen Vorschlag nicht…
Kommentar von Pascal Schrenker
Warum das wohl so ist? Vielleicht sieht sie darin den erbärmlichen Versuch, von den momentanen Problemen und deinem Mangel an Verantwortung abzulenken. So richtig Gedanken hast du dir nämlich nicht gemacht. Das war die erste Lösung, die dir in den Sinn kam und das soll sie beschwichtigen. Man könnte das auch als ein „Vor-sich-hin-Schieben“ von Problemen bezeichnen. Ich bin nämlich sicher, dass diese oben beschriebene Situation nicht mehr war, als der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. In den ersten Monaten nach der Geburt bist du rumgelaufen, wie ein Zombie. Das ist Mama, Papa, mir und offenbar auch ihr aufgefallen. Distanziert, ohne Initiative hast du alle Entscheidungen das Kind betreffend ihr überlassen. Angeblich war dir das selbst nicht aufgefallen, was ziemlich beunruhigend ist.