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Tagebucheintrag vom 1. Juli 2009

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Heute war ich mit Karina beim ersten Ultraschall und ich befürchte sie selbst war weniger aufgeregt als ich. Schon auf dem auf dem Weg ins Krankenhaus verhielt ich mich ganz fahrig, so dass sich Karina nach dem dritten Mal, als ich eine Abbiegung verpasste, ein genervtes „Das ist mein Beschützer“ nicht verkneifen konnte. Normalerweise mache ich mittags nach der Frühschicht ein kleines Nickerchen, doch der Termin war bereits um 14:30 Uhr, weshalb ich dafür heute keine Zeit hatte. Vielleicht verstärkte das meine Zerstreutheit noch ein bisschen.

Generell muss ich sagen, dass Karinas Launen in der Schwangerschaft nicht wirklich über das Gewohnte hinausgehen. Eigentlich hat sie sich zurzeit mehr im Griff als zuvor ohne Kind im Bauch. Das könnte so sein, weil sie in ihrem Zustand mehr von mir abhängt und sie mich durchaus als einen empfindlichen Menschen kennt. Oder aber sie ist durch die bevorstehende Mutterschaft ausgeglichener und zufriedener. Relativ am Anfang unserer Beziehung meinte sie einmal, Sie werde sich erst mit Kind vollständig fühlen. Solche oder ähnliche tiefenpsychologische Offenbarungen lässt sie nur selten verlauten, doch auf Grund der Seltenheit prägen sie sich dann, wenn sie ertönen, ganz besonders tief ins Gehirn. Diese Offenbarung stammt noch aus der Anfangszeit unserer Beziehung. Wir wollen beide Kinder, doch bei mir war dieses „Wollen“ eher eine Idee, die irgendwo am Horizont der Zukunft schwebte. Nicht konkret genug, um mich ernsthaft damit zu beschäftigen. Nicht konkret genug, um Pläne zu schmieden. Bei ihr war das „Wollen“ schon damals ein sehr plastischer Wunsch und die dazugehörenden Pläne existierten bereits in ihrem Kopf. Das war mir relativ schnell klar. Doch weil ich wenig Toleranz für Pläne in diese Richtung aufbrachte, blieben ihre in ihrem Kopf. Ich verdächtige sie nicht, dass sie absichtlich schwanger wurde, weil es ihrem Plan entsprechend an der Zeit war. Obwohl mir der Gedanke schon kam, habe ich ihn inzwischen verworfen, weil ich denke, dass wenn sie schon einen Plan hat, dann hätte dieser doch Hand und Fuß und würde so etwas wie finanzielle Stabilität beinhalten. Ich verdiene im Frühdienst genug für die Miete und mein alltägliches Leben. Wenn ihr Einkommen dann wegfällt, würde es zur Not schon irgendwie für uns zwei reichen, aber sicher nicht für drei. Darüber hinaus bräuchten wir ja auch so etwas wie eine Perspektive für die Zukunft. Wir können ein Kind nicht auf Dauer in dieser kleinen Wohnung großziehen.

Kommentar von Pascal Schrenker

Was ist der Sinn eines Tagebuches, wenn man selbst in diesem die wahren Gedanken und Gefühle verschleiert? Hättest du, ohne den akuten Verdacht, dein Mädchen habe dich hintergangen, die Beschreibung eines alltäglichen Geschehens, in diese Sphären abschweifen lassen? Der erste Ultraschall ist doch nichts Alltägliches, stelle ich mir vor. Umso komischer ist es, dass du dieses Erlebnis zwar einleitest, dann aber ausschweifst in deine Gedanken und Erinnerungen. Du warst gekränkt, weil sie dich in einem emotionalen Moment mehr oder weniger subtil als schlechten Versorger hingestellt hat und das ging dir den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf. Doch weil du der perfekte Partner sein willst, hast du diesen Vorwurf einfach geschluckt. In deiner Kränkung schweifst du ab in die tiefen deiner Gedankenwelt. Trotzdem wurden alte Gefühle und Verdächtigungen wieder an die Oberfläche geschwemmt. Und du weißt, dass du beim ersten Mal als du den Verdacht hattest, nicht logisch das Gegenteil schlussfolgern konntest, genauso wenig wie du es jetzt kannst. Deshalb gaukelst du dir Logik in einem fadenscheinigen Argument vor, das man auch anders sehen könnte. Zum Beispiel so: Weil du ohne den richtigen Push nie deinen Arsch hochbekommen hättest, hat sie dir mit dieser Überraschungsschwangerschaft einen Anreiz gegeben, dich ein bisschen mehr im Leben anzustrengen. Sicher ist dir diese Möglichkeit auch schon in den Kopf gekommen, doch du willst sie nicht anerkennen, weil sie dir deine Hilflosigkeit vor Augen führen würde. Da war es am besten, einfach so zu tun, als hätte ein Hintergehen nie stattgefunden.

David Schrenker ist kein Selbstmörder!

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