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5. Das Vertragsrecht

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Zum Verständnis des Zivilrechts ist ein weiterer Aspekt grundlegend. Es sind nicht nur Gesetz und richterliche Rechtsfindung, aus denen die Lösung von Streitigkeiten hergeleitet werden kann. Häufig haben vielmehr die beteiligten Personen miteinander vorher verabredet, was zwischen ihnen in Bezug auf einen Lebenssachverhalt gelten soll. Eine Vereinbarung, an welche die Beteiligten rechtlich gebunden sein wollen, nennen wir Vertrag. Die Parteien wollen, dass das Vereinbarte für beide Seiten verbindlich ist und notfalls auch mit Hilfe der Gerichte durchgesetzt werden kann. Dass man an geschlossene Verträge grundsätzlich gebunden ist, entspricht alter und unangefochtener Rechtsüberzeugung (pacta sunt servanda). Man könnte daher meinen – und manche Rechtstheorien meinen es –, der Vertrag stelle neben Gesetz und richterlicher Normenbildung eine eigenständige Rechtsquelle dar.

Beispiel:

Jemand vermietet einem anderen eine Maschine, dh die Parteien kommen überein, dass der eine Vertragspartner dem anderen den Gebrauch der Maschine überlassen und dass der andere dafür einen bestimmten Preis zahlen soll. Wir können sagen: Aus dem Mietvertrag ist der Vermieter dem Mieter zur Überlassung des Gebrauchs an der Mietsache verpflichtet. Der Vertrag erscheint als die maßgebliche Rechtsnorm, etwa für den Konfliktsfall, dass der Vermieter die Übergabe der vermieteten Sache verweigert.

Man muss allerdings bedenken, dass auf dem Feld des Zivilrechts auch die vertraglichen Regelungen ihre gerichtliche Durchsetzbarkeit letztlich auf die Autorität der staatlichen Rechtsgemeinschaft stützen. Das staatliche Recht legt durch Gesetz und Richterspruch fest, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen das vertraglich Versprochene einklagbar und mit hoheitlichen Mitteln erzwingbar ist. Dabei herrscht unter der Geltung des Grundgesetzes (Art. 2 I GG) das Prinzip der Vertragsfreiheit: Grundsätzlich hat das vertraglich frei Vereinbarte auch zivilrechtliche Geltung. Doch setzt das staatliche Recht der Vertragsfreiheit zugleich Schranken (Rn 241). Der Vertrag ist also Rechtsquelle im Kontext mit dem staatlichen Recht, das über seine Geltung und Durchsetzbarkeit letztlich bestimmt.

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Sofern die Rechtsordnung einem Vertrag nicht ausnahmsweise die Geltung versagt, kommt folglich dem Vertragstext die Funktion einer für das konkrete Rechtsverhältnis maßgeblichen Entscheidungsprämisse zu. Die Subsumtionstechnik spielt also auch hier eine Rolle. Auch sind vertragliche Bestimmungen nicht anders als gesetzliche der Auslegung fähig und bedürftig.

Zur Technik der Fallentscheidung: Da Verträge im Prinzip rechtsverbindlich sind, ist bei Rechtsstreitigkeiten zunächst zu fragen, ob sich die von einer Partei geltend gemachte Rechtswirkung aus einem Vertrag (oder einem sonstigen Rechtsgeschäft) ergibt. Das Gericht hat zu prüfen:

(a) Ergibt sich die behauptete Rechtsfolge aus einem (behaupteten) Vertragsverhältnis zwischen den Parteien (dessen Gültigkeit unterstellt)?

(b) Wenn ja: Sind die gesetzlichen Regeln über das Zustandekommen wirksamer Verträge im konkreten Fall erfüllt?

(c) Versagt die Rechtsordnung dem Vertrag aus besonderen Gründen die Wirksamkeit (zB mangelnde Geschäftsfähigkeit eines Vertragspartners, §§ 104 ff; Gesetzwidrigkeit des Geschäfts, § 134; Sittenwidrigkeit des Geschäfts, § 138; mangelnde Form, § 125, etc)?

Wenn (a) und (b) vorliegen und (c) zu verneinen ist, ist die geltend gemachte Rechtsfolge gegeben.

Einführung in das Zivilrecht

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