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1. Überblick

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In den Rechtsordnungen des europäischen Festlands sind die Zivilrechtsnormen in erster Linie durch Gesetze festgelegt, dh durch Vorschriften, die von den verfassungsmäßigen Gesetzgebungsorganen in einem vorgeschriebenen Gesetzgebungsverfahren erlassen sind. Die Zivilgesetze weisen zum Teil ein erhebliches Alter auf. Infolge Art. 123 I GG, wonach Recht aus der Zeit vor Zusammentritt des Bundestages fortgilt, soweit es dem GG nicht widerspricht, ist bei uns älteres Zivilrecht in weitem Umfang in Kraft geblieben.

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Das systematisch auch heute noch bedeutendste zivilrechtliche Gesetz ist das Bürgerliche Gesetzbuch vom 18.8.1896, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Das BGB bildet eine späte Verwirklichung der in der Aufklärung zur Herrschaft gelangten Kodifikationsidee. Diese ist von der Vorstellung bestimmt, dass man das gesamte Recht oder ein großes Regelungsgebiet in einem Gesetzbuch vollständig und widerspruchsfrei zusammenfassen könne. Ein solcher Plan setzt ein stimmiges, nach Abstraktionsgraden gestuftes Begriffssystem voraus, wie es die europäische Rechtswissenschaft auf der Grundlage des römischen Rechts entwickelt hat. Das BGB verdankt seine rechtstechnische Höhe insbesondere der Wissenschaft vom römischen Recht im 19. Jahrhundert (Pandektistik). Bedeutende Zivilrechtskodifikationen sind ferner:

Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 (ALR; nicht auf das Zivilrecht beschränkt!);

Code civil von 1804 (dieses Gesetzbuch hat infolge der französischen Revolutionskriege und der napoleonischen Eroberungen auch in Teilen Deutschlands gegolten);

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für die Erbländer der österreichischen Monarchie von 1811 (ABGB);

Schweizerisches Zivilgesetzbuch von 1907 (ZGB); Schweizerisches Obligationenrecht von 1911 (OR).

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Das BGB enthält die Regelung der persönlichen und wirtschaftlichen Rechtsbeziehungen unter Privatpersonen einschließlich der familiären Rechtsverhältnisse und der Erbfolge. Gleichwohl bietet es keine vollständige Kodifikation des Zivilrechts. Von vornherein sind gewisse Rechtsmaterien außerhalb des BGB verblieben und durch besondere Gesetze geregelt worden. Im Laufe der Zeit wurden weitere Materien des Privatrechts in besonderen Gesetzen normiert. Das BGB bildet gleichwohl die Grundlage für das gesamte Zivilrecht; die weiteren Zivilrechtsgesetze bauen auf seinen Begriffen und Regeln auf.

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Von den außerhalb des BGB geregelten Materien sind die folgenden hervorzuheben:

(1) Das Handelsrecht bildet das Sonderrecht der Kaufleute und schließt das Recht der Handelsgesellschaften ein.

Für das Handelsrecht gab es bereits vor In-Kraft-Treten des BGB ein in den meisten deutschen Ländern eingeführtes Gesetzbuch, nämlich das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1861. Infolgedessen bedurfte das Handelsrecht keiner grundlegend neuen Kodifikation. Vielmehr wurde es durch das in großen Teilen heute noch gültige Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10.5.1897 dem BGB angepasst und trat mit diesem in Kraft. Im HGB war ursprünglich auch das Recht der Aktiengesellschaften geregelt; dieses wurde später jedoch Gegenstand eines besonderen Gesetzes (Aktiengesetz). Von vornherein blieb das Recht der Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz vom 20.4.1892) und der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz vom 1.5.1889) besonderen Gesetzen vorbehalten.

Beim Handelsrecht darf der Zusammenhang mit dem BGB nicht vernachlässigt werden, auf das es Bezug nimmt. So können zB die Vorschriften über den Handelskauf (§§ 373 ff HGB) nicht ohne die Kaufvertragsregeln des BGB (§§ 433 ff BGB) verstanden und angewendet werden. Das Handelsrecht bildet gegenüber den Regeln des BGB ein Sonderrecht und geht ihnen vor. Denn das jeweils speziellere, dh den Lebenssachverhalt konkreter erfassende Gesetz geht dem allgemeineren im Range vor (lex specialis derogat legi generali). Das HGB bringt Abweichungen vom BGB nur dort, wo dies im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse des Handelsverkehrs nötig ist. Soweit also nicht eine besondere Vorschrift des HGB die Regeln des BGB verdrängt, bleiben diese auch im Bereich des Handelsrechts maßgebend.

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(2) Außerhalb des BGB geregelt ist der größte Teil des Rechts der Wertpapiere. Wertpapiere im weiten Sinne sind schriftliche Verkörperungen eines Rechts, deren Besitz zur Ausübung des Rechts notwendig ist. Außer den Regelungen des BGB (§§ 793 ff) und HGB sind vor allem das Wechselgesetz vom 21.6.1933 und das Scheckgesetz vom 14.8.1933 von Bedeutung.

(3) Außerhalb des BGB hat sich der gesamte Bereich des Urheber- und Verlagsrechts, des Erfinderrechts, des Rechts der Gebrauchs- und Geschmacksmuster und des Markenrechts entwickelt. Für die genannten Gebiete bestehen jeweils besondere Gesetze (siehe Rn 290).

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(4) Die Ordnung des wirtschaftlichen Wettbewerbs hat insbesondere im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, neu gefasst 3.3.2010) und in dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB, neu gefasst 26.6.2013) eine gesonderte Regelung gefunden.

Der Überblick über die unter (1) bis (4) genannten Materien ergibt, dass ein erheblicher Teil des mit wirtschaftlichen Vorgängen befassten Rechts außerhalb des BGB geregelt ist. Unter der Bezeichnung „Wirtschaftsrecht“, die je nach Einbeziehung des einschlägigen öffentlichen Rechts unterschiedlich weit verstanden wird, verselbstständigt sich das Privatrecht der Wirtschaftsunternehmen zu einer Sonderdisziplin.

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(5) Das Recht der Dienstverhältnisse hatte im BGB eine unzeitgemäße Vernachlässigung erfahren (§§ 611–630). Aber selbst wenn das BGB eine umfassende Regelung versucht hätte, wäre wohl die weitere Entwicklung dieses Regelungsgebiets außerhalb des BGB erfolgt. Denn das Arbeitsrecht als das Sonderrecht der fremdbestimmte Arbeit leistenden Personen hat eine so rasche, mit dem öffentlichen Recht verzahnte Entfaltung erfahren, dass das BGB alsbald überholt gewesen wäre. Das Arbeitsrecht ist ein besonders wichtiges Spezialgebiet, das aber seine zivilrechtliche Grundlage in den Vorschriften des BGB über den Dienstvertrag (§§ 611 ff) findet.

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(6) Das Verbraucherschutzrecht hatte sich als besondere Materie zunächst im Wesentlichen außerhalb des BGB entwickelt.

Die ersten Vorschriften waren in dem „Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte“ vom 16.5.1894 enthalten, das im Laufe der Zeit wiederholt ausgeweitet wurde und schließlich im Verbraucherkreditgesetz vom 17.12.1990 aufgegangen ist. Seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts sind – auch unter dem Einfluss von Vorgaben der Europäischen Union – weitere Spezialgesetze hinzugekommen..

Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 hat das vertragliche Verbraucherschutzrecht in großem Umfang aus den Spezialgesetzen in das BGB transferiert (vgl §§ 312–312h; 355–361; 474–479; 491–512). Maßgebend dafür ist die Auffassung, dass das Verbraucherschutzrecht ein Grundelement der Zivilrechtsordnung bildet.

Außerhalb des BGB befinden sich weiterhin die besonderen Gesetze über die Gefährdungshaftung, zu denen in unserem Zusammenhang besonders das Produkthaftungsgesetz gehört (siehe Rn 394).

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(7) Es gibt weitere zivilrechtliche Vorschriften, die aus gesetzestechnischen Gründen außerhalb des BGB verblieben sind, so das Wohnungseigentumsgesetz vom 15.3.1951 und die Verordnung über das Erbbaurecht vom 15.1.1919 (jetzt Erbbaurechtsgesetz benannt). Eine Sonderregelung hat das Privatversicherungsrecht, dh das Recht der auf zivilrechtlichem Vertrag beruhenden Versicherungen gefunden (Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30.5.1908; Neufassung durch Gesetz v. 23.11.2007).

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