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2. Kapitel Compliance Management und Strafrecht I. Einführung in die Criminal Compliance

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Die Notwendigkeit sowie die rechtliche Verpflichtung zur Installation eines Compliance Managements entstammt zumindest ursprünglich nicht der Sorge um die strafrechtliche Gesetzmäßigkeit des unternehmerischen Handelns bzw. der Sorge um die Wirkung strafrechtlicher Verfehlungen auf das Unternehmen. In der „Vor-Compliance-Zeit“ (bis 1998)1 bestand vielmehr ein Zielkonflikt zwischen einer Verpflichtung zu ethischem und damit auch einem strafrechtskonformen Handeln auf der einen Seite sowie der Verpflichtung zur Ertragsoptimierung im Sinne des Shareholder-Value-Gedankens auf der anderen Seite. Hier konnte sogar eine strafrechtliche Grenzüberschreitung als opportun bzw. jedenfalls hinnehmbar in eine Kosten-Nutzen-Abwägung Eingang finden. Je weniger „ehrenrührig“ die strafrechtliche Grenzüberschreitung in den relevanten Kreisen, so etwa der sog. „Deutschland AG“, erschien und je geringer das Entdeckungsrisiko war, desto eher ist ein solches Risiko durch die Unternehmensverantwortlichen in Kauf genommen worden, wenngleich auch seinerzeit bereits penibel darauf geachtet wurde, dass im Falle der Entdeckung eine Verstrickung nicht bis in den Vorstand oder ggf. sogar den Aufsichtsrat nachgewiesen werden konnte.

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Gerade im Bereich der heutigen Kern-Compliance-Risiken, etwa der Korruption, der Untreue, der Steuerhinterziehung sowie der Verstöße gegen das Kartell- oder auch Datenschutzrecht, sah die Welt noch völlig anders aus. Bis 1998 waren die Tatbestände der Inlands-Korruption ein relativ stumpfes Schwert, bei der Vorteilsgewährung musste die Justiz den Abschluss einer konkreten Unrechtsvereinbarung nachweisen und die Anforderungen der Rechtsprechung waren hoch, die Auslands-Korruption war schlichtweg in Deutschland noch gar nicht strafbar. Im Gegenteil, der Staat hat die Auslands-Korruption deutscher Unternehmen vielmehr als mögliches Akquisitionsinstrument angesehen und den Einsatz der dafür erforderlichen Mittel, die sog. „nützlichen Aufwendungen“ (NA), steuerlich sogar als Betriebsausgaben anerkannt.

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In diesem Umfeld hat der Gesetzgeber dann im Jahre 1998 durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)2 die für die Compliance als grundlegend angesehene Norm des § 91 Abs. 2 AktG eingeführt, nach der der Vorstand der Aktiengesellschaft „geeignete Maßnahmen“ zu treffen, „insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten“ hat, mit dessen Hilfe „den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt“ werden können. Ein solches Überwachungssystem war bereits von seinem Wortlaut her seinerzeit nur zur Früherkennung betriebswirtschaftlich existenzgefährdender Risiken bestimmt. Dass sich innerhalb weniger Jahre die Erkenntnis durchsetzen sollte, dass auch strafrechtliche Compliance-Risiken ein existenzgefährdendes Ausmaß für das Unternehmen annehmen könnten, war damals kaum absehbar.

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In den Jahren ab 1998 hat der Gesetzgeber jedoch insbesondere im Strafrecht einen dramatischen Kurswechsel vollzogen, der heute an dem Erfordernis einer insbesondere strafrechtsbasierten Compliance keinen Zweifel mehr lässt.

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Nachdem die bis dato unzureichende Korruptionsbekämpfung im Jahr 1996 Gegenstand des 61. Deutschen Juristentages war, und obwohl die geplanten Maßnahmen dort in hohem Maße umstritten waren, schaffte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13.8.1997 (KorrBekG)3 zunächst einschneidende Verschärfungen im Korruptionsstrafrecht, mit welchen die bis dato bestehenden Lücken geschlossen und Verfolgungsprobleme beseitigt werden sollten. Neben einer deutlichen Verschärfung der Strafandrohung für die Korruptionsdelikte des Kernstrafrechts waren die Kernpunkte der Veränderung die Erfassung des sog. „Drittvorteils“, also die Strafbarkeit der Zuwendung an einen dem Amtsträger nahestehenden Dritten, sowie die bis heute umstrittene und nachwirkende Lockerung der sog. „Unrechtsvereinbarung“, mithin der inhaltlichen Verknüpfung von Dienstausübung und Vorteilszuwendung. Schließlich ist der Abschnitt „Straftaten gegen den Wettbewerb“ in das StGB aufgenommen worden, der nicht nur den neu gefassten Straftatbestand des § 298 StGB (wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen), den ehemaligen „Submissionsbetrug“, umfasst, sondern insbesondere auch die aus dem Nebenstrafrecht (UWG) stammenden Delikte der Nicht-Amtsträger-Bestechung (ugs. Privat-Korruption), der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr neu gefasst und in das StGB eingefügt hat (§§ 299, 300 StGB). Zwar enthielt § 12 UWG bis dato eine vergleichbare Strafvorschrift, diese war jedoch gem. § 22 UWG a.F. als absolutes Antragsdelikt ausgestaltet und führte dieserhalb eher ein Schattendasein im UWG. Seit der Aufwertung dieses Tatbestandes durch Aufnahme in das Kernstrafrecht erfreut sich insbesondere die Regelung des § 299 StGB, also der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, einer stark zunehmenden Beliebtheit bei den Ermittlungsbehörden. Durch ein weiteres Gesetz zur Bekämpfung der Korruption4 mit Wirkung ab dem 26.11.2015 hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 299 StGB noch einmal erweitert und das sog. Geschäftsherrenmodell in den Tatbestand aufgenommen. Strafbar soll nunmehr auch derjenige sein, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen schlichtweg „seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt“ Ziel der durchaus unbestimmten Neuregelung soll, so der Gesetzgeber, ein erweiterter „Schutz der Interessen des Geschäftsherrn an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten und Beauftragten“ sein. Zu befürchten ist jedoch, dass hier mittelfristig auch die Verletzung selbstgesetzter Compliance-Vorgaben des Unternehmens u.U. sogar als strafbarkeitsbegründend angesehen wird.

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Sodann hat der Gesetzgeber weitere Spezialtatbestände im Bereich der Korruption neu geschaffen bzw. reformiert. Im Jahr 2014 hat der Gesetzgeber nach über 11 Jahren internationalen Drucks den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB) reformiert und an die Anforderungen der UN-Konvention angepasst.5 Die Neuregelung des § 108e StGB erfasst nunmehr unter dem Titel „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“ nicht nur Bundestags- und Landtagsabgeordnete, sondern auch kommunale Mandatsträger.

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Im Jahre 2016 hat der Gesetzgeber durch das umstrittene Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 14.4.20166 zwei neue Korruptionsvorschriften für die Akteure im Gesundheitswesen erlassen. Die neuen Straftatbestände § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) und § 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen) sind der Struktur des § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) nachgebildet.

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Auch international ist seit Jahren – unter dem starken Einfluss der US-amerikanischen Regierung – eine Verstärkung und Internationalisierung der Korruptionsbekämpfung zu verzeichnen.7 In den USA hat die Korruptionsbekämpfung auch im Rahmen der Auslandsaktivitäten US-amerikanischer Unternehmen bereits eine längere Tradition. Das Auslandsbestechungsgesetz (FCPA) verbietet bereits seit den späten 70er Jahren Zahlungen und Geschenke an ausländische staatliche Amtsträger, die den Zweck haben, einen Geschäftsabschluss zu befördern oder eine Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten.8 Auf Basis des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsbereich vom 17.12.1997 hat dann auch der deutsche Gesetzgeber die internationalen Vorgaben zur Erweiterung der Anwendbarkeit der Korruptionsvorschriften auf den internationalen Bereich umgesetzt und das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (IntBestG) verabschiedet.9 Durch das IntBestG wurden zahlreiche ausländische Amtsträger (und Richter) unter bestimmten Voraussetzungen den inländischen Amtsträgern gleichgesetzt, darüber hinaus wurde das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatortes für die Bestechung ausländischer Amtsträger und Abgeordneter im internationalen Geschäftsverkehr für anwendbar erklärt (§ 5 StGB). In Umsetzung des EU-Bestechungsübereinkommens hat der Gesetzgeber mit Schaffung des EU-Bestechungsgesetzes (EUBestG)10 fast zeitgleich die Anwendbarkeit des Amtsträgerbegriffes auch auf die Amtsträger von EU-Mitgliedstaaten sowie auf bestimmte Gemeinschaftsbeamte sowie die Mitglieder der Kommission und des Rechnungshofes der europäischen Gemeinschaften ausgeweitet. Des Verweises auf die Vorschriften des IntBestG sowie des EuBestG bedarf es seit November 2015 nicht mehr, da diese zwischenzeitlich – jedenfalls zum größten Teil – in das StGB (§§ 11 Abs. 1 Nr. 2a, 331ff., 335a StGB) übernommen wurden.11 Auch die Auslandskorruption ist damit zwischenzeitlich fester Bestandteil des Kernstrafrechts geworden.

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Der Wille, Korruption ernsthaft zu verfolgen, wenngleich diese bis dato von deutschen Unternehmen – jedenfalls im Ausland – als kaum verzichtbares Akquisitionsinstrument angesehen wurde, hat sich dann schließlich auch nicht nur darin niedergeschlagen, dass der Gesetzgeber die steuerliche Absetzbarkeit von im Ausland gezahlten Bestechungsgeldern abgeschafft, sondern er auch diverse faktische Maßnahmen zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung umgesetzt hat. So wurden nicht nur „Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Korruptionsbekämpfung“ eingesetzt, die ihr Handwerk wirklich verstehen, sondern auch etwa Hinweisgebersysteme bei den Landeskriminalämtern sowie in einigen Ländern auch Korruptionsregister eingeführt. Auf Bundesebene ist die Einführung eines (bundesweiten) Korruptionsregisters zur Vorbereitung von Vergabeentscheidungen, trotz einer seit Jahren andauernden Diskussion, jedoch immer wieder gescheitert. In einzelnen Bundesländern gibt es jedoch solche „Korruptionsregister“ oder „Vergaberegister“ teilweise auf Erlassbasis, teilweise auf gesetzlicher Basis, so etwa in NRW bei der Informationsstelle für Vergabeausschlüsse NRW, die beim Finanzministerium NRW geführt wird.12

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Gab es dieses umfassende strafrechtliche Normengeflecht zwar schon länger, so hat der Gesetzgeber den Ermittlungsbehörden jedoch darüber hinaus zwischenzeitlich ein Ermittlungsinstrumentarium an die Hand gegeben, das es ihnen nicht nur ermöglicht, die Einhaltung dieser Vorschriften effektiv zu kontrollieren, sondern auch bei dem Unternehmen als solchem die „Daumenschrauben“ derart anzuziehen, dass das Unternehmen selbst ein überragendes Interesse an der Verhinderung derartiger Straftaten, mithin an Compliance, hat. In der Praxis werden Beweisschwierigkeiten nicht nur zunehmend mittels einer systematischen Auswertung des gesamten Datenbestandes des Unternehmens, insbesondere der E-Mails, sondern auch mit dem Instrument der Telekommunikationsüberwachung überwunden. Durch zahlreiche gesetzliche Änderungen wurde die einst dem Bereich der Schwerkriminalität vorbehaltene Telekommunikationsüberwachung auf Bereiche der (vermeintlichen) Wirtschaftskriminalität erstreckt, so insbesondere auf die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung, der (schweren) Angestelltenbestechlichkeit und -bestechung sowie neuerdings auch auf den Tatbestand der Bestechung von Mandatsträgern.

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Beschränkte sich die Strafverfolgung noch vor einigen Jahren fast ausschließlich auf die Überführung der verantwortlichen Straftäter, so hat sich auch dieses Bild zwischenzeitlich fast um 180° gedreht. Regelmäßig begnügen sich Staatsanwaltschaften nicht mehr mit dem verantwortlichen Mitarbeiter des Unternehmens; regelmäßig versuchen die Staatsanwaltschaften von Anfang an, eine Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung nachzuweisen, um dann dort – mit dem Ziel der Generalprävention – Schmerzen zu bereiten. So sehen sich die Staatsanwälte der Schwerpunktstaatsanwaltschaften als „Großwildjäger“, die weniger an dem einzelnen Vertriebsmitarbeiter als vielmehr dem Geschäftsführer oder dem Vorstand selbst interessiert sind. Da die staatsanwaltschaftliche Erfahrung zu zeigen scheint, dass die Verantwortlichkeiten regelmäßig in der Unternehmensleitung zusammenlaufen, wird zielorientiert auf die Feststellung entweder positiver Kenntnis der Unternehmensleitung oder jedenfalls eines sog. „Organisationsverschuldens“ hingearbeitet.

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Aber auch die Feststellung individueller strafrechtlicher Verantwortlichkeit bei der Unternehmensleitung reicht den Schwerpunktstaatsanwaltschaften häufig nicht mehr aus. Ziel der Ermittlungsbehörden – dies wird teilweise unverhohlen zugegeben – ist es, das Unternehmen dort zu treffen, wo es „weh tut“, nämlich im finanziellen Bereich. Als Unternehmensvertreter kann man sich häufig des Eindrucks nicht erwehren, dass durchaus auch profiskalische Aspekte hinter einer dahingehenden Forcierung stehen. Teilweise scheint die Ahndung individuellen Verschuldens in den Hintergrund zu treten neben der Absicht, Erträge (häufig) in Millionenhöhe im Wege der Einziehung oder über Unternehmensgeldbußen abzuschöpfen. Da derartige (Millionen-)Erträge dem jeweiligen Landeshaushalt zufließen, entsteht der Eindruck, dass die Staatsanwaltschaften mit teilweise abenteuerlichen Begründungen versuchen, eine dahingehende Kompetenz zu begründen, wo sie vor Jahren noch versucht hätten, entsprechende Zuständigkeiten von sich zu weisen.

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Diese profiskalischen Perspektiven eröffnen sich den Staatsanwaltschaften durch die Instrumente der Einziehung von Taterträgen gemäß § 73 StGB sowie der Unternehmensgeldbuße gemäß § 30 OWiG, die auch im Strafverfahren – neben der persönlichen Schuldfeststellung – Anwendung findet. Kann gem. § 30 Abs. 2 OWiG gegen das Unternehmen bereits eine Geldbuße von bis zu 10 Mio. EUR verhängt werden, so erhöht sich diese bei Vorliegen eines abschöpfungsfähigen Erlöses, der aus der Straftat generiert wurde, gem. § 17 Abs. 4 OWiG schnell auf einen mehrstelligen Millionenbetrag. So hat etwa die Staatsanwaltschaft München I in der causa Siemens bereits mit Bußgeldbescheid vom 15.12.2008 den Abschöpfungsanteil alleine auf einen Betrag i.H.v. 394.750.000,00 EUR festgesetzt und um einen Ahndungsanteil i.H.v. 250.000,00 EUR erhöht, mithin alleine in diesem Verfahren eine Geldbuße in Höhe von 395 Mio. EUR festgesetzt.13 Zuvor hatte bereits das LG München I gegen die Siemens AG eine Geldbuße in Höhe von 201 Mio. EUR verhängt. In der sog. „Diesel-Affäre“ hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen die Volkswagen AG unter dem 13.6.2018 einen Bußgeldbescheid über eine Verbandsgeldbuße in Höhe von 1 Mrd. EUR erlassen. Das gegen die Volkswagen AG festgesetzte Bußgeld umfasste dabei einen sanktionierenden Teil in Höhe von 5 Mio. und einen vermögensabschöpfenden Teil in Höhe von 995 Mio. EUR. Weitere Verbandsgeldbußen im dreistelligen Millionenbereich sind zwischenzeitlich etwa gegen die Audi AG, die Porsche AG sowie die Daimler AG erlassen worden.

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Aber auch die Kartellgeldbußen des Bundeskartellamtes erreichen über das Institut der sog. Mehrerlösgeldbuße gem. § 81 Abs. 4, 5 GWB i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG schnell dreistellige Millionenbeträge. So hat das Bundeskartellamt etwa im Jahre 2014 gegen ein Mitglied des sog. Zuckerkartells eine Einzelgeldbuße in Höhe von 195,5 Mio. EUR verhängt. Die bis dato höchste Einzelkartellgeldbuße des Bundeskartellamtes – 251,5 Mio. EUR – wurde im sog. Grauzementkartell verhängt und vom OLG Düsseldorf sowie dem Bundesgerichtshof später auf 169,9 Mio. EUR bzw. 161,4 Mio. EUR reduziert.14

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Bei der Sanktionierung von Unternehmen ist der Gesetzgeber jedoch entschlossen, noch einen Schritt weiterzugehen. Unter dem 16.6.2020 hat die Bundesregierung den Entwurf eines „Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten“, das sog. Verbandssanktionengesetz“ (VerSanG), veröffentlicht und diesen dem Bundesrat unter dem 7.8.2020 zur Stellungnahme vorgelegt Durch dieses Gesetzesvorhaben wird der Weg zu einem „Unternehmensstrafrecht“ beschritten, die Unternehmen (und sonstigen „Verbände“) sollen zukünftig einer eigenständigen Sanktionierung unterliegen. Da Unternehmen jedoch nicht schuldhaft handeln können, spricht man von Unternehmens- bzw. Verbandssanktionen und nicht von „Strafen“, die Wirkung ist jedoch die Gleiche Der Begriff des „Verbandes“ bestimmt den Kreis der tauglichen Adressaten der Sanktion und deckt sich inhaltlich mit der Regelung des § 30 OWiG, wobei klargestellt wird, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich sanktionsfähige Verbände sind. Geahndet werden sollen auf diesem Wege sog. „Verbandstaten“, also Straftaten, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte.

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Als mögliche Sanktionen sieht das Gesetz die „Verbandsgeldsanktion“ sowie die „Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt“ vor. Die Verbandsgeldsanktion soll ausweislich des Entwurfes bei einer vorsätzlichen Verbandstat bis zu 10 Mio. EUR betragen dürfen, bei einer fahrlässigen Verbandstat bis zu 5 Mio. EUR. Bei einem Verband mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. EUR soll die Verbandsgeldsanktion hiervon abweichend sogar bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes des betroffenen Unternehmens betragen können. Im Falle einer großen Zahl von Geschädigten soll das Gericht neben der Verbandssanktion zur Information der Geschädigten zudem die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes anordnen können (das sog. „naming and shaming“).

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Gleichzeitig zielt der Gesetzgeber mit dem Verbandssanktionengesetz jedoch auch auf eine Förderung und Institutionalisierung der unternehmensinternen Compliance ab. So sind nicht nur bei der Bemessung der Sanktion das „Bemühen des Verbandes, die Verbandstat aufzudecken“ und „nach der Verbandstat getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Verbandstaten“ sanktionsmildernd zu berücksichtigen, dem Verband kann sogar die „Weisung“ erteilt werden, „bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten zu treffen“, mithin geeignete Compliance-Strukturen zu schaffen. In den Genuss der ausgelobten Milderung bei der Aufklärung der Verbandstat durch Internal Investigations, sog. „verbandsinternen Untersuchungen“, soll der Verband nur kommen, wenn die Untersuchungen „in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen“ durchgeführt worden sind. Hier hat sich der Gesetzgeber bemüht, einen Rechtsrahmen für die verbandsinternen Untersuchungen vorzugeben, der jedoch im Detail sehr umstritten ist. So muss der Verband nicht nur „wesentlich“ dazu beigetragen haben, dass die Verbandstat aufgeklärt werden konnte, sondern auch etwa „ununterbrochen und uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden zusammenarbeiten“, und das Ergebnis der verbandsinternen Untersuchung einschließlich aller für die verbandsinterne Untersuchung wesentlichen Dokumente sowie den Abschlussberichts zur Verfügung stellen. Aufgrund einer Änderung der StPO soll darüber hinaus der Beschlagnahmeschutz der im Rahmen der verbandsinternen Untersuchungen angefallenen Dokumente und work products entfallen.15

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Neben dem aufgezeigten straf- und ordnungsrechtlichen Instrumentarium beherrschen die Schwerpunktstaatsanwaltschaften auch die Klaviatur der Generierung medialer (Presse-)Öffentlichkeit. Insbesondere für die betroffenen Unternehmen in hohem Maße etikettierende Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen sorgen für eine mediale Aufmerksamkeit und Berichterstattung, die den Verdacht im Bewusstsein der Öffentlichkeit als Tatsache zementiert. In der auflageorientierten Presselandschaft wird der möglicherweise auf dünner Tatsachenbasis angenommene Anfangsverdacht zum Skandal hochgestuft, wodurch weiterer Druck auf das Unternehmen entsteht, den Schaden durch eine „Kooperation“ mit der Staatsanwaltschaft und möglicherweise durch eine interne Aufklärung zu reduzieren. Versucht das Unternehmen, sich gegen einen bestehenden Anfangsverdacht zu wehren, so ist die Staatsanwaltschaft durchaus in der Lage, offiziell oder inoffiziell die nächste Eskalationsstufe durch Herstellung weiterer Presseöffentlichkeit herbeizuführen. Häufig wird so der einmal angenommene Anfangsverdacht einer Straftat durch die Instrumentarien und die publizistischen Begleitumstände zu einer Art „self fulfilling prophecy“, mithin zu einer Abwärtsspirale, der sich das Unternehmen kaum noch entziehen kann.

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Doch selbst, wenn es im Einzelfall nicht zu einer Einziehungoder der Verhängung einer existenzbedrohenden Verbandsgeldbuße16 kommt, sind auch die strafrechtlichen Nebenfolgen, etwa das sog. blacklisting, nicht außer Acht zu lassen. Eintragungen in bestehende Vergabe- bzw. Korruptionsregister können zu schmerzhaften Vergabeausschlüssen, Eintragungen etwa in das Gewerbezentralregister können zum Entfall der Zuverlässigkeit des Unternehmens und damit zum Entfall zahlreicher Vergünstigungen im amtlichen Verkehr führen.

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Der Einsatz dieser rechtlichen sowie faktischen Instrumentarien, die der Strafjustiz gegen das betroffene Unternehmen zur Verfügung stehen, sowie die erheblichen Konsequenzen, die sowohl das Unternehmen als auch seine Verantwortlichen treffen können, und der erklärte Wille zur rücksichtslosen Anwendung lassen ein Strafverfahren – jedenfalls wegen erheblicherer Vorwürfe – schnell zu einem pekuniären und publizistischen GAU für ein Unternehmen werden. Genau hier zeigt sich, dies war auch durchaus Absicht des Gesetzgebers, dass der Einsatz strafrechtlich-relevanter Methoden im Interesse der Gewinnmaximierung keine Option mehr darstellt. Gewinnstreben und ethisches Verhalten stehen damit nicht mehr in einem Zielkonflikt. Dass sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass auch strafrechtliche Risiken für das Unternehmen ein existenzgefährdendes Ausmaß annehmen können, ist daher weniger dem Gedanken der Unternehmensethik oder der Corporate Social Responsibility, denn vielmehr einem dramatischen Kurswechsel des Gesetzgebers im Strafrecht hin zu einem Unternehmenssanktionenrecht geschuldet. Die Vermeidung strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen im (vermeintlichen) Unternehmensinteresse muss damit erklärtes Ziel des Unternehmers sein; Mittel zur Umsetzung dieses Zieles ist ein (auch) strafrechtlich basiertes Compliance Management.

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Strafrechtliche Compliance-Risiken für das Unternehmen im Überblick

 – Strafbarkeit der Unternehmensverantwortlichen und deren Inhabilität;

 – Anordnung der Verfahrensbeteiligung gem. §§ 424, 444 StPO;

 – Einziehung von Taterträgen gem. §§ 73 StGB, 29a OWiG;

 – Verbandsgeldbuße gem. §§ 30 OWiG, 81 Abs. 4 Satz 2 GWB;

 – Mehrerlösabschöpfung gem. §§ 30 Abs. 3, 17 Abs. 4 OWiG; 81 Abs. 4 GWB;

 – Verbandsgeldsanktion gem. § 8 Nr. 1 VerSanG17;

 – Eintragung in Wettbewerbs- bzw. Korruptionsregister (Vergabesperren);

 – Eintragung in das Gewerbezentralregister (Entfall der Zuverlässigkeit);

 – Eintragung in das Verbandssanktionenregister18;

 – Sonstiges „blacklisting“ (BaFin, Weltbank etc.);

 – Faktische Beeinträchtigungen der Unternehmensabläufe (Durchsuchung, Beschlagnahme etc.);

 – Mediale Berichterstattung/Ad-hoc-Publizität (Reduktion des Börsenwertes).

Compliance Management im Unternehmen

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