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IV. Strafrechtliche Risiken der Non-Compliance für die Verantwortlichen des Unternehmens 1. Originäre strafrechtliche Verantwortlichkeit

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Mangels Existenz eines Unternehmensstrafrechts im engeren Sinne standen historisch immer schon die handelnden natürlichen Personen im Fokus der Strafjustiz. Nach Inkrafttreten des VerSanG wird sich das Verfolgungsinteresse der Staatsanwaltschaften zunächst sicherlich verstärkt auf die Verhängung von Verbandsgeldsanktionen richten, allein aufgrund des Legalitätsprinzips werden die Unternehmensverantwortlichen jedoch auch weiterhin Gegenstand intensiver Befassung bleiben. Die Zeiten, in denen sich die Justiz jedoch mit der Bestrafung der unmittelbar Handelnden im Unternehmen, etwa dem Vertriebsleiter, der einen Beratervertrag geschlossen hat, begnügt hat, sind jedoch längst vorbei. Ziel der Ermittlungen insbesondere bei den Schwerpunktstaatsanwaltschaften sind erklärtermaßen die Verantwortlichen des Unternehmens in der Unternehmensleitung sowie zunehmend auch im Aufsichtsrat, die Staatsanwälte selbst sehen sich quasi als „Großwildjäger“.174 Gegenstand der Ermittlungen und der Ahndung ist daher zunehmend das unmittelbare Handeln der Unternehmensleitung, etwa durch das Treffen konkreter Entscheidungen sowie die Erteilung von Weisungen, das Unterlassen erforderlicher Handlungen, die sog. „Geschäftsherrenhaftung“, z.B. durch die Nichtdurchführung eines gebotenen Produktrückrufs, sowie zunehmend auch die Fahrlässigkeitshaftung wegen der Verletzung der im (Geschäfts-)Verkehr erforderlichen Sorgfalt, etwa durch eine unzureichende Pflichtenorganisation, das sog. „Organisationsverschulden“.

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Die unmittelbare Bestrafung der im Unternehmen für die Begehung einer Straftat verantwortlichen Person stellt nicht nur für die unmittelbar handelnden Personen, sondern auch für das Unternehmen als solches ein nicht zu unterschätzendes Compliance-Risiko dar. Aufgrund der teilweise erheblichen Strafen, die bei der Begehung compliance-relevanter Straftaten aus dem Unternehmen heraus sowie im (vermeintlichen) Unternehmensinteresse – auch unter dem Aspekt der Generalprävention – drohen und verhängt werden, im Falle eines besonderen schweren Falles der Bestechung sind dies beispielsweise Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren, liegt auf der Hand, dass der damit einhergehende „Verlust“ des Führungspersonals jedenfalls für ein mittelständisches Unternehmen erhebliche Auswirkungen haben kann. Aus diesem Grunde haben sich die Unternehmen, die in der Vergangenheit zumindest bereit waren, strafrechtliche Risiken einzugehen, bislang bemüht, die Verantwortlichkeit bei den zuständigen Mitarbeitern zu belassen und möglichst den Nachweis einer Einbeziehung und damit der Verantwortlichkeit der Leitungsorgane zu vereiteln. Ein solches Bemühen verspricht heutzutage jedoch aus zweierlei Gründen keinen Erfolg mehr. Zum einen haben die Ermittlungsbehörden eine derartige Strategie längst erkannt und bemühen sich früh um den Nachweis der Kenntnis und damit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Leitungsorgane. Die Ermittlungsbehörden halten sich schlichtweg kaum mehr mit den einfachen Mitarbeitern auf, diese werden häufig sogar als „Opfer“ angesehen, mit denen man Nachsicht zeigt, auch weil man sie benötigt, um eine Involvierung der Unternehmensleitung nachzuweisen. Darüber hinaus hat auch die Rechtsprechung den Weg zu einer weitergehenden strafrechtlichen Haftung der Leitungsorgane geebnet.

Compliance Management im Unternehmen

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