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c) Delegation von Verantwortungsbereichen
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Der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Geschäftsleitung, der auch zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Gesamtorgans führt, gilt jedoch ausweislich der Rechtsprechung zunächst einmal nur in den Situationen, in denen das Unternehmen als Ganzes betroffen ist. Von dem insoweit aus dem Gesellschaftsrecht übertragenen „Prinzip der gemeinschaftlichen Geschäftsführung“179 gibt es in der Praxis jedoch relevante Ausnahmen. So erfolgt in der Praxis allein aus Gründen der Effektivität im Regelfall eine Verteilung der Geschäftsführungsaufgaben auf die Mitglieder der Kollegialorgane. Von dem Prinzip der Gesamtgeschäftsführung abweichende Organisationsformen sind insoweit etwa die Einräumung einer Einzelgeschäftsführungsbefugnis (verbunden mit einem Alleinvertretungsrecht) an einzelne Organmitglieder, die Vereinbarung von Verantwortlichkeiten für einzelne Ressourcen (z.B. Produktion, Vertrieb, Finanzen, HR oder Recht) sowie die Einräumung einer auf bestimmte Sparten des Unternehmens bezogenen Einzelgeschäftsführungsbefugnis.180 Die Festlegung solcher Abweichungen vom Prinzip der Gesamtgeschäftsführung im Rahmen der Satzung oder der Geschäftsordnung sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG auch bei der Aktiengesellschaft zulässig und führen dazu, dass die jeweils geschäftsführungsbefugten Vorstandsmitglieder im Rahmen der ihnen eingeräumten Einzelgeschäftsführungsbefugnis eigenverantwortlich handeln. Eine solche Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung auf der Ebene der Geschäftsführung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs181 jedoch eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben aufgrund einer von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen Aufgabenzuweisung voraus, die die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellt und ungeachtet der Ressortzuständigkeit eines einzelnen Geschäftsführers die Zuständigkeit des Gesamtorgans insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung wahrt. Eine diesen Anforderungen genügende Aufgabenzuweisung bedarf nicht zwingend einer schriftlichen Dokumentation, wenngleich die schriftliche Dokumentation regelmäßig das naheliegende und geeignete Mittel für eine klare und eindeutige Aufgabenabgrenzung darstellt.182
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Im Hinblick auf die Kernaufgaben der Unternehmensleitung unterliegt eine solche „horizontale Delegation“ jedoch bestimmten Grenzen. Nicht zulässig ist die Delegation der grundsätzlichen Planungs- und Steuerungsverantwortung, der Organisationsverantwortung, der Finanzverantwortung sowie nach herrschender Auffassung auch der Verantwortung für die Einrichtung einer Compliance-Organisation, die zu den „unveräußerlichen Leitungsaufgaben des Gesamtvorstandes“ gehört.183 Unzulässig ist demnach eine vollständige Delegation der vorbezeichneten Aufgaben an einzelne Vorstandsmitglieder oder gar andere Mitarbeiter sowie die Delegation von Einzelaufgaben, die dem Gesamtvorstand etwa konkret durch das Aktiengesetz übertragen sind.184 Unabhängig von der (zulässigen) Delegation verbleibt es damit bei einer Gesamtverantwortung aller Gremienmitglieder für die ordnungsgemäße und rechtmäßige Gesamtleitung des Unternehmens. Insofern hat das Kollegialorgan sicherzustellen, dass der Gesamtvorstand im Falle der Delegation von dem ressortmäßig zuständigen Mitglied ordnungsgemäß informiert wird und die (delegierte) Einzelverantwortlichkeit kontrolliert und überwacht wird. Um sicherzustellen, dass die Unterrichtungspflicht ordnungsgemäß wahrgenommen wird, ist der Vorstand darüber hinaus verpflichtet, ein System ordnungsgemäßer Berichterstattung einzurichten, das den anderen Kollegialmitgliedern die Wahrnehmung ihrer Kontroll- und Überwachungspflicht ermöglicht. Bestehen Anhaltspunkte für eine sorgfaltswidrige oder nicht rechtmäßige Geschäftsführung durch ein Mitglied eines Kollegialorganes, so hat das Gesamtorgan nicht nur ein Rückholrecht, sondern eine Interventionspflicht, um die Problematik dann im Rahmen einer verbindlichen Kollegialentscheidung zu lösen.
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Da die Geschäftsleitung in der Praxis naturgemäß nicht sämtliche Entscheidungen selbst treffen kann, ist auch eine Delegation der Aufgabendurchführung auf untergeordnete Mitarbeiter oder gar externe Dritte, die sog. „vertikale Delegation“, geboten und zulässig. Voraussetzung der auch strafrechtlichen Unbedenklichkeit ist allerdings, dass im Rahmen der Delegation der zuständige Mitarbeiter ordnungsgemäß ausgewählt wird, ordnungsgemäß eingewiesen wird, er die zur Erfüllung der delegierten Tätigkeit notwendigen Kompetenzen und Mittel erhält und seine Tätigkeit im Rahmen der bei der Geschäftsleitung verbleibenden Generalverantwortlichkeit überwacht wird. Zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der (Rest-)Überwachungspflicht ist insbesondere ein angemessenes Berichtswesen erforderlich, das gewährleistet, dass sämtliche Vorgänge, die eine gewisse Wesentlichkeitsschwelle überschreiten, der Geschäftsleitung vorgelegt werden. Nur dann kann die Geschäftsleitung entsprechend der sog. „Business Judgement Rule“ des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auf Basis angemessener Informationen entscheiden.185 Ist die Delegation ordnungsgemäß erfolgt, verbleibt bei der Geschäftsleitung ein strafrechtliches Risiko sowie das Risiko einer Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 OWiG nur dann, wenn ein Fall des Auswahlverschuldens, der unzureichenden Einweisung bzw. der unzureichenden Bereitstellung von Kompetenzen und Ressourcen oder ein Überwachungsverschulden vorliegt. Die ordnungsgemäße Delegation, die Festlegung und Abgrenzung von Verantwortungsbereichen sowie die Kompetenzzuweisung und die Überwachung, etwa auch durchlaufende Kontrollen oder sog. „Compliance-Audits“ sowie durch den Erlass von Organisations- und Dienstanweisungen sind Ausfluss der die Unternehmensleitung treffenden (Organisations-)Pflicht zur Einführung eines ordnungsgemäßen Compliance-Management-Systems.