Читать книгу Compliance Management im Unternehmen - Martin R. Schulz - Страница 75

c) Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e StGB)

Оглавление

62

Bis in das Jahr 2014 war der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung gem. § 108e StGB a.F. ein „stumpfes Schwert“, das nur bestimmte ausgewählte Handlungen erfasste, deshalb so gut wie nicht zur Anwendung gelangte und daher kein großes Compliance-Risiko darstellte. Obwohl sich Deutschland durch die Unterzeichnung des Strafrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption vom 27.1.199996 sowie etwa der UN-Konvention gegen Korruption vom 31.10.2003 (UNCAC)97 bereits längst verpflichtet hatte, eine angemessene Strafdrohung auch für die Korruption von Mandatsträgern einzuführen, ist dies jedoch erst zum 1.9.201498 erfolgt. Die aktuelle Regelung des § 108e StGB, nunmehr „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“, erweitert die Strafbarkeit für die betroffenen Mandatsträger im Vergleich zur alten Regelung zwar erheblich, erfüllt allerdings lediglich die Minimalanforderungen der Konvention, erforderlich für die Strafbarkeit ist der Nachweis einer konkreten Unrechtsvereinbarung, die schlichte Vorteilsannahme wird weiterhin nicht erfasst.

63

Die Neuregelung des § 108e StGB entspricht der Systematik des Tatbestandes der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 StGB. Die passive Bestechlichkeit von Mandatsträgern ist in § 108e Abs. 1 StGB geregelt, die aktive Bestechung von Mandatsträgern in § 108e Abs. 2 StGB. Nach der Neuregelung des § 108e Abs. 2 StGB macht sich wegen der Bestechung von Mandatsträgern strafbar, wer einem „Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder“ einen „ungerechtfertigten Vorteil“ für diesen oder einen Dritten „als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt“, dass er „bei Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse“. Der Tatbestand definiert damit einen neuen, von dem der Amtsträgerkorruption abweichenden Vorteilsbegriff, von der Strafdrohung erfasst wird lediglich ein „ungerechtfertigter Vorteil“, der allerdings gerade nicht vorliegt, wenn etwa die Annahme des Vorteils „im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften steht“.

64

Ein Compliance-Risiko stellt der Tatbestand aufgrund der Weite des Empfängerbegriffs dar. Mandatsträger i.S.d. § 108e Abs. 1 und Abs. 2 StGB ist zwar zunächst einmal nur das „Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder“, mithin des Bundestages, der Landtage, des Abgeordnetenhauses in Berlin sowie der Hamburgischen und Bremischen Bürgerschaft. Gem. § 108e Abs. 3 StGB stehen diesen jedoch die Mitglieder zahlreicher anderer Institutionen gleich. Dies sind Mitglieder einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft (Nr. 1), Mitglieder eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit (Nr. 2), Mitglieder der Bundesversammlung (Nr. 3), Mitglieder des Europäischen Parlaments (Nr. 4), Mitglieder einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation (Nr. 5) und Mitglieder eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates (Nr. 6). Von besonderer Bedeutung in der Praxis ist die Nr. 1 „Mitglieder einer Volksvertretung der kommunalen Gebietskörperschaften“; dies sind insbesondere Mitglieder der Stadt- und Gemeinderäte, aber auch der Bezirksvertretungen. Bei diesen ist jeweils zu prüfen, ob sie als Mandatsträger gehandelt haben, (nur) dann kommt eine Strafbarkeit nach § 108e StGB in Betracht, oder ob die Handlung im Rahmen der Betrauung mit konkreten Verwaltungsaufgaben, die über ihre Mandatstätigkeit hinausgehen, erfolgt ist. In einem solchen Fall hätten sie als Amtsträger gehandelt mit der Folge, dass sich eine etwaige Strafbarkeit an den §§ 331ff. StGB orientiert.99 Nr. 2 erfasst diejenigen Länder bzw. Stadtstaaten, in denen eine Aufgliederung in Bezirke erfolgt ist, die aber keine Gebietskörperschaften darstellen, wie etwa die Bezirksverordnetenversammlung in Berlin und die Bezirksversammlung in Hamburg.100 Insoweit wird allerdings auch der Kreistag erfasst, der gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ebenfalls eine aus Wahlen hervorgegangene Volksvertretung ist.

65

Der Geber muss dem Mandatsträger oder einem Dritten den ungerechtfertigten Vorteil „als Gegenleistung“ dafür anbieten, versprechen oder gewähren, dass dieser bei Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, es muss also gerade eine qualifizierte Unrechtsvereinbarung geschlossen werden. Der ungerechtfertigte Vorteil muss gerade deshalb zugewendet werden, damit das Mitglied sich in einer bestimmten Weise verhält, also „im Auftrag oder auf Weisung“ des Vorteilsgebers handelt. Der Mandatsträger soll gerade durch den ungerechtfertigten Vorteil dazu verleitet werden, im Auftrag oder nach Weisung des Auftraggebers zu handeln. Für die Strafbarkeit reicht es nicht aus, dass Vorteile nur allgemein für die Mandatsausübung zugewendet werden bzw. das Mitglied wegen der von ihm gemäß seiner inneren Überzeugung vertretenen Positionen einen Vorteil erhält. Die Grenze zur Strafbarkeit wird erst dann überschritten, wenn sich der Mandatsträger durch den Vorteil zu seiner Handlung bestimmen lässt und seine innere Überzeugung den Interessen des Vorteilsgebers unterordnet, er sich also „kaufen“ lässt.

66

Von erheblicher Compliance-Relevanz ist § 108e Abs. 4 StGB, der das Merkmal des ungerechtfertigten Vorteils mittels einer nicht abschließenden Negativdefinition konkretisiert. Ein ungerechtfertigter Vorteil liegt danach insbesondere nicht vor, wenn seine Annahme im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mandatsträgers maßgeblichen Vorschriften steht. Mit dem Verweis auf die für die Rechtsstellung maßgeblichen Vorschriften wird für Mitglieder des Deutschen Bundestages auf das Abgeordnetengesetz (AbgG), die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages (Anlage 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages) sowie die dazu von dem Präsidenten des Deutschen Bundestages erlassenen Ausführungsbestimmungen Bezug genommen. Auch die Landtage haben entsprechende Gesetze und darauf basierende Verhaltensregeln für ihre Mitglieder erlassen. Ebenfalls in den Gemeindeordnungen der Länder finden sich Vorschriften für Mitglieder von Volksvertretungen der Gemeinden und Gemeindeverbände, die ihrerseits innerhalb ihrer Autonomie und entsprechend den Gegebenheiten vor Ort weitere Verhaltensregeln festlegen können. Schlussendlich kann damit etwa der Gemeinderat durch die Ausgestaltung der Ehrenordnung oder eines Ehrenkodex,101 die „für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften“ erlassen und damit die Reichweite des Straftatbestandes des § 108e StGB bestimmen. Ebenfalls kraft Gesetzes ausgenommen ist eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Gesetzen zulässige Parteispende an die Partei oder den Mandatsträger (§ 108e Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StGB).102 Eine Spende, die allerdings „erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt“ wird, darf bereits nach § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG und § 4 Abs. 4 der Verhaltensregeln nicht angenommen werden und kann damit auch nicht mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgebenden Vorschriften in Einklang stehen. Mit dem Zusatz „oder entsprechender Gesetze“ wird ferner mit Blick auf ausländische Mandatsträger klargestellt, dass auch ausländische Gesetze, welche Regelungen über die Zulässigkeit von Parteispenden treffen, zum Ausschluss der Strafbarkeit führen können.

67

Aufgrund der Vielzahl der Möglichkeiten einer jeweils unterschiedlichen Gestaltung in Bund, Ländern und Kommunen entzieht sich der Tatbestand der Bestechung von Mandatsträgern damit quasi einer Positivliste, in welchen Fällen und in welchem Rahmen Zuwendungen ohne Compliance-Risiko möglich sind, wie sie häufig etwa in einer Antikorruptionsrichtlinie Niederschlag findet. Best practice kann insoweit lediglich äußerste Zurückhaltung und eine dezidierte Prüfung des Bestehens eines Compliance-Risikos im Einzelfall sein.

Compliance Management im Unternehmen

Подняться наверх