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h) Korruptionsdelikte im weiteren Sinne
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Das Gewähren oder Versprechen von Vorteilen im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl gem. § 119 Abs. 1 BetrVG kann durchaus als Korruptionsdelikt im weiteren Sinne verstanden werden. Gemäß § 119 Abs. 1 BetrVG151 wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine Wahl des Betriebsrats (sowie weiterer im Gesetz genannter Einrichtungen) behindert oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst (Nr. 1) oder ein Mitglied oder ein Ersatzmitglied des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats (und anderer im Gesetz genannter Einrichtungen) um seiner Tätigkeit willen benachteiligt oder begünstigt (Nr. 3).152 § 119 Abs. 1 BetrVG bedroht die Verhaltensweisen mit Strafe, die gem. § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG verboten sind. Das Wahlbeeinflussungsverbot des § 20 Abs. 2 BetrVG, das auch den eigentlichen Abstimmungsvorgang vorbereitende Maßnahmen umfasst, bezieht sich auf die Freiheit der inneren Willensbildung der Arbeitnehmer bei der Ausübung ihres Wahlrechts. Insoweit besteht eine „strikte Neutralitätspflicht“ des Arbeitgebers.
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Aufmerksamkeit erfuhr die Strafnorm des § 119 Abs. 1 BetrVG nicht zuletzt in dem sog. „VW-Verfahren“, in welchem der Konzernbetriebsratsvorsitzende durch das Landgericht Braunschweig im Jahre 2008 wegen Anstiftung zur Begünstigung eines Mitglieds eines Betriebsrats sowie eines Mitglieds eines europäischen Betriebsrats (§ 119 BetrVG, § 26 StGB) in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt wurde. Der „Vorteilsgeber“, der ehemalige Personalvorstand des VW-Konzerns, war bereits vorab zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Vorstandsmitglied hatte ohne Kenntnis der weiteren Vorstände Sonderbonuszahlungen an den Betriebsratsvorsitzenden in der Hoffnung veranlasst, damit dessen Wohlwollen zu gewinnen. Darüber hinaus übernahm die VW AG für den Konzernbetriebsratsvorsitzenden in 27 Fällen die Kosten für die Buchung privater Reisen und Hotelaufenthalte, die Übernahme von Telefonkosten, Kosten für Mietfahrzeuge, die Bezahlung eines Maßanzugs und der Dienste von Prostituierten in einem Umfang von rund 230.000,00 EUR. Der BGH hat die Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 119 BetrVG wegen Fehlens eines Strafantrags gem. § 119 Abs. 2 BetrVG zwar aufgehoben, die Verurteilung wegen Untreue jedoch bestätigt.153
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Praktische Bedeutung erlangt die Strafnorm des § 119 Abs. 1 BetrVG jedoch, auch wenn eine unmittelbare Bestrafung im Regelfall am Fehlen des Strafantrages scheitert, mittelbar für die Frage einer unternehmensnützigen Steuerhinterziehung gem. § 370 AO. Wenn nämlich Zahlungen des Unternehmens an den Betriebsrat den Tatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfüllen, handelt es sich bei solchen Zahlungen um die Zuwendung von Vorteilen, die als rechtswidrige Handlungen gem. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG, § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind. Ist ein solcher Betriebsausgabenabzug allerdings erfolgt, ist darin unabhängig von der Verfolgbarkeit des Verstoßes gegen § 119 BetrVG, wie etwa im Fall Siemens/AUB, möglicherweise eine Steuerhinterziehung zu sehen.154
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Ebenfalls einen Korruptionstatbestand im weiteren Sinne stellt die in der Praxis wenig bekannte „Vorteilsannahme und -gewährung“ in der Hauptversammlung dar, die aber immerhin mit einer Geldbuße von bis zu 25.000,00 EUR geahndet werden kann. Gem. § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG handelt ordnungswidrig, wer besondere Vorteile als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme (Vorteilsannahme). Gem. § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG handelt ordnungswidrig, wer besondere Vorteile als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass jemand bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme (Vorteilsgewährung). Als besonderes Compliance-Risiko ist auch hier die steuerliche Behandlung derartiger Zuwendungen zu berücksichtigen.