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f) Brexit – konkret
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Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland vom 24.12.2020 [Draft] als Ergebnis der Brexit-Gespräche ist ein Freihandelsabkommen in den Bereichen Handel mit Waren und Dienstleistungen, Investitionen, Wettbewerb, staatliche Beihilfen, Steuertransparenz, Luft- und Straßenverkehr, Energie und Nachhaltigkeit, Fischerei, Datenschutz und Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Es sieht Nullzollsätze und Nullkontingente für alle Waren vor, die den entsprechenden Ursprungsregeln genügen. Es beendet die „no-Deal-Übergangsphase“ nach dem EU-Austritt zum 1.1.2021. Es enthält aber keine Regelungen zu Fragen der Rechtswahl oder der Wahl von Gerichtsständen, gerichtlichen Zuständigkeiten, gerichtlicher Anerkennung und Vollstreckung.
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Mit dem EU-Austritt Großbritanniens zum 31.1.2020 (siehe den Beschluss (EU) 2020/135 des Rates vom 30.1.2020 über den Abschluss des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft53) müssen nun bisher rein theoretisch gestellte Fragen praktisch beantwortet werden. Für 2020 galt zunächst die Übergangsphase, wonach Großbritannien bis Ende 2020 wie ein (nicht stimmberechtigtes) Mitglied behandelt wurde. Zum 31.12.2020 aber erfolgt der Austritt und es gilt nur mehr das Handels- und Kooperationsabkommen. Vielleicht wird Großbritannien in naher Zukunft verschiedene Verhandlungen über bilaterale Abkommen führen. Auch Beitritte Großbritanniens in verschiedene bestehende Freihandelszonen wurden und werden diskutiert, so z.B. ein CPTTP-Beitritt wie bereits bei der Übersicht der Freihandelsabkommen (siehe oben Rn. 19 und 20) erwähnt. Ein EFTA-Beitritt Großbritanniens erscheint mittlerweile unwahrscheinlich (siehe oben Rn. 16).
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Auch im Bereich von Gerichtsstands-, Anerkennungs- und Vollstreckungsfragen und vielleicht Fragen der Rechtswahl oder IPR-Anknüpfung war die Schaffung neuer Abkommen oder der Beitritt zu bestehenden Abkommen zu erwarten (siehe dazu unten Rn. 68 und 211). Möglich wären verschiedene Szenarien, wie z.B. ein Beitritt zum Lugano-Übereinkommen, den die Schweiz ausdrücklich begrüßen und unterstützen würde.54 Aber auch das Haager Übereinkommen vom 30.6.2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ oder CCC) und das Haager Übereinkommen vom 2.7.2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- oder Handelssachen (HAVÜ) (siehe unten Rn. 352) wurden als Möglichkeit genannt, um entstehende Regelungslücken zu schließen. Ersteres wurde sowohl durch die EU als auch am 28.12.2018 durch Großbritannien ratifiziert; Großbritannien und Irland haben zudem noch einmal selbstständig am 28.9.2020 ihre Urkunden über den Beitritt zum Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) bzw. CCC hinterlegt (siehe unten Rn. 336). Grundsätzlich tritt das HGÜ zwar hinter andere EU-Vorschriften zurück, sollten diese aber aufgrund des Brexits und dem Ende der Übergangsphase auf Großbritannien nicht mehr anwendbar sein, könnte das HGÜ die entstehenden Lücken zumindest teilweise schließen. Das HAVÜ wurde bisher weder durch die EU noch durch Großbritannien ratifiziert.
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Ansonsten gilt Großbritannien (sofern im Handels- und Kooperationsabkommen getroffen sind) ab dem 1.1.2021 gegenüber der EU und den Mitgliedstaaten als „normaler“ Drittstaat. Außerhalb getroffener Vereinbarungen wäre dann wohl das jeweilige nationale Recht anwendbar. Die entsprechenden Synopsen zwischen Rom I-Verordnung/EVÜ/EGBGB (siehe Rn. 70) sowie zwischen alter und neuer EuGVVO (siehe unten Rn. 251) sowie zu EuGVÜ und EuGVO a.F. in der Vorauflage sind daher vielleicht hilfreich. Die Rom I- und II-Verordnungen hat Großbritannien in nationales Recht übernommen (siehe unten Rn. 68).